Gewerbeordnung Neu: Teilreglementierung wird abgeschafft, reglementierte Gewerbe bleiben unangetastet.
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Wien. Der im Sommer noch angekündigte große Wurf ist es nicht. In puncto Gewerbeordnung tut sich dennoch was. Am Mittwoch hat sich die Bundesregierung auf eine entsprechende Gesetzesnovelle geeinigt. Der Entwurf soll bis Freitag in Begutachtung geschickt werden. In Zukunft soll etwa die Gewerbeanmeldung günstiger und einfacher werden. Während es bei den freien und teilreglementierten Berufen Reformen gibt, ändert sich bei den reglementierten Gewerben nichts.
So wird die Teilgewerbeordnung laut Entwurf komplett abgeschafft. Von den derzeit 21 teilreglementierten Gewerben sollen 19 frei sein. Das betrifft zum Beispiel die Änderungsschneiderei. Zwei Berufe, nämlich Erdbau und Huf- und Klauenbeschlag, wandern zu den reglementierten Berufen. Die Gewerbeanmeldungen werden künftig kostenlos und sollen online relativ rasch und unbürokratisch möglich sein. Künftig fallen gegenüber dem Staat keine Gebühren mehr an. Laut Regierung bringt das, gemessen an den rund 80.000 Gewerbeanmeldungen jährlich, für die Wirtschaft eine Ersparnis von 10 Millionen Euro. Die Wirtschaftskammer (WKO) verdient weiterhin an jedem Gewerbeschein mit.
Erweitert werden künftig auch die Nebenrechte. Künftig dürfen Unternehmer bei den reglementierten Gewerben 15 Prozent und bei den freien 30 Prozent ihres Umsatzes aus einem Nebengewerbe beziehen, ohne einen zweiten Gewerbeschein dafür zu benötigen. Ein Tischler darf zum Beispiel künftig auch ein bisschen Fliesen legen.
Die Änderungen verteidigten Kanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner als "guten Kompromiss". "Wir wollten jetzt keine Diskussion über die Abwertung der Meisterprüfung", begründete Mitterlehner die Entscheidung, bei den reglementierten Berufen alles beim alten zu belassen. Gegen Reformen wehrte sich hier die WKO. Für Kern ist die Debatte um die Reglementierung noch nicht zu Ende. Er wünsche sich eine weiterführende Diskussion, sagte er nach dem Ministerrat. Geht es nach der SPÖ, sollen 16 der derzeit 81 reglementierten Gewerbe frei sein. Bei zwölf weiteren soll es einen erleichterten Zugang geben.
Minenfeld Gewerbeordnung
"Die Gewerbeordnung ist ein Minenfeld, in dem ganz viele verschiedene Interessen stecken", sagt Michael Böheim vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) zur "Wiener Zeitung". Er bezeichnete die beschlossenen Änderungen als "einen Schritt in die richtige Richtung, wenn auch ein kleiner". Er plädiert dafür, auch darüber zu diskutieren, ob das mittlerweile 157 Jahre alte und unzählige Male ergänzte Regelwerk Gewerbeordnung überhaupt noch zeitgemäß sei.
In der Wirtschaftskammer ist man jedenfalls froh, dass der angekündigte große Wurf ausgeblieben ist. "Ich freue mich, dass diese Reform mit Augenmaß gelungen ist", sagt die Obfrau der Sparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer (WKO), Renate Scheichelbauer-Schuster. "Hier geht es um das Herzstück der Gewerbe und der Qualitätssicherung." Eine zu großzügige Liberalisierung würde die Meisterprüfung und damit die Lehre entwerten, wenn etwa künftig kein Meisterabschluss notwendig sei, um ein bestimmtes Gewerbe anzumelden.
Und auch bei vielen Unternehmern kommen Liberalisierungspläne nicht so gut an. Denn sie wollen ihren Bereich durch entsprechend hohe Zugangshürden weiterhin von Konkurrenz geschützt wissen.
Für die WKO ist die Gewerbeordnung eine Existenzfrage. Je nach Sparte und Bundesland kostet ein Gewerbeschein zwischen 80 und 800 Euro. Wenn die Nebenrechte nun auf bis zu 15 beziehungsweise 30 Prozent erweitert werden, entgehen der Kammer hier Gebühren. Entsprechend groß war auch der Druck auf Mitterlehner. Dieser hatte sich noch im Sommer für einen einzigen Gewerbeschein für alle 440 freien Berufe ausgesprochen. Diese Gruppe macht übrigens 70 Prozent der Kammermitglieder aus.
Den einen Gewerbeschein gibt es jetzt nicht. Argumentiert wird hier damit, dass das wichtig für die Lehrlingsausbildung und die Zuordnung bei den Kollektivverträgen sei. "Wir stellen damit das System nicht komplett auf den Kopf", sagte Mitterlehner. Nicht angetastet wird die verpflichtende Grundumlage der Wirtschaftskammer. Laut einer parlamentarischen Anfrage aus dem Jahr 2013 nehmen WKO und die Landeskammern jährlich eine halbe Milliarde an Pflichtbeiträgen ein.
Kammer plant Reform
"Es ist weniger eine Liberalisierung als eine Entbürokratisierung", urteilt Wifo-Forscher Böheim. Künftig sollen Betriebsanlagen "mit geringem Gefährdungspotenzial" - also Imbissbuden, Eissalons - schneller und mit deutlich weniger Behördengängen genehmigt werden. Es werden also 50 statt bisher 20 Prozent der Anlageverfahren als vereinfachtes Verfahren geführt werden.
Behördliche Bescheide sollen spätestens nach vier statt bisher sechs Monaten vorliegen. Bei einfachen Verfahren soll es schon nach zwei Monaten eine Entscheidung geben. Und: Beim Betriebsanlagenrecht wird eine Art One-Stop-Shop eingerichtet; also nur noch ein Verfahren mit einem einzigen Bescheid für die gesamte Anlage. Auch wenn aus Sicht der WKO das Schlimmste abgewendet werden konnte, soll noch heuer eine umfassende Kammerreform vorgelegt werden, heißt es auf Anfrage. Die vorliegende Gesetzesänderung erhöht den Reformdruck auf die WKO. Obwohl nun Einkünfte wegbrechen, sei man bemüht, den Service beizubehalten. Wie hoch die finanziellen Einbußen tatsächlich ausfallen, werde jetzt berechnet.
Von der Opposition hagelte es heftige Kritik. Neos-Abgeordneter Sepp Schellhorn und der Bundessprecher der Grünen Wirtschaft, Volker Plass, bezeichnen die Reform in einem offenen Brief als "Lachnummer". "Wieder einmal ist eindrucksvoll der Beweis erbracht, dass die Sozialpartner hierzulande nicht nur Gesetzesvorlagen der Regierung diktieren, sondern nach Belieben sogar die selbstverständlichsten Reformen verhindern können." Laut RfW-Chefs Matthias Krenn hat die Regierung die angekündigte Reform "gleich zu Grabe getragen".
Die Geschichte der Gewerbeordnung reicht bis ins Jahr 1859 zurück. Im damaligen Habsburgerreich löste sie die bis dahin geltenden Zünfte ab und erleichterte den Zugang zu Gewerben für jedermann. Dieser Zugang wurde aber an gewisse Bedingungen geknüft, vor allem bei Berufen, die die Gesundheit und Sicherheit gefährden konnten.
Seitdem wurde das Regelwerk unzählige Male reformiert, umgeschrieben und erweitert. Die letzte größere Reform der Gewerbeordnung war 2002. Damals wurde die Unterteilung in reglementierte, teilreglementierte und freie Berufe beschlossen. Die Teilberechtigung wird nun, 14 Jahre später, mit der aktuellen Reform wieder abgeschafft.