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Klarheit ist gefragt

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Österreichs Politik befindet sich in einem seltsamen Schwebezustand. Alle sagen, sie wollen noch Reformen durchsetzen, doch im Nationalrat geht nur das Notwendigste durch. Der SPÖ-Vorsitzende und Bundeskanzler reibt sich im Bildungsreform-Kleinkrieg auf, in den ihn die ÖVP (und die eigene Partei) verwickelt. Der geschäftsführende ÖVP-Obmann und Außenminister erklärt, die Abgabenquote auf unter 40 Prozent senken zu wollen, aber nicht wie. Vom Vizekanzler und Justizminister ist wenig zu sehen. Grüne und Neos sind auf der Suche nach sich selbst, die FPÖ ist derzeit abgetaucht.

Es bleibt die beruhigende Tatsache, dass es ein Leben ohne Politik gibt, und das entwickelt sich ganz gut. Das Wirtschaftswachstum Österreichs wurde auf mehr als zwei Prozent angehoben, die heimischen Unternehmen investieren - gottlob.

Das bedeutet, dass die Arbeitslosigkeit weiter sinken wird und die nächste Regierung ein recht gut bestelltes Feld übernehmen kann, wenn global niemand durchdreht (Trump ist schon ein erheblicher Unsicherheitsfaktor).

Das sollte die heimische Politik aber nicht in Sicherheit wiegen, was leider der Fall ist. Denn der genervte Wähler in spe erfährt derzeit alles Mögliche, aber eines nicht: Wie stellen sich die wahlwerbenden Parteien die Gesellschaft in Zukunft vor? Der Plan A von Christian Kern bietet konkrete Lösungen für gravierende Probleme, aber er zeichnet kein Bild der Gesellschaft.

Der (von Schüssel und Spindelegger abgekupferte) Kurz-Plan sieht vor, jährlich 12,2 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben zu senken. Auch toll, aber wem wird das viele Geld weggenommen, und wie sieht die Gesellschaft dann aus? Keine Antwort.

Schauen wir nach Frankreich und nach Deutschland. Auch wenn beide Länder beim Schulden-Thema anders ticken, so sind dort doch zwei Politiker erfolgreich, die eindeutig pro-europäische Konzepte verfolgen. Macron hat gute Chancen, auch die nun anstehende Parlamentswahl aus dem Stand zu gewinnen. Merkel zieht einer zögerlichen SPD davon. Ihr Erfolgsrezept: klare Botschaften, gepaart mit Realismus. Die klarsten Botschaften in Österreich senden derzeit die Neos und die FPÖ aus. SPÖ und ÖVP dagegen wollen sich für die Zeit nach der Wahl nur ja keine Option verbauen. Von dieser Ausgewogenheit bis zur Unkenntlichkeit haben die Wähler aber genug. Mehr Mut wäre dringend gefragt.