An jedem Monatsanfang schockieren die Statistiken vom Arbeitsmarkt. Doch an welchen Stellschrauben kann die Regierung drehen?
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Wien. So viele Arbeitslose wie derzeit gab es seit 1945 nicht mehr. Und damals lag das Land nach zwei Weltkriegen in Trümmern. Das Wirtschaftswachstum ist zum Erliegen gekommen und es gibt keine Anzeichen, dass es bald wieder bergauf geht, nur eine wage Hoffnung, dass das vom neuen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker geplante Investitionsprogramm über 300 Milliarden Euro für ganz Europa einen ordentlichen Beschäftigungsimpuls bedeutet- auch für Österreich. Es gibt noch andere Stellschrauben, an denen hierzulande gedreht wird und gedreht werden muss. Ein Überblick.
1. Bonus-Malus-System für Betriebe
Jüngste Statistiken belegen, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen - derzeit 12.000 - und zum Teil auch die Anzahl der älteren Arbeitslosen stark gestiegen sind. Gleichzeitig sollen Menschen später in Pension gehen und länger auf dem Arbeitsmarkt bleiben. Damit ältere Arbeitnehmer vor der Pension nicht in die Arbeitslosigkeit rutschen, plant die Bundesregierung ab 2017 ein Bonus-Malus-System für Betriebe. Unternehmen, die ältere Arbeitnehmer beschäftigen, sollen belohnt werden. Jene, die es nicht tun, werden sanktioniert. Je nach Branche wird eine gesetzliche Mindestquote für ältere Arbeitnehmer in Unternehmen ab mindestens 25 Angestellten festgelegt.
Von der Arbeitgeberseite kommt naturgemäß Widerstand. "Warum soll ich ein Geld dafür bekommen, dass ich gute Leute beschäftige, und dafür bestraft werden, wenn ich schlechte gehen lasse?", fragt Georg Kapsch, Chef der Industriellenvereinigung. Finanzielle Anreizsysteme würden bei Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber sehr stark wirken, erklärt Helmut Mahringer vom Wifo. "Wenn ältere Arbeitnehmer billiger werden (durch Bonus-Zahlungen, Anm.), führt das zu mehr Beschäftigung", so Mahringer. Das wirkt sich natürlich auch auf die Beschäftigungsquote aus. Wenn aber ältere Arbeitgeber billiger werden, könnte das dazu führen, dass jüngere im Verhältnis nicht mehr so billig sind und die wiederum, vor allem bei unqualifizierten Jobs, schwieriger eine Stelle finden.
2. Steuerreform soll Konsum ankurbeln
Weniger Steuern bedeuten mehr Geld in der Tasche, bedeutet mehr Geld zum Ausgeben und das wiederum kurbelt das Wachstum an und schafft Beschäftigung. So lautet die simple (Wunsch-)Formel im Kampf gegen die laue Konjunktur. Einer der Gründe für die steigenden Arbeitslosenzahlen ist das quasi nicht mehr vorhandene Wirtschaftswachstum. Im Zuge einer Entlastung des Einkommens bliebe den Arbeitnehmern auch mehr Geld zum Ausgeben übrig. Und mehr Konsum könnte, wenn auch nicht eins zu eins, durch mehr Nachfrage auch mehr Arbeitsplätze schaffen. Damit der Effekt auf den Arbeitsmarkt stärker wird, muss aber auch der Faktor Arbeit billiger werden - also die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Wenn die Arbeitskosten im Vergleich zu anderen Produktionskosten sinken, könnte dies laut Mahringer in manchen Betrieben zu mehr Beschäftigung führen: "Wenn man ein Produktionsklima schaffen will, ist es nicht optimal, Arbeit am höchsten zu besteuern."
Das Problem bei der Steuerreform ist allerdings, dass diese mittelfristig fruchtet und dass mehr Konsum nicht eins zu eins in Beschäftigung umgerechnet werden kann. Außerdem ist derzeit die Frage nach der Finanzierung der fünf Milliarden schweren Reform offen. Derzeit gibt es von der Regierung dafür weder Einigung noch konkrete Pläne.
3. Mit Enbürokratisierung Unternehmen entlasten
Eine weitere Möglichkeit gegen die große Arbeitslosigkeit wäre der Bürokratieabbau zur Entlastung der Unternehmen, wie es auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl dezediert fordert. Ihm sind die Regulierungen und die Überprüfungen ein Dorn im Auge, die mit hohen Strafen geahndet werden. Bei der Anzahl an verschiedenen Vorschriften wisse der Unternehmer gar nicht mehr, was zu beachten sei. Allein das Arbeitnehmergesetz hat 1200 Bestimmungen. "Wer soll die alle noch kennen?", sagte Leitl beim Treffen der Wirtschaftsreferenten in Salzburg Ende Oktober. Deshalb lautet sein Rezept: beraten, statt bestrafen. Aber: "Dort, wo systematisch und vorsätzlich Missbrauch betrieben wird, braucht es Strafen." Ebenso ist er für eine Toleranzgrenze bei geringen Verstößen und für eine Verhältnismäßigkeit bei Strafen. Für Rolf Gleißner, Arbeitsrechtsexperte in der Wirtschaftskammer, erklärt den Bürokratieabbau für notwendig und als ein richtiges Mittel zur Bekämpfung der hohen Arbeitslosenquote in Österreich: "Bürokratie kostet die Unternehmen Zeit und Geld. Wird das Wirtschaften einfacher, kann das Unternehmen mehr Leute einstellen. Eine logische Konsequenz."
4. Zumutbarkeit ausweiten
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zweifelte beim Ministerrat am Dienstag die Wirkung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen an. Sozial- und Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer solle die Zumutbarkeitsbestimmungen, mit denen die Auflagen für Arbeitslose bei Annahme oder Verweigerung von Arbeitsstellen berechnet werden, prüfen. Konkret geht es dabei um die 400.000 Menschen inklusive Schulungsteilnehmern, die im Oktober offiziell als arbeitslos gemeldet waren.
Die Zumutbarkeit von Jobs ist in Österreich so geregelt, dass für die Annahme der neuen Arbeitsstelle bestimmte Voraussetzungen gelten. Der Job darf nicht die Gesundheit gefährden, muss nach Kollektivvertrag oder dem ortsüblichen Gehalt entlohnt werden und er darf nicht gegen die menschliche Ethik verstoßen. Eine Frage ist, ob Arbeitslose Jobs ab einer bestimmten Distanz vom Wohnort zur neuen Arbeitsstelle ablehnen können, ohne dabei gegen ein Gesetz zu verstoßen. Um der hohen Arbeitslosenquote entgegenzuwirken, wäre für Mitterlehner eine strengere Auslegung der Zumutungsbestimmungen eine Möglichkeit.
Dieser Meinung ist auch Rolf Gleißner: "Im internationalen Vergleich ist hier Österreich weniger konsequent als andere Länder. Es wäre der richtige Weg, wenn man hier den Druck erhöht." Bundeskanzler Werner Faymann hingegen ist klar gegen diese Forderung. Der Anstieg der Arbeitslosen sei nicht damit zu erklären, dass die Leute "faul geworden sind".
5. Mehr Arbeitsplätze durch öffentliche Bauten
Vor eineinhalb Jahren, in günstiger Nähe zur Nationalratswahl, hat die Regierung ein Konjunkturprogramm präsentiert, das insgesamt 1,6 Milliarden Euro schwer war. Nach der Wahl wurde es allerdings ein wenig leichter. So wurde die zweckgewidmete Zusatzförderung für den Wohnbau von 276 auf 180 Millionen Euro (für die Jahre 2015 bis 2018) zurückgeschraubt.
Im öffentlichen Schulbau, bei der Ganztagsbetreuung, mussten Ausbaupläne verschoben werden, dafür wurde nun bei der Regierungsklausur im September ein Teil der Breitbandoffensive vorgezogen. Es kann nun schon 2015 gebaut werden, was neue Arbeitsplätze schafft. Doch generell hat der Evergreen "Bauoffensive gegen Arbeitslosigkeit" aufgrund des hohen Defizits und den EU-Vorgaben an Wirkung verloren. Wirklich investieren kann die öffentliche Hand nicht. Es sei denn, die EU ändert ihre Vorgaben.