2004 ist Chinas Wirtschaft um 9,5% gewachsen. Die Hoffnungen auf eine "weiche Landung" bzw. keine Überhitzung der chinesischen Wirtschaft scheinen damit zunächst enttäuscht worden zu sein. Gleichzeitig strömen Unternehmen aus aller Welt in einer Art Goldgräberstimmung in das Reich der Mitte. Über ihre Erfahrungen, wie man sich in der größten Volkswirtschaft der Erde zurechtfindet und eine Niederlassung aufbaut, berichteten gestern österreichische Unternehmer in Wien.
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"In China geben sich derzeit auch die Politiker aller Länder die Türklinke in die Hand", leitet Wirtschaftsminister Martin Bartenstein die Business Circle-Veranstaltung "Investieren in China" ein. Kanzler Wolfgang Schüssel werde in Begleitung Bartensteins und mit einer hundertköpfigen Wirtschaftsdelegation im April dorthin reisen. "China ist mittlerweile die Wirtschaftsmacht Nummer 4 in der Welt. In 20 bis 30 Jahren wird es wohl die Nummer 1 sein", meint Bartenstein.
Das Reich der Mitte hat in den vergangenen Jahren einen ungeheuren Appetit auf Rohstoffe, Konsumgüter, Energie und Infrastruktur entwickelt. Know-how aus der ganzen Welt ist daher gefragt, ist auch Österreichs Unternehmen bewusst. 1.400 heimische Firmen bearbeiten den chinesischen Markt, weiß Christian Kesberg, stellvertretender Leiter der Außenwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich. "Zum Vergleich: In Russland sind es 600 bis 700 Unternehmen."
Mit 1,2% Anteil an den österreichischen Exporten sei China zwar derzeit für die Alpenrepublik erst ungefähr so wichtig wie Rumänien, es zähle aber die langfristige Perspektive, betont er. 200 Niederlassungen in China, davon 60 Produktionsstätten, seien ein "beachtlicher Vertrauensbeweis der heimischen Unternehmen in die chinesische Wirtschaft. Darunter sei das "Who's who" der österreichischen Firmen, wie auch der Feuerfestkonzern RHI.
"China ist die treibende Kraft für das globale Feuerfestgeschäft. Wir haben uns rechtzeitig dort positioniert, um nachhaltig erfolgreich zu sein", meint Andreas Meier, stellvertretender Vorstandschef von RHI. Er verheimlicht aber nicht, "dass wir auch die eine oder andere bittere Erfahrung gemacht haben".
Bittere Erfahrung: "Niemand hat dort auf uns gewartet."
1995 errichtete RHI mit einem chinesischen Partner seinen ersten Produktionsstandort in China, aber: "Niemand hat dort auf uns und unsere Produkte gewartet. Wir mussten erst den Markt aufbauen." Viele ausländische Firmen würden in China scheitern, weil sie darauf zählen, dass der chinesische Partner "den Markt mitbringt", weiß Meier inzwischen.
Man müsse sich bewusst sein, dass die chinesischen Mitbewerber grundsätzlich immer billiger produzieren. Daher sei es sinnvoll, zunächst zwar in China zu produzieren, aber nicht für den chinesischen Markt, sondern für den Export.
"Klein anfangen, den Markt kennenlernen, Netzwerke aufbauen und dann schrittweise expandieren", empfiehlt auch Rainer Zellner, Generaldirektor der Semperit Holding, heimischen Unternehmen für den Start in China. Kontinuität in den Beziehungen mit chinesischen Handelspartnern und in der Personalstruktur stelle sich erst nach zwei bis drei Jahren ein, weiß er aus Erfahrung. Erst dann könne weiter vergrößert werden. Semperit war in den 1980er Jahren unter den ersten heimischen Firmen, die sich in China niederließen.
Baumax-Vorstand Hansjörg Greimel macht mit seinem Unternehmen seit 1990 Erfahrungen vor Ort. Er hat ein Drei-Punkte-Programm für den Erfolg in China entwickelt: prozessorientierte Abläufe, ständige Qualitätsprüfung und Geschwindigkeit. "Wenn ich nach Österreich zurückkomme, muss ich mich immer entschleunigen", witzelt er. Besonders am Herzen liegt Greimel die Qualitätsprüfung, in die Baumax 30% seiner Investitionen in China steckt: "Das war ein langer Lernprozess, zahlt sich aber letztlich aus."
Inzwischen sei Baumax dabei, sich ein zweites Standbein aufzubauen: Indien. "Als Ausgleich", meint Greimel. "SARS hat uns nachdenklich gemacht. Die Seuche hat Monate lang alles lahmgelegt." "Man legt nicht alle Eier in ein Nest," stimmt ihm hier auch RHI-Vorstand Meier zu.