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Klimakrise: Was im Wahlkampf verschwiegen wird

Von Lukas Stühlinger

Gastkommentare
Lukas Stühlinger ist Vorstand der oekostrom AG.
© www.thomaskirschner.com

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Während im Radio die Parteien einander mit Vorschlägen zum Klimaschutz übertrumpfen, werden am Nachbarhaus aus der Jahrhundertwende gerade fünf neue Luxus-Dachgeschoßwohnungen mit Lift und Tiefgaragenstellplätzen fertiggestellt und wohl zu hohen Preisen auf den Markt kommen. Ein schöner Anblick.

Doch die Fassade wurde nur gestrichen, auf thermische Sanierung komplett verzichtet; die alten Holzfenster aus den 1950ern sind geblieben; die Dachgeschoßwohnungen, in Leichtbauweise mit überdimensionalen Fensterfronten fertiggestellt, werden wohl in heißen Sommernächten eine Klimaanlage brauchen. Kann es wirklich sein, dass die gerade novellierte Wiener Bauordnung keine verpflichtende thermische Vollsanierung bei Dachgeschoßausbauten im Altbau vorsieht?

Die Klimakrise ist bei weitem noch nicht in der politischen Praxis angekommen. Der Grad der nötigen Veränderung wird - gerade im Wahlkampf - gerne verschwiegen: Alle wesentlichen Studien zeigen nämlich, dass ein vollständiger Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen bis 2050 nur gelingen kann, wenn der Gesamtenergieverbrauch halbiert wird. Das Umweltbundesamt sieht in einer Szenarienbetrachtung aus dem Jahr 2017 die Notwendigkeit, den energetischen Endverbrauch in Gebäuden bis 2050 gegenüber 2015 um 35 Prozent und den Energieverbrauch im Verkehr sogar um mehr als 60 Prozent zu reduzieren. Die Umweltorganisationen gehen davon aus, dass die thermische Sanierungsquote in Wohnbauten von 0,6 auf 3 Prozent gesteigert werden muss.

Derweil sprechen die Parteien lieber von begrünten Bushaltestellen, Forschung in Zukunftstechnologien, Photovoltaikanlagen für öffentliche Gebäude und CO2-Steuern, die aber die Pendler nichts kosten dürfen. Ach ja, und da ist ja auch noch der Konsument - wenn wir nur ein bisschen seltener in den Urlaub fliegen und manchmal auf Fleisch verzichten, ist die Sache sicher geritzt!

Sicherlich sind das alles sinnvolle Maßnahmen, und sicherlich werden wir uns als Konsumenten umstellen müssen. Der Schlüssel zu einer mutigen, erfolgreichen Klimapolitik ist aber die rasche, nachhaltige Reduktion des Energieverbrauchs in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens. Keiner der Sektoren Verkehr, Industrie, Gebäude und Landwirtschaft kann dabei ausgespart werden. Ein wirksames Energieeffizienzgesetz für die Industrie, verpflichtende thermische Vollsanierungen in Wohnbauten, ein echter Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel und E-Mobilität sowie wohl auch eine CO2-Steuer sind nur einige der notwendigen Maßnahmen.

Sie alle werden ihren Preis haben: Industrie, Hausbesitzer und Öffentliche Hand stehen vor Milliardeninvestitionen. Auch die Bürger werden das finanziell deutlich spüren und dort und da auf Individualität verzichten müssen. Die Politik wird dabei gefordert sein, positive Seiten und Chancen einer solchen Entwicklung aufzuzeigen: lebenswerte Städte, weniger Verkehr, saubere Luft, nachhaltige Wirtschaft und ein gutes Gewissen gegenüber der nächsten Generation. Das sollte es uns allemal wert sein.