Internetbasierte Wahlen haben durchaus Vorteile, sind aber auch nicht ohne Risiko.
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Wien. Es klingt praktisch: Online wählen gehen, unabhängig von Ort und Zeit. Schließlich leben wir im digitalen Zeitalter. Weder schlechtes Wetter oder Verkühlung noch Auslandsaufenthalte könnten den Wähler an der Abgabe seiner Stimme im Internet hindern. Sehbehinderte Menschen und andere Menschen mit Beeinträchtigungen müssten kein barrierefreies Wahllokal aufsuchen. Im Unterschied zu Wahlzetteln würde es auch keine missverständlichen oder ungültigen Stimmabgaben geben. Auf der politischen Agenda ist E-Voting in Österreich derzeit jedoch nicht, obwohl sich die Parteien diesbezüglich schon länger Gedanken darüber machen. Es herrscht aber keineswegs Einigkeit.
Technisch wäre E-Voting zusätzlich zur traditionellen Papierwahl bereits möglich. Mit Handy-Signatur beziehungsweise Bürgerkarte haben Bürgerinnen und Bürger schon jetzt Zugang zu mehr als 200 digitalen Services aus der öffentlichen Verwaltung, darunter auch die Unterzeichnung von Volksbegehren oder die Anforderung einer Wahlkarte. Dazu kommen noch rund 4000 Anwendungsmöglichkeiten aus der Wirtschaft - Tendenz steigend. Die Handy-Signatur könnte auch für die elektronische Stimmabgabe bei Wahlen und Abstimmungen eingesetzt werden.
"Watscheneinfach und massentauglich"
Die Funktion sei "watscheneinfach und massentauglich", sagt Michael Butz, Geschäftsführer des IT-Unternehmens A-Trust, das für die Entwicklung und technische Infrastruktur der Handy-Signatur, die der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt ist,verantwortlich zeichnet. Mehr als eine Million Bürger sind derzeit als User registriert.
E-Voting klingt tatsächlich wie ein Kinderspiel: Über PC, Smartphone oder Tablet einloggen, Stimme abgeben, fertig. Zu jeder Tageszeit und von überall, wo es Internet gibt. Zu früh geöffnete Wahlkarten und Kuverts, die sich nicht ordentlich zukleben lassen, würden damit der Vergangenheit angehören.
Doch hinter E-Voting-Systemen stecken komplexe Vorgänge, die für den Laien nur schwer nachvollziehbar sind. Bedenken in puncto Datenschutz sind durchaus berechtigt. Kann etwa sichergestellt werden, dass von der abgegebenen Stimme kein Rückschluss auf die Person des Wählers gezogen werden kann? Butz erklärt, dass die Kryptografie garantieren würde, dass die Stimmen bei der Auszählung von den Personendaten getrennt werden.
Natürlich bestehe die theoretische Gefahr, dass elektronische Wahlen durch Hacker, Viren oder Trojaner manipuliert werden, sagt der IT-Experte. Er warnt aber vor übertriebener Panikmache: "Ich kann aus allem eine Verschwörungstheorie basteln." Butz ist überzeugt, dass sich - sollte E-Voting in Österreich eingeführt werden - spätestens nach drei Wahlen die Aufregung wieder legen würde. "Wir können die Digitalisierung nicht mehr stoppen. Zu einem modernen Staat gehört dazu, dass die Wähler auch die Möglichkeit zur elektronischen Stimmabgabe haben", betont er.
Über die Risiken von elektronischen Wahlen informieren unter anderem die Initiatoren von papierwahl.at.
Digitales Wunderland Estland zeigt es vor
Österreich wäre auch nicht das erste Land der Welt, das internetbasierte Wahlen einführt. Als Vorreiter gilt das "digitale Wunderland" Estland, wo bereits im Jahr 2005 bei Lokalwahlen mittels ID-Karte - ein elektronischer Personalausweis - online abgestimmt werden konnte.
Fast alle 1,3 Millionen Esten besitzen die computerlesbare ID-Karte, mit der sie im Internet Geschäfte abwickeln, digitale Unterschriften leisten und auch elektronisch wählen können. Allerdings musste die estnische Wahlkommission im September 2017 ein mögliches Sicherheitsrisiko bei allen seit Oktober 2014 ausgestellten ID-Karten einräumen. Betroffen davon waren nach offiziellen Angaben rund 760.000 Karten. Die Kommission schätzte das Risiko jedoch nicht so gravierend ein, um den Bürger die Möglichkeit des E-Voting vorzuenthalten.
Bei den kommenden Europawahlen im Mai 2019 können die Esten auch wieder elektronisch abstimmen Bei den Wahlen im Jahr 2015 wurden bereits rund 30 Prozent der Stimmen per E-Voting abgegeben.
Auch Belgien, Frankreich und die Schweiz haben bereits Erfahrungen mit E-Voting gemacht. Von einer flächendeckenden Verbreitung ist man aber noch weit entfernt, und nicht alle Erfahrungen sind positiv.
In Österreich wird es vermutlich noch einige Zeit dauern, bis der Wähler zur digitalen Urne schreiten kann. Zur Verankerung der Zulässigkeit von elektronischen Wahlen müsste jedenfalls das Bundesverfassungsgesetz novelliert werden. Somit wäre eine parlamentarische Zwei-Drittel-Mehrheit für die Umsetzung unabdingbar, sagt Robert Stein, Leiter der Bundeswahlbehörde im Innenministerium, dem zur Zeit keine dahingehenden Bestrebungen der Regierungsparteien bekannt sind.
Aus der ÖVP hieß es auf Anfrage der "Wiener Zeitung", dass das Thema E-Voting nicht Teil des Regierungsprogramms sei. Die Schwerpunkte im Bereich der Digitalisierung würden derzeit vor allem auf der Digitalisierung von Behördenwegen und dem Schaffen neuer Jobmöglichkeiten liegen. Der freiheitliche Justizsprecher Harald Stefan sagt auf Anfrage der "Wiener Zeitung": "Wie auch bisher immer von uns betont wurde, ist das Thema E-Voting in Hinblick auf die Gefahren von Datenmissbrauch und Wahlmanipulation kritisch zu betrachten. Das allgemeine, persönliche, gleiche und geheime Wahlrecht für jeden Staatsbürger muss stets im Vordergrund stehen und sichergestellt sein."
Auch die Opposition ist skeptisch. Seitens der SPÖ heißt es, man sehe keine Notwendigkeit zur elektronischen Stimmabgabe. "Wir sprechen uns dementsprechend dagegen aus und verweisen diesbezüglich vor allem auf ein entsprechendes Erkenntnis des VfGH zum E-Voting. Der VfGH hat darin festgestellt, dass bei E-Voting sowohl das geheime Wahlrecht als auch die Nachvollziehbarkeit der Stimmabgabe nicht gegeben ist - zumindest nach dem heutigen technischen Stand", heißt es aus der Parteizentrale der SPÖ.
Ergänzung zur traditionellen Papierwahl
Das Erkenntnis des VfGH bezieht sich auf die Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) 2009, die wegen des erstmaligen Einsatzes von E-Voting unter großem Getöse vonstattenging. Rund 2200 Personen - also nicht einmal ein Prozent der 230.000 wahlberechtigten Studenten - gaben damals ihre Stimme elektronisch mittels Bürgerkarte ab. An sieben Universitäten nutzte kein einziger Student E-Voting. Der damalige Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) betonte, er sehe die Möglichkeit zur digitalen Stimmabgabe nur als "Ergänzung und Erweiterung" zur herkömmlichen Papierwahl.
Nach einer Wahlanfechtung hob der VfGH 2011 die Verordnung zum E-Voting bei der ÖH-Wahl als gesetzeswidrig auf. Es sei nicht präzise genug geregelt gewesen, wie und mit welchen Mitteln sowie unter welchen Kriterien die Wahlkommission überprüfen könne, ob das System fehlerlos funktioniert habe, so die Begründung. Bei jeder Wahl könnten Fehler passieren, beim E-Voting könnten Fehler und Manipulationen allerdings schwerer zu erkennen sein als bei einer Papierwahl.
Das führt uns zu den Pannen bei der Bundespräsidentenwahl 2016. Zuerst wurde bei der Auszählung der Briefwahlstimmen Formfehler in 14 Bezirken festgestellt. Wahlhelfer öffneten bei der Stimmenauszählung Wahlbriefe vorzeitig, Wahlkarten wurden vorschriftswidrig gelagert. Der VfGH ordnete eine Wiederholung der Stichwahl an. Diese wurde wegen mangelhafter Wahlkarten verschoben, deren Außenkuverts sich nicht ordnungsgemäß zukleben ließen. Mit Klicks statt Kreuzerln wäre das alles nicht passiert.
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"Das digitale Ich": www.wienerzeitung.at/das_digitale_ich/