Lettischer Außenminister kritisiert verschärfte Drohungen aus Moskau.
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"Wiener Zeitung":Sie haben das Vorgehen Russlands im Konflikt um die Ukraine heftig kritisiert und eine Parallele zum Deutschen Reich gezogen. Das hat für Empörung in Teilen des EU-Parlaments gesorgt. Fühlen Sie sich missverstanden?Edgars Rinkevics: Ich wäre froh, wenn diejenigen, die meine Aussage kritisieren, ebenso die Meldungen aus Russland kritisieren würden. Denn in den letzten Wochen und Monaten haben wir eine beispiellose Verschärfung der Drohungen aus Moskau erlebt. Es war vom Einsatz von Atomwaffen die Rede, von der möglichen Pulverisierung von Städten. Es ist eine Rhetorik, wie wir sie seit der Kuba-Krise in den 1960er Jahren nicht mehr gehabt haben.
Der rhetorische Vergleich mit Deutschland trage nicht unbedingt zur Beruhigung bei, meinen die Sozialdemokraten.
Diese Einwände weise ich zurück. Wir müssen ein klares Signal an Russland aussenden. Die Entwicklung selbst ist beunruhigend. Die Situation in der Ukraine bleibt fragil, im Osten des Landes ist russisches Militär präsent, auch wenn dies in Moskau geleugnet wird. Die Halbinsel Krim ist bereits annektiert. Ich befürchte ein wenig, dass wir die Lage nicht ernst genug nehmen.
Meinen Sie damit auch EU-Staaten, die eine weniger harte Gangart gegenüber Russland wünschen - im Gegensatz zu Ihrem Land oder Polen etwa?
Wir haben unterschiedliche historische Erfahrungen. Doch das Verständnis für unsere Position wächst. Noch vor ein paar Jahren wollten uns manche - Westeuropäer - das Gefühl vermitteln, wir seien zu sehr mit unserer Vergangenheit aus Zeiten der Sowjetunion beschäftigt, was unseren Blick trübe. Doch mittlerweile haben wir den Konflikt. Das Wichtigste war daher, eine gemeinsame Haltung innerhalb der EU gegenüber Russland zu finden. Das haben wir schließlich erreicht, und das muss uns weiter gelingen.
Haben die Europäer andererseits vor eineinhalb Jahren versäumt, der Ukraine mehr Unterstützung zu gewähren? Haben sie vor der - beim Gipfeltreffen in Vilnius geplanten und damals verschobenen - Unterzeichnung des Abkommens mit der EU die Abhängigkeit Kiews von Moskau unterschätzt?
Zu hinterfragen ist anscheinend Teil unserer Kultur. Doch was haben wir uns vorzuwerfen? Es war der Wunsch der Ukraine und anderer Partnerstaaten wie Georgien oder Moldawien, sich der EU anzunähern. Wir haben keinen Druck ausgeübt - auch nicht, als sich Armenien umgekehrt entschloss, Teil der Eurasischen Zollunion zu werden. Wir haben das akzeptiert. Bis zum Sommer 2013 hatten wir keine Probleme mit unserem Programm der östlichen Partnerschaft. Russland hatte ebenfalls kaum Schwierigkeiten damit. Das hat sich aber dann geändert.
Die Partnerschaftspolitik der EU soll trotzdem überarbeitet werden. Was waren ihre Fehler?
Wir haben es vernachlässigt, auf die unterschiedlichen Ambitionen der Partner bei der Annäherung an die EU einzugehen. Aserbaidschan oder Weißrussland haben andere Interessen bei der Kooperation mit der Union als etwa Moldawien. Daher sollte auch unser Zugang ein differenzierter sein. Wir wollen aber deutlich zu verstehen geben, dass wir zusammenarbeiten und uns politisch engagieren wollen.
Beim Gipfel der östlichen Partnerschaft Ende Mai in Riga haben Sie die Gelegenheit dazu. Welches Angebot kann die EU da machen?
Wir haben mehrere Möglichkeiten. Hilfe bei der Stärkung der Infrastruktur oder des Rechtsstaates gehören dazu. Wir können auch die bereits begonnene Kooperation im Energiebereich vertiefen. Mobilität und Visaliberalisierung sind ebenfalls Themen. Sie betreffen derzeit die Ukraine und Georgien, die gerne Erleichterungen hätten. Die Länder müssen aber die Bedingungen dafür erfüllen, und die EU-Kommission muss noch ihre Einschätzung abgeben.
Und die EU-Staaten müssen dem ebenfalls zustimmen.
Es hat noch kein Land seinen Widerspruch angemeldet - vorausgesetzt, dass alle Kriterien erfüllt sind.
Möchten Sie auch einen Schritt weiter gehen und der Ukraine eine Mitgliedschaft in der EU in Aussicht stellen?
Der Gipfel in Riga soll nicht die Beitrittsperspektive behandeln.
Gibt es diese trotzdem?
Die EU-Verträge legen die Bedingungen fest, zu denen ein Land sich um die Aufnahme in die EU bemühen kann. Wir können in diesem Fall nicht einfach sagen: "Du wirst keine Aussicht auf Mitgliedschaft haben."
Edgars Rinkevics: Der 41-Jährige ist seit Oktober 2011 Chefdiplomat Lettlands, das derzeit den EU-Vorsitz innehat. Davor war der Politikwissenschafter jahrelang im Verteidigungsministerium tätig und maßgeblich an den Verhandlungen über einen Beitritt seines Landes zur Nato beteiligt, der 2004 erfolgte. Vor seiner politischen Karriere war er Journalist.