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Budget: Plädoyer für Konsolidierung. | Kritik am mangelhaften Sparwillen der Regierung. | Steuerreform: Unter gewissen Bedingungen wäre temporär größeres Defizit tolerierbar. | "Wiener Zeitung": Versucht die Europäische Zentralbank, deren Ratsmitglied Sie sind, mit ihrer jüngsten Zinserhöhung die ohnehin schon schwächelnde europäische Konjunktur gewaltsam abzuwürgen?
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Klaus Liebscher: Wir haben in all unseren Diskussionen immer die wirtschaftliche Entwicklung und, daraus abgeleitet, die Konsequenzen für die Preisstabilität im Auge. Zweifelsohne ist es das Mandat der Europäischen Zentralbank, die Preisstabilität im Euro-Raum zu gewährleisten. Wir fühlen uns diesem Mandat in allererster Linie verpflichtet.
Ich bin aber auch überzeugt, dass die 320 Millionen Menschen, die heute im Euro-Gebiet leben, kein Verständnis hätten, würde die EZB eine laxe Geldpolitik betreiben und eine hohe Inflationsrate tolerieren. Unbestrittenermaßen ist das Wirtschaftswachstum im Euro-Gebiet, das für heuer auf unter zwei Prozent geschätzt wird, deutlich schwächer als im Vorjahr.
Die Prognosen für das kommende Jahr gehen von einer weiteren Abschwächung aus.
Das ist nicht wegzudiskutieren, aber in Summe ist immer noch von einem relativ gesunden Wachstum auszugehen. Daher ist es meines Erachtens nicht angebracht zu sagen, dass mit dieser Zinserhöhung die Konjunktur abgewürgt wird. Ich teile derartige Kommentare, die ich immer wieder registriere, überhaupt nicht.
Hat Sie die Kritik, die von Repräsentanten des linken wie rechten politischen Spektrums geäußert wurde, in ihrer Intensität verblüfft?
Sie hat mich grundsätzlich keineswegs überrascht, weil ich diese Argumente seit Jahren kenne. Es ist legitim, dass es unterschiedliche Ansichten gibt. Aber auf europäischer Ebene sind die Kommentare in der Mehrzahl positiv, was in meinen Augen wichtiger ist.
In Österreich wird im September gewählt werden. Wie beurteilen Sie die Wirtschafts- und Budgetpolitik der abtretenden Regierung?
Ich habe sehr begrüßt, wie die nun abtretende Regierung im Jänner 2007 mit ihrem Koalitionsprogramm ein sehr klares Bekenntnis zu einer stabilitätsorientierten Wirtschafts- und Budgetpolitik abgegeben hat, weil ich es im Interesse des Landes für essentiell halte, einen stabilitätsorientierten Budgetkurs zu gehen und die Staatsverschuldung zu reduzieren. Die Vereinbarungen, die diesbezüglich im Koalitionsprogramm gemacht wurden, sind zunächst gut gelaufen, wobei natürlich eher von außen kommende Faktoren wie die sehr gute konjunkturelle Entwicklung der Jahre 2006 und 2007 mitgewirkt haben.
Natürlich haben auch manche Reformmaßnahmen der Vorgängerregierung Wirkung gezeigt. Und es ist gelungen, das Defizit von ungefähr 1,5 Prozent im Jahr 2006 auf 0,5 Prozent im Jahr 2007 zurückzuführen.
Aber dennoch - und jetzt beginnt die Kritik - ist es nicht gelungen, trotz dieses guten konjunkturellen Umfeldes und der sprudelnden Steuereinnahmen einen stärkeren Konsolidierungskurs zu fahren, Ausgabenkürzungen herbeizuführen und gemäß Koalitionsprogramm die großen Reformmaßnahmen anzugehen.
Die da wären?
Die Verwaltungsreform, aber auch die Verfassungsreform, die Konsequenzen in der Verwaltungsreform haben könnte, die Gesundheitsreform und die Stabilisierung des Pensionssystems. So gesehen also ist am Ende das Urteil hinsichtlich des Erfolges der Stabilitätsorientierung ein eher sehr zurückhaltendes.
Und welche Wünsche oder Ratschläge haben Sie an die künftige Regierung?
Die Wünsche an eine neue Regierung sind für mich ganz klar: Fortsetzung des stabilitätsorientierten Kurses, des Bekenntnisses zu einer Stabilitätsorientierung in Richtung vernünftiger Fiskalpolitik; das Ziel eines ausgeglichenen Budgets 2010 einzuhalten, das ja auch eine europäische Vereinbarung ist, zu der sich Österreich bekannt hat. Und natürlich sind daher die Maßnahmen und Reformen anzugehen, die bis jetzt unterblieben sind.
Ich erwarte schon, dass eine neue Regierung - auch wenn sie möglicherweise andere Rahmenbedingungen vorfinden wird, sowohl was das parlamentarische Umfeld anbelangt, aber sicher auch das konjunkturelle - diesen Kurs nicht verlässt, weil er im Interesse des Landes und unserer Zukunft ist.
Ein wichtiges Thema des Wahlkampfs wird vermutlich die Form und das Ausmaß einer künftigen Steuerreform sein. Kann sich Österreich eine Steuerreform nennenswerten Ausmaßes leisten?
Ich glaube, Österreich sollte sich eine nennenswerte Steuerreform leisten, wobei ich immer davon ausgegangen bin, dass die von der nun abtretenden Regierung angepeilte Summe von 2,7 bis 3 Milliarden Euro ein verträgliches Volumen wäre.
Die Wünsche oder Forderungen gehen aber vielfach weit über 3 Milliarden hinaus.
Mir ist klar, dass manche meinen, es müssten 4 oder 5 Milliarden sein. Ich würde dem nicht entgegenwirken wollen, wenn es finanzierbar ist. Das gilt für 3 Milliarden und erst recht für 4 oder 5 Milliarden.
Ich bin jedenfalls ein vehementer Gegner der Finanzierung einer Steuerreform über eine Ausweitung des Defizits. Das kann kein ernsthafter Plan sein.
Welche Gegenfinanzierungen würden Sie vorschlagen?
Das müsste insbesondere durch Einsparungen bei den großen Blöcken Verwaltungsreform, Gesundheitssystem und Pensionssystem bewerkstelligt werden. Aber ich habe meine ehrlichen Zweifel, ob das rechtzeitig gelingen kann, wenn man das Ziel einer Steuerreform im Jahr 2010 beibehalten möchte. Ich hätte selbst bei Fortbestehen der gegenwärtigen Regierung meine Zweifel gehabt, aber nun umso mehr.
Eine neue Regierung braucht Wochen, wenn nicht Monate, bis sie sich konstituiert und die entsprechenden Einsparungsprogramme aufnehmen kann. Da ist von jetzt an gerechnet wahrscheinlich ein halbes Jahr verloren. Und da bleiben dann nur noch zwölf Monate!
Und Rückenwind von der Konjunktur wird es vermutlich auch nicht geben.. .
Zumindest im nächsten Jahr nicht. 2010 sollte es dann nach den meisten Prognosen wieder einen leichten Aufwärtstrend geben. Aber momentan ist es ein schwieriges Umfeld. Wenn man die Lohn- und Einkommenssteuertarife absenken möchte, wenn man die Einkommensgrenze, ab welcher der Höchststeuersatz wirksam wird, anheben möchte, dann kostet das alles natürlich etwas.
Aber das wird bis 2010 wohl kaum zur Gänze gegenzufinanzieren sein.
Überwiegend hat das durch Ausgabenkürzung zu erfolgen. Ich habe beispielsweise den Eindruck, dass wir mit den 1,7 oder 1,8 Milliarden Wohnbauförderung eine gute Manövriermasse hätten, die natürlich nicht zur Gänze gestrichen werden, aber doch deutlich reduziert werden könnte. Und selbstverständlich müssen Einsparungen bei den zuvor erwähnten großen Blöcken Verwaltung, Gesundheit und Pensionen eingeleitet werden.
Aber selbst wenn solche Einsparungen beschlossen werden sollten, würden sie vermutlich erst nach 2010 ihre Wirkung entfalten.
Das wird wahrscheinlich nicht zur Gänze innerhalb eines kurzen Zeitraums möglich sein, aber es müssen Signale gesetzt werden: Vielleicht sind kurzfristig nur 50 oder 70 Prozent des Volumens einer Steuerreform einsparbar, und der Rest muss vorübergehend zulasten des Budgets gehen.
Ein höheres Budgetdefizit zur Finanzierung einer Steuerreform findet der Nationalbank-Gouverneur tolerabel?
Ich möchte da keinesfalls missverstanden werden: Ich bin ein absoluter Gegner einer Budgetdefizitausweitung. Aber wenn verbindliche Sparmaßnahmen so beschlossen werden, dass man davon ausgehen kann, dass sich das innerhalb eines überschaubaren Zeitraums wieder einbremst.. .
... dann wäre es tolerabel, dass es da eine gewisse zeitliche Lücke gibt?
Wenn die Einsparungen beschlossen sind. Ich teile jedenfalls nicht die Ansicht, die ja immer wieder von manchen vertreten wird, dass sich eine Steuersenkung quasi von selbst finanziert. Schon gar nicht angesichts der zu erwartenden konjunkturellen Rahmenbedingungen.
Für die Konjunkturentwicklung ist die Situation an den Finanzmärkten ein wesentlicher Faktor. Sehen Sie einen Zeithorizont, wann die Krise bewältigt sein wird?
Es wäre vermessen, einen konkreten Termin zu nennen. Ich glaube, dass wir sicher noch über das Jahr 2008 hinaus mit einigen Themen konfrontiert sein werden.
Andererseits ist mein Eindruck, dass wir der Talsohle nahe sind. Wir sehen vielleicht schon das Licht am Ende des Tunnels, aber es ist zweifelsohne noch eine weite Strecke bis zum Ende des Tunnels. Ich hoffe, dass alle Beteiligten in der Finanzbranche - damit meine ich Akteure wie auch Aufseher - die Lehren aus den Vorkommnissen ziehen werden.
Fortsetzung Seite 24
Welche Lehren wären das?
Die Europäische Zentralbank, das Euro-System, hat schon vor zweieinhalb bis drei Jahren Befürchtungen geäußert, dass es zu Fehl-
allokationen, zu allzu großzügigen Risikobeurteilungen, kommt. Aufgrund des relativ niedrigen Zinsniveaus und der damit verbundenen hohen Liquidität, die bei manchen Marktteilnehmern nicht ausreichende Erträge zur Folge hatten, wurde anscheinend unter Außerachtlassung verschiedener Warnsignale fallweise eine relativ aggressive Kreditvergabepolitik betrieben. Zum anderen wurden aber auch sehr innovative, komplexe Finanzinstrumente geschaffen.
Haben alle Marktteilnehmer diese Instrumente richtig verstanden?
Mein Eindruck ist, dass möglicherweise nicht alle Beteiligten wirklich gewusst haben, was für Risken mit diesen doch sehr komplizierten Produkten verknüpft waren.
Durch die hohe Liquidität ist eine etwas perverse Situation entstanden: Normalerweise braucht jemand Geld für eine Großinvestition oder eine Akquisition und geht zu seiner Bank, um einen Kredit zu bekommen, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen. Hier war es vielfach umgekehrt: Die Banken haben Investition gesucht und haben anderen ihr Geld - unter anderem mit diesen komplexen Produkten - aufgedrängt. Das war schon eine etwas verkehrte Welt.
Und die Banken haben dabei - etwa bei den sogenannten Subprime-Hypotheken in den USA - nicht mehr ausreichend auf die Bonität jener geachtet, denen sie das Geld aufgedrängt haben?
Die Ursache dieses Trends in Amerika war die überliquide Situation der Banken, wodurch die Kreditnehmerbonität immer schlechter wurde. Das Bemerkenswerte ist, dass die Risken eines an sich kleineren, isolierten, abgegrenzten Marktes durch diese Produkte, mit denen man die Kredite gebündelt und weltweit weiterverkauft hat, Turbulenzen in anderen Märkten, vor allem in Europa, ausgelöst haben.
Was können die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis für die Zukunft sein?
Ich meine, dass wir alle miteinander wieder daran erinnert wurden, dass das Risikomanagement und vor allem das Management des Liquiditätsrisikos ganz zentrale Faktoren sind.
Das gilt für die Banken selbst, die ihr Risikomanagement verstärken müssen, ebenso wie für die Aufsichtsmaßnahmen. Basel II (die Neuregelung der Eigenkapitalvorschriften für Geldinstitute, Anm. ) ist da ein gutes Stichwort, denn eine der wesentlichen Ursachen war, dass sehr viele Positionen außerhalb der Bilanz gelaufen sind, und Basel II würde das jetzt erfassen.
Hat das Pendel nun in die andere Richtung ausgeschlagen, indem die Banken einander kaum noch vertrauen und Geld leihen?
Die Anspannung, die vor einem Jahr am Geldmarkt eingesetzt hat und noch immer nicht zur Gänze bewältigt ist, hat dazu geführt, dass Banken einander - vor allem international, in Österreich ist das Gott sei Dank nicht ein solches Thema - mit einer großen Zurückhaltung gegenüber treten.
Die Konsequenz muss möglichst große Transparenz sein. Ich weiß, das klingt einfach, ist aber gar nicht einfach, denn das Misstrauen, das zwischen den Akteuren nun herrscht, ist beachtlich. Man fragt sich: "Was hast du an Risken in den Büchern, die wir nicht kennen?" Daher ist also sicher verbesserte Publizität dahingehend erforderlich, dass allfällige Wertberichtigungs- und Abschreibungserfordernisse klar und umfassend dargelegt werden. Da waren die Banken und teilweise auch die Versicherungen bisher vielleicht zu zurückhaltend und haben damit auch ihr Scherflein zu diesen Turbulenzen beigetragen.
Manche Bankmanager fordern nun gewisse Erleichterungen bei den Bilanzierungsvorschriften.
Ich glaube, dass zu überlegen ist, wie weit die sogenannten Mark-to-market-Regeln, die es zwingend vorschreiben, Wertpapiere und Finanzinstrumente jeweils zum aktuellen Tageskurs zu bewerten, in schwierigen oder sehr angespannten Finanzmarktsituationen eventuell anders gehandhabt werden können als jetzt.
Es gibt Gremien, die sich mit diesem sehr komplexen Themenkomplex beschäftigen. Ich weiß, dass das schwierig ist, aber es ist der Mühe wert, sich damit zu befassen. Eine Schlussantwort habe ich für Sie im Moment allerdings noch nicht.
Welche Lehren sind aus den Urteilen im Bawag-Prozess und den dort zutage getretenen Fakten zu ziehen?
Die Urteile selbst, die ja auch noch nicht rechtskräftig sind, möchte ich nicht kommentieren. Die sind so zu nehmen, wie sie durch das unabhängige Gericht formuliert sind.
Aber muss es nicht Konsequenzen für die Bankenaufsicht geben, damit solche Bilanzmanipulationen in Zukunft erschwert oder zumindest früher entdeckt werden?
Ich glaube, dass man zwar immer zwischen generellem und anlassbezogenem Vorgehen unterscheiden sollte, dass aber manchmal auch anlassbezogen Maßnahmen erforderlich sind. Und ich meine, dass mit der Struktur, wie die Finanzmarktaufsicht bei uns in Österreich nun mit einer verstärkten Rolle der Oesterreichischen Nationalbank konstruiert wurde, eine gute Lösung getroffen wurde.
Es war aus meiner Sicht konsequent, dass wir gesagt haben, wir müssen die Großbanken, die systemrelevant sind, wesentlich häufiger prüfen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Wobei ich niemandem die Schuld zuschieben möchte, aber dieses Ereignis ist sicher ein Anlass gewesen.
Wir haben vor, insbesondere systemrelevante Großbanken einer jährlichen Prüfung zu unterziehen.
Im Bawag-Prozess, wo ja auch der Wirtschaftsprüfer der Bank angeklagt war, wurden auch Fragen zu dessen Rolle aufgeworfen.
Es wird sicher auch die Rolle beziehungsweise Funktion der Wirtschaftsprüfer neu zu definieren sein.
Sind Sie der Meinung, dass die prüfenden Kanzleien regelmäßig gewechselt werden sollten?
Ich persönlich plädiere nicht so sehr für einen Wechsel der Kanzleien. Aber es wäre zu begrüßen, wenn der jeweilige Prüfer in regelmäßigen Abständen wechselt. Ich glaube aber auch, dass die Qualifikation und Qualität der Aufsichtsräte ein wichtiges Thema ist. Es ist sicher sinnvoll, wenn diese sich besser artikulieren und ihre Rolle vielleicht auch besser wahrnehmen.
Verstehe ich Sie richtig, dass Menschen, denen das Finanzwesen fremd ist, nicht für Aufsichtsratsfunktionen in Banken geeignet sind?
Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass nur Menschen, die im Finanzwesen zu Hause sind, Aufsichtsräte von Finanzinstitutionen sein sollten. Aber sie sollten zumindest ein sehr gutes wirtschaftliches Verständnis und wirtschaftliche Kenntnisse haben.
Wenn Sie auf Ihre Zeit an der Spitze der Nationalbank zurückblicken: Was waren da die Highlights?
Es gab eine ganze Reihe von Highlights. Faszinierend war für mich sicherlich, dass ich zu Beginn unserer Mitgliedschaft in der Europäischen Union Gouverneur geworden bin und dass wir damit sofort in alle Vorbereitungen der künftigen Währungsunion integriert wurden.
Im Dezember 1995 wurde der Name "Euro" für die gemeinsame Währung beschlossen und der Beginn der Währungsunion mit 1. Jänner 1999 festgelegt.
Die Vorbereitung der Oesterreichischen Nationalbank auf die Währungsunion war eine sensationelle, positive Erfahrung. Die Umstellung von Schilling auf Euro war eine enorme logistische Herausforderung, die das Haus ganz hervorragend bewältigt hat. Und bei der Erweiterung der Union 2004 hat mich auch emotional berührt, dass der Kontinent noch stärker zusammengewachsen ist.
Und wenn Sie Ihre Tätigkeit in der EZB Revue passieren lassen?
Die Zusammenarbeit in der Europäischen Zentralbank hat vom ersten Tag an überraschend sehr, sehr gut funktioniert. Bei einem Konglomerat von ursprünglich elf, dann zwölf und demnächst, mit der Slowakei, 16 unterschiedlichen Nationen und auch unterschiedlichen Einstellungen zur Geldpolitik, zur Stabilitätspolitik.. .
... und unterschiedlichen politischen Interessenslagen.
Auch das. Aber es hat von Anfang an wirklich perfekt funktioniert. Wir sind ja die einzige tatsächliche europäische Institution, und es war überraschend, dass von Beginn an keine nationalen Diskussionen stattfanden, sondern es stets eine europäische Diskussion war, bei der keiner meiner Kollegen nationale Interessen zur Sprache gebracht hat.
Rechnen Sie manchmal noch in Schilling?
Nein, absolut nicht. Der Schilling war eine hervorragende Währung, aber wir haben eine neue Ära, und ich habe mich von Anfang an bemüht, mich an diese Ära zu gewöhnen. Ich wundere mich immer wieder, wie viele Leute heute noch in Schilling umrechnen, weil es ja eigentlich sinnlos ist. Die alten Schillingpreise stimmen ja nicht mehr. Da müssten mittlerweile 15 oder 20 Prozent Inflation aufgeschlagen werden.
Welche Tipps haben Sie für Ihren Nachfolger in der OeNB, Ewald Nowotny?
Ich stehe gerne mit einem Rat zur Verfügung, wenn das gewünscht wird. Aber aktiv werde ich keine Ratschläge geben. Worum ich mich allerdings sehr bemühe ist, einen ordentlichen und reibungslosen Übergang vorzubereiten und meinem Nachfolger jegliche Informationen zu geben, die hilfreich sind. Und wir haben das Glück, dass wir einander bereits sehr lange kennen.
Diese Harmonie wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass Sie politisch und vor allem wirtschaftspolitisch deutlich unterschiedliche Vorstellungen haben?
Durchaus nicht. Ich habe natürlich eine politische Gesinnung und bin sicher ob oder trotz meiner politischen Gesinnung seinerzeit ernannt worden, habe aber meine Funktion nie parteipolitisch gesehen und versucht, sie immer neutral auszuüben. Wir haben im Euro-System stets eine preisstabilitätsorientierte Politik betrieben. Das ist auch die Erfüllung des Mandates der EZB. Aber jeder muss den Weg gehen, den er glaubt gehen zu müssen. Ich bin den meinen gegangen.
Was ist die wichtigste Charaktereigenschaft, die ein Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank haben muss?
Stabil sein und stabilitätsorientiert sein.