Prag - Für Vaclav Klaus und seine oppositionelle konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS) waren die Teil-Senatswahlen vom Wochenende ein Trostpflaster für die Niederlage bei den Unterhauswahlen im Juni. Mehrere Parteien beanspruchen zwar ein "erfolgreiches Ergebnis" für sich, allerdings gilt nur die ODS als wirklicher Sieger.
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Nach den Teil-Senatswahlen wird nun die ODS in der zweiten, 81 Sitze zählenden, Parlamentskammer 26 Senatoren haben - um vier mehr als bisher. In den parallel durchgeführten Kommunalwahlen setzte die ODS ihren Siegeszug fort. Sie gewann nicht nur in den größten Städten wie Prag, Brünn, Ostrava (Mährisch Ostrau) und Pilsen, sondern auch in allen übrigen Bezirksstädten. Die ODS wird dort auch höchstwahrscheinlich die Oberbürgermeister stellen.
In Großstädten stärker
Zwar ist das keine große Überraschung, da die Klaus-Partei in den Großstädten und besonders in Prag traditionell stärker als auf dem Lande abschneidet, allerdings ist das Wahlergebnis für sie ein wichtiges psychologisches Moment. Klaus will nämlich Anfang nächsten Jahres zum Staatspräsidenten gewählt zu werden. Die ODS kann sich auch darüber freuen, dass die sozialistisch-christlich-liberale Regierungskoalition des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Vladimir Spidla die Mehrheit im Senat verloren hat. Die Sozialdemokraten (CSSD) selbst werden nun im Senat um vier Mandate weniger und die christdemokratische Volkspartei (KDU-CSL) von Außenminister Cyril Svoboda um fünf Sitze weniger haben.
Um Gesetze in der zweiten Parlamentskammer durchsetzen zu können, wird sich die Regierungskoalition auf die unabhängigen Senatoren stützen müssen, die mit neun Senatoren eine relativ starke Gruppe bilden.
Nachdem im Senat die Karten neu verteilt sind, können die Parteien auch besser kalkulieren, wer zum nächsten Staatspräsident gewählt wird. Der Nachfolger von Vaclav Havel, dessen zweite Amtszeit zu Ende geht, wird voraussichtlich Mitte Jänner auf einer gemeinsamen Sitzung des Abgeordnetenhauses und des Senats gewählt. Es gibt dabei keinen eindeutigen Favoriten. Im Spiel sind mehrere Namen, allerdings werden derzeit nur vier Personen Chancen eingeräumt: Es sind Vaclav Klaus, der christdemokratische Senatschef Petr Pithart, der parteilose Ombudsmann und mögliche CSSD-Kandidat Otakar Motejl und der ehemalige Regierungschef Milos Zeman. Letzterer will jedoch in den Kampf um die Prager Burg erst dann einsteigen, wenn aus der ersten Wahlrunde mit bis zu drei Abstimmungen kein Sieger hervorgeht.
Nach der ersten Abstimmung, in die die Parteien mit ihren eigenen Kandidaten gehen wollen, wird wohl noch keine Entscheidung über den neuen Präsidenten fallen, weil dieser eine Mehrheit unter allen 200 Abgeordneten und allen 81 Senatoren bekommen muss. Die Entscheidung könnte in einer zweiten Abstimmung fallen, die ein Duell zwischen den bestplatzierten Kandidaten im Abgeordnetenhaus und im Senat wäre. Der Sieger muss dann die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten und Senatoren gewinnen. Wenn das nicht der Fall ist, findet eine neue Stichwahl zwischen den Kandidaten der zweiten Abstimmung statt, wobei der Sieger die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten und Senatoren gewinnen muss. Und wenn auch hier kein Kandidat gewählt wird, gibt es eine neue Runde mit höchstens drei Abstimmungen.
Klaus gegen Motejl?
Die Kräfteverteilung im Parlament deutet nun darauf hin, dass in einer Stichwahl Klaus gegen Motejl oder Pithart antreten könnte. Die erste Alternative scheint wahrscheinlicher, weil Motejl, ein früherer Dissidenten-Anwalt, im Unterschied zu Pithart die Unterstützung aller drei Regierungsparteien sowie der relativ starken Fraktion von Unabhängigen im Senat finden könnte. Sicher bleibt bis dahin nur eines: Alles ist offen, die Wahl des Staatschefs erfolgt in geheimen Abstimmungen.