Den Klimaschutz in die Verfassung zu heben, wird nicht nur von Österreichs Regierung zunehmend thematisiert. Verfassungsjuristen äußern Bedenken.
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Es sei ein Thema, das vor allem die jetzt jungen Menschen treffe, hat das deutsche Bundesverfassungsgericht erklärt, als es Ende des Vormonats das deutsche Klimaschutzgesetz für verfassungswidrig erklärte. Dessen Kritik: Die notwendigen CO2-Einsparungen und damit Belastungen würden ab 2031 deutlich steigen. Der Gesetzgeber hat nun vor Kurzem schärfere Klimaziele beschlossen.
Das Klimaschutzgesetz hatte nämlich vorgesehen, dass bis 2030 der CO2-Ausstoß um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden muss - nun sind es 65 Prozent. Bis 2050 sollte praktisch gar kein CO2 mehr ausgestoßen werden, laut verschärftem Klimaschutzgesetz muss das nun schon 2045 der Fall sein. In anderen Worten: Die Verfassungsrichter hatten entschieden, dass die heutige Freiheit - ein höherer CO2-Ausstoß - nicht die Freiheit jüngerer Generationen einschränken dürfe.
Es geht also um die Zukunft, um die folgenden Generationen, und was eine Gesellschaft diesen aufbürden darf oder nicht, wenn es um das Thema Klimaschutz geht. Wie ein Staat mit dieser Zukunft verfährt, ist somit zugleich ein Statement und spiegelt dessen Wertehaltung wider.
Referendum in Frankreich
Die Verfassung, die in Grundrechte gegossenen Spielregeln eines Staates, wären der geeignete Nährboden dafür. Diese Idee ist keineswegs neu: Ecuador zum Beispiel hat den Klimaschutz verfassungsrechtlich verankert (Art. 71 - 72 der ecuadorianischen Verfassung). In Europa hat zuletzt Frankreichs Nationalversammlung im März dieses Jahres mit großer Mehrheit für die Aufnahme des Klimaschutzes in die Verfassung gestimmt. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte ein Referendum darüber an. Der Senat konnte sich aber offenbar nicht auf eine angemessene Formulierung dieses Grundsatzes einigen - ob und wann das Referendum nun stattfindet, ist daher unklar.
Und auch Bayerns CSU-Chef Markus Söder preschte nach der Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts mit dem Vorschlag vor, den Klimaschutz in der Verfassung zu verankern. "Klimaschutz gehört ins Grundgesetz und in die bayerische Verfassung", forderte er.
Auf anderen Ebenen ist der Klimaschutz bereits ein erklärtes Ziel. Die Mitgliedstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen etwa haben 2015 in Paris Klimaziele definiert, wonach unter anderem die globale Erwärmung bis 2100 gegenüber 1880 unter zwei Grad Celsius gehalten werden muss. Auf nationaler Ebene gibt es entsprechende Gesetze, in Österreich zum Beispiel wurde vor Kurzem der Entwurf der Klimaschutzgesetz-Novelle vorgelegt.
Die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts gilt jedenfalls als historisch. Vor allem auch für Österreich könnte sie in Hinblick auf das neue Klimaschutzgesetz richtungsweisend sein. Ziel ist, dass Österreich sogar ab 2040 kein klimaschädliches CO2 mehr ausstößt (nicht erst ab 2045 wie laut dem verschärften, deutschen Klimaschutzgesetz). Und: Österreichs Grüne planen, Klimaneutralität bis 2040 inklusive einem Treibhausgasreduktionspfad in der Verfassung zu verankern. Die ÖVP hatte schon 2019 gefordert, Klimaschutz in der Verfassung festzuschreiben. ÖVP-Umweltsprecher Johannes Schmuckenschlager bremst jedoch. "Da die Einräumung eines subjektiven Rechts auf Klimaschutz in unserer Verfassung ein neues Instrument in der Systematik unserer Rechtsordnung darstellt, gilt es, dieses im Detail zu prüfen", sagt der Abgeordnete.
FPÖ und Neos skeptisch
Der FPÖ ginge es grundsätzlich zu weit. "Ein Grundrecht auf Klimaschutz bedeutet in Wahrheit die Unterordnung des Gemeinwesens unter wissenschaftlich umstrittene Klimaziele", sagt FPÖ-Umweltsprecher Michael Wagner zur "Wiener Zeitung". Und auch die Neos sehen es "sehr skeptisch", so Klimaschutzsprecher Michael Bernhard. "Etwas in den Verfassungsrang zu heben, hat keine Auswirkungen auf die gelebte Praxis", meint er. Vielmehr könne es als willkommene Ausrede dienen, "dass darüber hinaus nichts mehr im Sinne des Klimaschutzes passiert".
Die SPÖ steht indes voll hinter der Diskussion zur verfassungsrechtlichen Verankerung eines Grundrechts auf Klimaschutz. "Die Regierung ist verpflichtet, eine mögliche Umsetzung zu prüfen. Wir werden weiter Druck machen, damit es hier rasch zu Ergebnissen kommt", sagt dazu Umweltsprecherin Julia Herr.
Das Recht auf Klimaschutz in der Verfassung ist auch eine Forderung des Klimavolksbegehrens. Dieses erhielt im Vorjahr 380.590 Unterschriften, woraufhin es zwingend im Parlament behandelt wurde. Dafür sind mindestens 100.000 Unterschriften notwendig. Um die Möglichkeiten für den Klimaschutz im Verfassungsrang aufzuzeigen, soll nun eine Studie in Auftrag gegeben werden, hieß es nach der Behandlung des Volksbegehrens im Umweltausschuss im März.
In Österreich ist es derzeit so, dass der umfassende Umweltschutz seit 1984 als Staatsziel Teil der Bundesverfassung ist. Nicht jedoch der Klimaschutz, eine ganz spezielle Variante des Umweltschutzes, die über diesen hinausgeht. "Umfassender Umweltschutz ist die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen. Der umfassende Umweltschutz besteht insbesondere in Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von Störungen durch Lärm", ist im Bundes-Verfassungsgesetz zu lesen (BGBI | 1984 / 491). Es ist also relativ allgemein verfasst. 1990 zum Beispiel kam dieses Staatsziel Umweltschutz zum Tragen, als es um Nachtfahrverbote ging, die laut Verfassungsgerichtshof (VfGH) durch dieses gerechtfertigt sind. Weitere Staatszielbestimmungen sind die Gleichbehandlung von Mann und Frau oder Bildung.
Käme der Klimaschutz dazu, "müsste er in der Gesetzgebung immer mitgedacht werden", sagt dazu Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk. Staatszielbestimmungen seien auch eine mögliche Grundlage für Gesetzesprüfverfahren und rechtlich verbindlich. Staatsziele haben zwar eine ähnliche Funktion wie Grundrechte, sind aber im Unterschied zu diesen an die Gesetzgebung und -vollziehung gerichtet und enthalten keine subjektiven Rechte - sind also von Einzelpersonen nicht einklagbar.
Würde man dem Klimaschutz indes einen eigenen Artikel im Bundes-Verfassungsgesetz widmen und ihn somit aus der Ecke des Staatsziels in die Reihe der justiziablen Grundrechte befördern, birgt das laut Funk Konfliktpotenzial. Die zentrale Frage sei hier, ob und in Anbetracht welcher Konsequenzen man jemandem das Recht einräumt, die Verpflichtung zum Klimaschutz justiziabel zu machen. Denn damit erhielte dieser auch die Möglichkeit, zum Beispiel Bauvorhaben zu blockieren oder auf lange Zeit zu verschieben, "nur, weil ihm vielleicht irgendjemand nicht zu Gesicht steht", sagt Funk zur "Wiener Zeitung". "Das könnte zur totalen Stilllegung sämtlicher Innovationen führen - auch Klimaschutz fördernder."
"Umweltschutz untergeordnete Rolle"
Dass es beim Klimaschutz soweit kommt, glaubt Verfassungsjurist Theo Öhlinger allerdings nicht. "Bereits der Umweltschutz spielt hier eine untergeordnete Rolle", meint er. Österreichs VfGH erkenne ihm einen weit geringeren Stellenwert zu, als das etwa in Deutschland der Fall sei. Das habe zuletzt dessen Erkenntnis zum Bau der dritten Landepiste am Flughafen Wien-Schwechat gezeigt. Mit dem positiven Bau-Bescheid 2012 hatte ein Zickzack-Flug zwischen "Okay" und "endgültigem Aus" begonnen, bis das Projekt schließlich 2017 beim VfGH landete: Dieser hob das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts gegen den Bau auf.