Eine CO2-Steuer wird vor allem für Verkehr und Industrie diskutiert. Dabei ist auch der Gebäudebereich ein Klimasünder.
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Im vergangenen Nationalratswahlkampf war die Klimakrise zweifellos ein wichtiges Thema, was nicht zuletzt am Erfolg der Grünen festzumachen ist. In der politischen Konfrontation verschwand die globale Erderwärmung damals stellenweise aber noch hinter den Auswüchsen von Ibiza-Affäre und freiheitlichen Spesenkonten. In den Sondierungsgesprächen zwischen ÖVP und Grünen wird das nicht mehr möglich sein. Für die Grünen ist der heimische Anteil an der Bewältigung der Klimakrise Koalitionsbedingung. Der Erfolg der Verhandlungen wird wohl davon abhängen, wie weit die ÖVP in dieser Frage zu gehen bereit ist.
Die Grünen haben jedenfalls die Ökonomen auf ihrer Seite. Inzwischen scheint man sich dort auch darüber einig zu sein: Wer Kohlendioxid-Emissionen verursacht, der muss dafür brennen. Besonders populär ist hier gegenwärtig die Forderung nach einer CO2-Steuer.
Diskutiert wird diese vor allem für die besonders großen Klimasünder Verkehr und Industrie. Bei Ersterem stellt sich die Frage, welche Alternative der Staat schafft, wenn er etwa das Autofahren teurer gestaltet. Die öffentliche Anbindung ist speziell in entlegenen Gegenden mangelhaft.
Für die Industrie wiederum gibt es bereits eine Art CO2-Steuer. Über den EU-Emissionshandel müssen sich Großunternehmen Rechte kaufen, um Treibhausgase ausstoßen zu dürfen. Die Papiere sind derzeit allerdings so billig, dass Unternehmen wenig Anreize dafür haben, stattdessen in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren.
Während die Grünen bei einer CO2-Steuer naturgemäß weit gehen und mit den eingenommenen Geldern ökonomisch schwächere Haushalte steuerlich entlasten wollen, lagert die ÖVP das Thema auf die internationale und europäische Ebene aus. Aus türkiser Sicht könne Österreich alleine nur wenig bewegen. Der Eigenantrieb könne auch ein Nachteil für den Wirtschaftsstandort sein. Die ÖVP möchte eher CO2-Zölle für Importe aus Drittstaaten nach Europa. Wenig Spielraum dürfte die ÖVP in den Verhandlungen bei der Landwirtschaft haben. Dort vertritt sie die Interessen des Bauernbunds. Mit Elisabeth Köstinger wurde unter Türkis-Blau immerhin die Vizepräsidentin des Bauernbunds Umweltministerin.
Worüber derzeit praktisch nicht gesprochen wird, sind die Emissionswerte der mehr als zweieinhalb Millionen Gebäude in Österreich. Dabei ist deren Anteil an der heimischen Luftverschmutzung alles andere als klein. Obwohl der Wert in den vergangenen Jahrzehnten abnahm, werden laut Umweltbundesamt noch immer 16,1 Prozent der heimischen Emissionen (ohne Emissionshandel) durch Heizungs- und Warmwasseranlagen in Gebäuden verursacht. 8,3 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr entfallen auf Wohngebäude und öffentliche und private Dienstleistungsgebäude. Zu wenig, meint Stefan Schleicher, Volkswirt am Wegener Zentrum für Klima und Globalen Wandel der Karl-Franzens-Universität in Graz. Er kommt auf ungefähr 13 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Schleicher rechnet die per Klimagesetz unter Energie verbuchte Fernwärme dazu. Wo auch immer diese Posten verbucht werden: Unterm Strich gibt es noch reichlich zu tun.
Bei Einfamilienhäusernbraucht es "Kostenwahrheit"
"Der Bereich Wohnen wird extrem unterschätzt", sagt Schleicher. "Alles, was jetzt gebaut wird, hat Folgewirkungen über 50 Jahre hinaus". Bei Neubauten könne nicht genug auf die Gebäudequalität und den Standort geschaut werden. Mit emissionsfreien Neubauten, entsprechenden Sanierungen und Systemumstellungen von Öl etwa auf mit Photovoltaik betriebenen Wärmepumpen samt Umgebungswärme aus dem Boden könnten die Emissionen im Gebäudebereich bis 2030 "auf ein Drittel runterkommen", glaubt Schleicher.
Neue Wohngebäude aus dem Boden zu stampfen ist das eine. Das andere sind bestehende Bauten, typischerweise jene aus der Zwischen- und Nachkriegszeit, die bei der Wohnqualität und im Energiebereich vielfach Nachholbedarf haben. "Hier stellt sie die Frage, ob diese Gebäude noch sanierungsfähig sind oder durch Neubauten ersetzt werden sollen", sagt Schleicher.
Eine eindeutige Antwort gibt es auf diese Frage nicht, auch weil Daten über den Gebäudezustand fehlen. Oft wäre der Abriss und ein Neubau die bessere, aber wohl eine kostenaufwendige Variante, die allerdings generell die Nutzungsqualität eines Gebäudes verbessert. "Nur feuchtigkeitsblockierende Isoliermaterialien raufzubringen, ohne die Gebäudehülle wirklich zu verbessern, ist wirklich keine gute Strategie", sagt Schleicher. Schlechte Dämmungen könnten auch zu Problemen mit Feuchtigkeit und Schimmel führen.
Bei der Sanierungsrate gibt es aber noch Potenzial nach oben. In Österreich liegt diese bei unter einem Prozent pro Jahr, der Zielwert von zwei Prozent wird regelmäßig unterschritten. Das hat Gründe. Unter anderem gebe es kaum Handhabe bei der Wohnbauförderung, sagt Schleicher. Über die Gelder, die nicht zweckgewidmet sind, verfügen die Bundesländer - "und die sind nicht einmal dazu verpflichtet, über ihre Verwendung zu berichten". Über die Wohnbauförderung könnten innovative Projekte gefördert werden. Schleicher schlägt vor, sich dabei nicht mehr auf einzelne Gebäude zu konzentrieren, sondern größere Areale von Gebäuden gemeinsam zu denken. "Gebäude können sich untereinander gut ergänzen", sagt Schleicher. Die Energie von Photovoltaikanlagen könnte auf mehrere Gebäude aufgeteilt und ein Areal mit innovativen Wärmenetzen, die Wärme rezyklieren, verbunden werden.
Zurückhaltender sollten dagegen Einfamilienhäusern gefördert werden. Der Flächenaufwand ist groß, ebenso der Infrastrukturbedarf für Straßen, Elektrizität und Abwasser. "Wenn jemand das unbedingt haben will, dann braucht es hier eine Kostenwahrheit", sagt Schleicher. Wer ein Einfamilienhaus baut, soll also stärker zur Kasse gebeten werden.
Schwieriger sei eine Sanierung, wenn Gebäude in Gemeinschafseigentum sind. Wenn die Miteigentümer nicht mitspielen würden, bewege sich nichts, sagt Schleicher. Ähnlich verhält es sich bei Mietwohnungen. Nur aus energetischen Gründen werde der Vermieter nicht sanieren. "Die Eigentümer haben in der Regel wenig Interesse daran, die Betriebskosten runterzubringen", sagt Schleicher.
Aber selbst wenn man etwa als Hausbesitzer freie Hand hat, gebe es eine Hürde. "Hier wird sich die Frage stellen, ob das finanziell verkraftbar ist. Nur mit den Energieeinsparungen wird man nicht in der Lage sein, die Verbesserungskosten abzudecken", so Schleicher.
Eine CO2-Bepreisung im Wohnbereich macht für Schleicher Sinn. Durch Sanierungen und Systemwechsel könnten aber auch Kosten und Mieterhöhungen auf einkommensschwächere Gruppen zukommen. Diese müssten über die Steuermittel entlastet werden, sagt Schleicher.