ÖVP will sich neu aufstellen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Die Achse Wirtschaftsbund-SPÖ verschaffte der ÖVP jahrzehntelang ein Gefühl von Sicherheit. Durch die Zusammenarbeit der mächtigen ÖVP-Organisation mit den Genossen hatten die Schwarzen im Rathaus Einfluss und bestimmten bei vielen Entscheidungen mit. Noch heute ist der Wirtschaftsbund in knapp 90 Körperschaften involviert. Darunter etwa AMS, Fachbeirat für Stadtplanung, Wiener Stadtwerke und Wohnfonds.
Doch es war ein trügerisches Gefühl der Sicherheit, in dem sich die Partei wähnte. Man konnte zwar mitbestimmen, verlor aber bei jeder Wahl an Stimmen. Bis es zuletzt im vergangenen Oktober nur noch 9,2 Prozent waren. Das Resultat einer Partei, die zwar in Opposition saß und vom Wähler auch so wahrgenommen wurde, aber gleichzeitig mit einem Bein in der Stadtregierung stand. Eine richtige Oppositionsarbeit war damit nur beschränkt möglich. Schließlich konnte man nicht gegen die eigenen Entscheidungen rebellieren.
Wird sich die ÖVP nun von der Achse Wirtschaftsbund-SPÖ verabschieden?
Der neue Landesparteiobmann Gernot Blümel lässt zumindest keinen Zweifel daran, dass es in der Partei anders werden soll. Die ÖVP müsse sich neu aufstellen, einen Neustart wagen, wiederholt er mantraartig, sobald ihm jemand ein Mikrofon entgegenstreckt.
Fester Händedruckund Feuer auf die Regierung
"Wegen Umbau geöffnet", lautet das Motto des Reformprozesses, der am Mittwoch präsentiert wurde. Mit einem festen Händedruck bekräftigt Blümel gleich bei der Begrüßung, dass hier jemand steht, der zeigen möchte, wo es langgeht. Mit konzentriertem Blick sieht er in den Raum und schießt sich in seiner Rede auch gleich auf die Regierungspartei SPÖ und Bürgermeister Michael Häupl ein. "Höchstverschuldung", "Rekordarbeitslosigkeit", "Die SPÖ zerstört den Pioniergeist von Unternehmen", wirft er den Genossen in bester Oppositionsmanier vor.
Doch was soll bei der ÖVP neu werden? Was hat Blümel mit der Partei vor?
Erst im zweiten Punkt seines Vortrags geht es um die ÖVP. Anfang April soll es einen zweitägigen Parteitag geben, bei dem ein neues Leitbild erstellt werde, erklärt Blümel. Die ÖVP-Mitglieder sollen sich dabei unter dem Arbeitsmotto "Action Collection" einbringen. Im Mittelpunkt des neuen Leitbilds steht der intensivere Kontakt zu den Bürgern. "Raus aus den Parteilokalen, zurück ins Leben." Eine Parole, die SPÖ-Chef Häupl bereits einen Tag zuvor ebenfalls seinen Parteikollegen verklickerte. Auf die Parallele angesprochen, versichert Blümel, dass dies in der ÖVP, im Gegensatz zur SPÖ, auch umgesetzt werde.
Einmal mehr erinnert Blümel an das Wahlergebnis seiner Partei im Oktober. Es sei das Wahlergebnis einer Kleinpartei, sagt er. Dabei habe die ÖVP Strukturen wie eine Großpartei. Um dies zu ändern, wurde seit der Wahl einem Drittel der Mitarbeiter gekündigt. Darüber hinaus gebe es viele "Selbstbeschäftigungsgremien", die abgeschafft werden sollen. Auch das derzeitige Parteibüro neben dem Rathaus sei zu teuer.
Sobald es um die konkrete, inhaltliche Neuausrichtung der ÖVP geht, bleibt Blümel jedoch unklar. "Wir wollen eine moderne bürgerliche Stadtpartei werden, wo zentralen Punkte des bürgerlichen Lebensgefühls im Mittelpunkt stehen, aber eingebettet in einem sicheren und geordneten Rahmen", sagt er. Auf die Nachfrage, was für ihn bürgerlich sei, antwortet der Parteiobmann kryptisch: "So viel Freiheit wie möglich, so viel Ordnung wie nötig."
Die Chance für die ÖVP sieht er im steigenden Wechselwählerpotenzial. Immer mehr Wiener würden sich von Wahl zu Wahl für eine andere Partei entscheiden. "Das ist für eine Kleinpartei, wie uns, eine Chance", erklärt Blümel.
"Es kann nicht mehrnur nach Bünden gehen"
"Einen starken Perspektivenwechsel von innen nach außen", fordert auch Landesgeschäftsführer Markus Wölbitsch. Aufhorchen lässt er damit, dass es in der ÖVP "nicht mehr nur nach bündnischen Kriterien gehen kann". Schwer vorstellbar, dass Wölbitsch damit alle Bünde gemeint hat. Er selber kommt vom Wirtschaftsbund. "Man kann sicher alles neu denken, man soll aber nicht die Stärken dieses Systems umwerfen, sondern an den Schwächen arbeiten", heißt es dazu aus dem Wirtschaftsbund.
Mit der angriffigeren Oppositionsarbeit von Blümel sei man zudem zufrieden. Ob Blümel nicht dem Verhältnis des Wirtschaftsbunds zur SPÖ schade?
"Wirtschaftsbundpräsident Walter Ruck hat ein Programm für Wien mit 60 konkreten Punkten präsentiert. Kein einziger dieser Punkte findet sich im Regierungsprogramm", heißt es. Und: "Man hätte sich mehr erwartet."
Eine gute Zusammenarbeit sieht anders aus.