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Klarheit für Tiroler Güter

Von Matthias Nagl

Politik
Gemeindeeigenes Holz dürfen auch Agrargemeinschaftsmitglieder nur für den Haus- und Gutsbedarf verwenden. Das wird nun nach einer Erkenntnis des VfGH in Gesetzesform gegossen.
© zaw

Landesregierung will mit einer Novelle Streit um die Agrargemeinschaften lösen.


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Innsbruck. Die Frage der Agrargemeinschaften solle "ein für alle Mal gelöst werden". Das sagten die beiden Spitzen der Tiroler Grünen, Georg Willi und Ingrid Felipe, im Februar dieses Jahres. Seit Dienstag ist diese Frage einer Lösung einen Schritt näher, allerdings nicht so, wie sich das die Grünen im Februar vorgestellt hatten.

Das Zitat entstand anlässlich einer Sondersitzung des Tiroler Landtags, in dessen Rahmen die Frage mit einem gänzlich neuen Rückübertragungsgesetz gelöst werden sollte. Nun schaut die Lösung aber anders aus, die Frage der Agrargemeinschaften soll mit einer Novellierung des aktuellen Flurverfassungsgesetzes gelöst werden. Das beschloss die Tiroler Landesregierung am Dienstag.

Das Bemerkenswerte daran ist: Mittlerweile ist Felipe stellvertretende Landeshauptfrau und dadurch in einer Koalition mit der ÖVP mitverantwortlich für den nächsten Schritt der Regierung in dieser Tiroler Glaubensfrage. Ausgelöst wurde dieser Schritt wie mehrere zuvor durch ein neues Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zum Thema. Dieser gab im jahrelangen Streit zwischen den Agrargemeinschaften, das sind Zusammenschlüsse zur Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Güter, und den Gemeinden zum wiederholten Mal den Gemeinden recht.

Die Frage betrifft nur Gemeinden, in denen Agrargemeinschaften aus Gemeindegut hervorgegangen sind, sogenannte Gemeindegutsagrargemeinschaften. Zu diesen stellte der VfGH vor drei Wochen fest, dass "die Überschüsse aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit unter den Substanzwert zu subsumieren sind und daher der Gemeinde zustehen".

Schon einmal, 2009, verhalf der VfGH den Gemeinden zu ihrem Recht. Das damals beschlossene Gesetz erwies sich aber nur teilweise als wirksam. Nicht erst seit damals, sondern schon seit gut 30 Jahren wird dieses Thema in Tirol hochemotional diskutiert. Die Ursache dafür liegt in der Entstehung der Gemeindegutsagrargemeinschaften: In den 1950er und 60er Jahren wurde Grund, der den Gemeinden gehörte, und Substanz, die sich darauf befand, großspurig und zum Teil ohne Wissen der Gemeinden von der Landes-Agrarbehörde in den Besitz der Agrargemeinschaften überschrieben. Insgesamt geht es mit etwa 2000 Quadratkilometern um eine Fläche so groß wie Osttirol.

Ein "Substanzverwalter"als Heilsbringer

Die nun geplante Lösung der Tiroler Landesregierung sieht folgendermaßen aus: Ein Substanzverwalter, der an den Willen des Gemeinderates gebunden ist, soll zukünftig als Mitglied einer Agrargemeinschaft über den Verkauf von Grundstücken, Verpachtungen und Ähnliches alleine entscheiden. "Der Substanzverwalter wird vom Gemeinderat gewählt und in den meisten Fällen der Bürgermeister oder ein Gemeinderatsmitglied sein", erklärte Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP).

"Damit haben die Gemeinden die volle Verfügung über die Grundstücke", freute sich der grüne Klubobmann Gebi Mair. Außerdem wird mit dem neuen Gesetz auch die Möglichkeit geschaffen, Gemeindegutsagrargemeinschaften aufzulösen. Dadurch können die betroffenen Gründe auch wieder an die Gemeinden übertragen werden.

Diese Lösung muss allerdings erst in Gesetzesform gebracht werden. Ein Begutachtungsentwurf soll nach dem Jahreswechsel fertig sein. Das Gesetz selbst soll der Landtag dann im Frühjahr rückwirkend mit Anfang 2014 beschließen. Die aktuelle Opposition, mit der die Grünen im vergangenen Frühjahr noch ihr Rückübertragungsgesetz beschließen wollten, hat mit dieser Lösung wenig Freude.

Die Lösung laufe auf zwei Chefs in der Agrargemeinschaft hinaus und könne "so nicht funktionieren", meinte Andreas Brugger von der Liste Fritz. Brugger vertritt als Anwalt mehrere Gemeinden in Streitigkeiten mit Agrargemeinschaften und ist nach wie vor ein Verfechter der Rückübertragung. Die nunmehrige Lösung würde aber mehr Rechtssicherheit bieten als die ursprünglich geplante Rückübertragung, argumentieren die Grünen. Und was sagen Willi und Felipe? Willi ist mittlerweile in den Nationalrat nach Wien gewechselt und kümmert sich dort um andere Themen. Felipe sprach bei der Verkündigung von einer "Grundlage für die Beseitigung historischen Unrechts".

Landwirtschaftskammer pocht auf alte Ansprüche

Ob die Streitfrage, die Tirol seit Jahrzehnten bewegt, dadurch gelöst wird, ist aber offen. Schon vor der nunmehrigen Einigung der Regierung hat Josef Hechenberger, Präsident der Tiroler Landwirtschaftskammer, auf Ansprüche der Agrargemeinschaftsmitglieder verwiesen.

"Jahrzehntelang haben die Funktionäre und Mitglieder der Agrargemeinschaften unzählige Leistungen für die Substanz, insbesondere für den Wald aber auch für die Almen samt Gebäuden ertragssteigernd erbracht, dies in der Regel ehrenamtlich und in der Meinung redliche Eigentümer zu sein", sagte Hechenberger. Er verlangte, dass die "vielfachen Leistungen bewertet und abgegolten werden". Der nächste Streit kann also beginnen.