Heute sollten alle Mitgliedstaaten der EU-Kommission über die Verteilung der Verschmutzungsrechte alias Gratis-Emissionszertifikate an Energiewirtschaft und Industrie Bescheid geben. Doch Großbritannien, Frankreich und Belgien haben bereits angekündigt, sie könnten die Frist nicht einhalten. Die Briten brauchen sogar noch einige Wochen, um die komplizierte Aufgabe zu lösen. Auch Österreich ist noch säumig. Zwar hat das Umweltministerium den Aufteilungsschlüssel bereits veröffentlicht, die Unternehmen wehren sich mit Händen und Füßen. Sie wollen mehr Abgase rausblasen dürfen.
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Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ist zuversichtlich, dass sich seine Regierung noch diese Woche auf einen Zuteilungsplan einigt. Als harter Verfechter der Wirtschaftswünsche erweist sich Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, er meint sogar, Österreich solle nicht den "Musterschüler" spielen. Dabei war es er, der 1997 das Österreichische Klimaschutzziel - minus 13% Treibhausgase - damals noch als Umweltminister verhandelt hat. SP-Umweltsprecherin Ulli Sima wirft ihm deshalb auch "Kindesweglegung" vor. Weiters mahnt sie, dass die EU-Kommisssion schon jetzt Kritik an den geplanten großzügigen Zuteilungen geübt habe. Ebenso erinnert der WWF den Wirtschaftsminister an sein einstiges Engagement in puncto Klimaschutz und kritisiert, dass durch die Zuteilung die Schadstoffe um 12% zunehmen dürfen. Auch Bartensteins Verhandlungspartner Umweltminister Josef Pröll, der eigentliche Pate des Allokationsplans, ist über dessen Äußerungen verärgert. Er erwidert: "Wir sind ohnehin keine Musterschüler mehr."
Nach der nächtlichen Einigung in Deutschland, die für die Wirtschaft gut ausging, hoffen auch Österreichs Unternehmer noch ein bisschen mehr heiße Luft herausschinden zu können. In den letzten Tagen wurde auch heftig Wind gemacht. Böhler-Uddeholm und Voest drohten mit Ausbau-Stopp in der Heimat und mit der Verlagerung der Produktion. Von solchen Drohgebärden hält Pröll allerdings angesichts der guten Ertragslage vieler Unternehmen nicht viel.
Gestern machte auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl gegen den von Pröll vorgelegten Plan mobil. Leitl und der künftige Präsident der Industriellenvereinigung, der Papierindustrielle Veit Sorger, rechnen vor, dass die heimische energieintensive Wirtschaft mit Belastungen von 29 Mill. Euro durch den Emissionszertifikatehandel rechnet. Hinzu kämen noch Energieabgaben und Ökostromförderung. Sorger und Leitl drängen auf Entlastung von 100 Mill. Euro und fordern einen Deckel bei der Energiebesteuerung von 0,5% des Nettoproduktionswertes.
Nach dem derzeitigen Stand bekommen nach dem Willen des Umweltministeriums Industrie und E-Wirtschaft Gratis-Zertifikate für 32,5 Mill. t Kohlendioxid. Im Ministerrat waren allerdings 34,3 Mill. t versprochen worden. Bartenstein hält an dieser Grenze fest. Eigentlich könnte Pröll den Allokationsplan auch ohne Segen seines Konterparts nach Brüssel schicken, doch dies ist nicht zu erwarten. Die Grünen sind fassungslos über die Entlastungsforderungen der Wirtschaftstreibenden. Sie weisen darauf hin, dass anders als in Österreich die Industrie in Deutschland den CO2-Ausstoß reduzieren muss.