Für den neuen Gesundheitsstadtrat Peter Hacker ist der KAV das Wichtigste, das auf seinem Schreibtisch liegt.
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Wien. Nach 30 Jahren ist Wiens Sozialmanager Peter Hacker doch noch in der Politik gelandet: Seit vergangenem Donnerstag ist der ehemalige Chef des Fonds Soziales Wiens neuer Gesundheitsstadtrat. Mit der "Wiener Zeitung" sprach er über seine neue Rolle in der Stadtregierung.
"Wiener Zeitung": Was war der Grund, dass Sie sich am Ende doch dazu entschieden haben, dem Ruf von Michael Ludwig zu folgen?
Peter Hacker: Wir haben viele Gespräche geführt. Und er hat so direkt gefragt und damit argumentiert, dass er ein vielfältiges Team haben möchte - Menschen mit Ecken und Kanten. Wir haben dann besprochen, was das eigentlich heißt. Und was er gesagt hat, war so überzeugend, dass ich schließlich von meinen früheren Aussagen abgewichen bin.
Und Sie haben auf Ihre Ecken und Kanten hingewiesen?
Natürlich. Abgesehen davon kennen wir uns schon seit Jahrzehnten. Er hat gesagt, er will das genau so. Er wollte ja auch einen anderen Team-Spirit haben.
Wie sieht dieser Team-Spirit aus?
Wir sind tatsächlich ein Team und brauchen keine Regierungskoordinatoren mehr - wir haben nämlich jeder ein Handy. Das heißt, wir telefonieren und whatsappen eigentlich pausenlos. Wir akkordieren uns schnell und direkt. Das ist großartig, bedeutet aber für Michael Ludwig auch viel Koordinationsarbeit.
Sie sind in Sachen Mindestsicherung anderer Meinung als Michael Ludwig. Wie viele Ecken und Kanten dürfen Sie künftig behalten?
Dass versucht wird, uns in dieser Frage eine Meinungsverschiedenheit unterzujubeln, amüsiert uns gerade sehr. Denn wir haben hier die gleiche Betrachtungsweise: Es darf in dieser Stadt niemand hungern, es darf niemand frieren, es darf in dieser Stadt niemand obdachlos sein.
Strukturreform Wiener Krankenanstaltenverbund: Werden Sie das Konzept von Ihrer Vorgängerin Sandra Frauenberger übernehmen?
Wir haben hier zwei große Themenblöcke, die man ein bisschen klarer voneinander trennen muss, als es derzeit in der öffentlichen Diskussion stattfindet: Das eine ist die Organisationsform - der KAV soll zu einer Anstalt öffentlichen Rechts werden. Das steht für mich völlig außer Zweifel. Klar ist, dass die "Wiener Spitäler" eine Organisation sein muss, in der es ganz klare Strukturen gibt. Es muss klar sein, wer wofür verantwortlich ist. Diese Klarheit muss es auch an der Spitze geben, aber auch quer durch das ganze Unternehmen hindurch. Weil auch die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den eigentlich Job mit den Patientinnen und Patienten machen, wissen müssen, was die Rahmenbedingungen sind, für die sie arbeiten. Hier herrscht eine Unumkehrbarkeit des eingeschlagenen Weges.
Es wurden vier Personen für die Generaldirektion vorgesehen - verderben nicht zu viele Köche den Brei, vor allem vor dem Hintergrund Ihres Anspruchs nach klaren Strukturen?
Die Frage werden wir noch diskutieren. Jetzt geht es darum, den Rahmen zu schaffen, um das Unternehmen bilden zu können. Erst dann beschäftigen wir uns mit der Frage: Wie viele Chefs brauche ich auf welchen Etagen.
Die vier Generaldirektoren sind also nicht in Stein gemeißelt?
So etwas darf gar nicht in Stein gemeißelt sein. Weil eine Organisation immer auf Veränderungsbedarf von innen und von außen reagieren können muss.
Und der zweite Themenblock?
Der zweite Themenblock ist der des Spitalplans. Also die Entwicklung, wo wir welche Gesundheitseinrichtungen haben wollen. Und hier war von Anfang an klar, dass die langfristige Planung bis 2030 laufend adaptiert werden muss. Das heißt, es findet eine Fortsetzung des Weges statt, aber mit klarer Betonung auf eine rollierende Planung. Das heißt: Planung laufend hinterfragen und evaluieren. So wie das in jedem Management üblich ist.
Der neue Name für den KAV soll "Wiener Kliniken" lauten - was passiert dann mit den Geriatrieeinrichtungen? Soll hier wieder der alte Weg der sogenannten Teileinrichtungen gegangen werden?
Ich sag’s, wie es ist: Da muss ich mich noch genauer hineinarbeiten. Ich werde das Gesetz diese Woche noch durchgehen und habe diesbezüglich schon einige Termine vereinbart. Fix ist: Wenn ich das Gesetz einmal unterschrieben habe, dann wird es meine Handschrift tragen und sehr präzise und klar sein.
Klarheit ist Ihnen also wichtig.
Klarheit ist wichtiger als Geschwindigkeit. Denn es handelt sich in Wirklichkeit um das wichtigste Gesetzesvorhaben meines Ressorts. Es geht um eine Organisation, die die zentrale Säule des Gesundheitswesens dieser Stadt ist. 30.000 Menschen arbeiten hier jeden Tag. Hunderttausende Menschen aus ganz Österreich kommen in die Wiener Spitäler. Nichts ist also wichtiger als das Fundament, auf dem die Spitäler funktionieren können. Der KAV ist momentan das Wichtigste, das auf meinem Schreibtisch liegt.
Was ist mit der Pflege? Kann sich die Stadt nach der Streichung des Pflegeregresses die kommenden Anforderungen leisten?
Hier haben wir ja auch eine gute Planung bis 2030 gemacht. Und froh bin ich, dass die Landeshauptleute eine klare Vereinbarung mit dem Bund getroffen haben zu der Frage des Pflegeregresses. Da hat die Bundesregierung die Bevölkerung viel zu lange im Dunkeln gelassen.
Schließt dieser Pflegeplan auch das Thema Qualifikation ein? Sind Helfer aus der Slowakei für den niederschwelligen Bereich genug? Steuern wir in Wien nicht auf einen Pflegenotstand zu?
Das haben wir klar gesagt: Wenn die Bundesregierung mit ihren unüberlegten Schritten im Bereich der Familienbeihilfe bewirkt, dass von den 60.000 Kräften, die derzeit aus dem Ausland kommen und für die 24-Stunden-Pflege tätig sind, auch nur 10 Prozent den Job hinschmeißen, dann kriegen wir in ganz Österreich ein fulminantes Problem. Und der Auslöser des Problems hat dann auch eine Adresse. Deswegen gehe ich davon aus, dass da sehr wohl noch darüber nachgedacht wird. Zumindest die Sozialministerin ist sich hier ihrer Verantwortung bewusst.
Das KH Nord fällt auch in Ihren Verantwortungsbereich und der Rechnungshofbericht hat viele Missstände bestätigt. Was gibt es für einen konkreten Plan, um das Ding auf Schiene zu bringen? Gibt es eine neue Bestandsaufnahme?
Ich habe dem gesamten Management des KAV gesagt, es soll sich drei Wochen Zeit nehmen. Es soll alle Pläne - die Baupläne, die Besiedelungspläne bis zum Vollbetrieb und auch die Finanzpläne - in Ruhe durcharbeiten. Dann möchte ich einen gemeinsamen Bericht des KAV-Top-Managements und dem Management vor Ort haben, wo drinnensteht, wovon sie überzeugt sind, wo noch die Risiken sind. Und dann werde ich mich dazu äußern, was Besiedelung und Finanzierung betrifft. Das wird dann mein Zeitplan sein, zu dem ich stehen kann.
Wien hat noch immer zu wenig Unfallbetten. Das wird auch nicht durch das KH Nord behoben. Wollen Sie neue Unfallbetten schaffen oder die nächsten Jahre weiter über Gangbetten diskutieren?
Es gibt ja schon etliche Maßnahmen, die bereits umgesetzt wurden. Es gibt endlich ein umfassendes Monitoring, damit man dann auch darüber reden kann, wo vor Ort welche Verantwortung nicht funktioniert. Für mich ist es nicht denkbar, dass Patientinnen oder Patienten über Nacht oder mehrere Tage am Gang schlafen. Anders schaut es aus bei der Fragestellung: Werden wir weiterhin Patientenbetten in eine Ambulanz schieben? Die Antwort ist eindeutig: Ja. Es wird also theoretisch weiterhin möglich sein, Fotos von Patienten am Gang zu machen.
Was ist mit Ärztemangel aufgrund der neuen Arbeitszeitregelungen?
Die ganze Diskussion habe ich immer nur mit Verblüffung und Verwunderung wahrgenommen. Denn dass es eine EU-Richtlinie zu neuen Arbeitszeitregelungen gibt, weiß man schon seit 20 Jahren. Ich habe dieses Thema für die Kollektivverträge, für die ich verantwortlich war, schon vor 15 Jahren bereinigt. Jetzt gibt es eine Arbeitszeitregel, die Gesetzeskonform ist, darüber wird man nicht diskutieren müssen.
Das ändert nichts am Ärztemangel.
Ja genau. Ganz klar ist, dass man sich zum Thema Ausbildung - wie in allen Berufen - etwas überlegen wird müssen. Und dazu gibt es auch schon Überlegungen, aber für mich ist es jetzt noch zu früh, um sie kundzutun.