Dimitris Tsitsiragos, Vizepräsident in der Weltbank-Gruppe, versucht Unternehmen nachhaltig zu machen.
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"Wiener Zeitung":Eine der zentralen Botschaften der letzten Klimakonferenz in Paris war, dass auch Unternehmen einen massiven Beitrag leisten müssen, damit der Klimawandel nicht vollends aus dem Ruder läuft. Aber wie lässt sich grünes Wachstum erreichen?
Dimitris Tsitsiragos: Wir haben viele Fortschritte gemacht, was grüne Unternehmungen betrifft. Die Kosten gehen nach unten und der private Sektor hat sich auch in Paris sehr aktiv beteiligt. Gleichzeitig sind aber auch die Bedürfnisse sehr groß. Wir brauchen rund 100 Milliarden im Bereich der Treibhausgasreduktion und 140 bis 175 Milliarden für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel. Wenn Sie sich diese Größenordnungen anschauen, wird es rasch klar, dass die Regierungen das nicht allein stemmen können. Generell gibt es in diesem Zusammenhang zwei Hauptstoßrichtungen, nämlich Energieeffizienz und erneuerbare Energie. In den meisten Fällen lässt sich bei der Energieeffizienz aber ein viel stärkerer Effekt erreichen. Aber um Energieeffizienz in den Fokus zu bekommen, braucht man auch die entsprechende Politik. Wenn man etwa die weitverbreiteten Subventionen für fossile Brennstoffe kürzt, steigen auch die Anreize für Energieeffizienz. Ein Beispiel dafür sind Gebäude, die mit zu den größten CO2-Verschmutzern zählen. Energieeffiziente Gebäude können auf sehr lange Zeit zu grünem Wachstum beitragen und damit helfen, das Klimawandelproblem zu entschärfen. Aber wenn man grüne Gebäude will, braucht es einen regulatorischen Anstoß seitens einer Regierung. In jedem Fall aber glauben wir, dass es da draußen jede Menge Potenzial gibt.
Heißt das, dass das Ganze nur funktionieren wird, wenn die öffentliche Hand starke Anreize setzt?
Nicht zwangsläufig. Ich glaube, es ist eine Kombination. Nehmen Sie etwa die erneuerbaren Energien. Hier hat sich die Technologie so stark weiterentwickelt, dass die Kosten massiv gesunken sind. Das ist jetzt nicht in erster Linie ein Resultat der Politik. Politik muss aber die richtige Umgebung schaffen, damit grüne Unternehmen wachsen können. Die wichtigste Voraussetzung für ein Engagement des privaten Sektors ist unserer Erfahrung nach aber, dass sich Klimaschutz als finanziell nachhaltig und profitabel erweist. Investoren müssen das als gutes Geschäft betrachten.
In den vergangenen Jahren waren viele Unternehmen allerdings sehr zögerlich, wenn es um den Klimaschutz ging.
Sie sollten sich auch deshalb damit befassen, weil der ungebremste Klimawandel sehr negative Auswirkungen auf ihr Geschäft haben wird. Laut einer Studie der Universität von Cambridge können Portfolios um bis zu 45 Prozent abstürzen, wenn das Klimawandel-Problem nicht angegangen wird.
Wird das grüne Wachstums ähnlich stark ausfallen wie das Wachstum, das wir viele Jahrzehnten lang hatten? Oder müssen wir uns damit vertraut machen, dass es vielleicht nur knapp über Nulllinie liegen wird?
Ich bin kein Ökonom, aber ich würde die beiden Dinge nicht vermischen. Denn die grüne Seite ist natürlich nur ein Teil der Gesamtwirtschaft. Es müssen viele andere Dinge gemacht werden, um Wachstum zu generieren. So hängt Wachstum ja etwa auch von der Produktivität ab. Aber es gibt auf der Welt viele Orte, die nur eingeschränkt Zugang zu Energie haben. Wenn man dort mit Hilfe von erneuerbarer Energie die Stromversorgung verbessert, kann man wichtige Impulse für Unternehmen setzen. Eine der großen Herausforderungen bei der Schaffung von Wachstum ist ja der Zugang zu Energie.
Wo sind Ihrer Meinung nach die größten Chancen für eine grüne Wirtschaft? Wo sind die größten Hindernisse?
Chancen gibt es vor allem bei erneuerbaren Energien, bei grünen Gebäuden und bei anderen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Es gibt aber auch neue Möglichkeiten bei der Entwicklung von Finanzinstrumenten, die einen grünen Fokus haben. Als größtes Hindernis könnten sich regulatorische Rahmenbedingungen entpuppen, vor allem wenn sie nicht nachhaltig sind.
Lassen Sie uns dabei bleiben. In Österreich klagt der Chef des Stahlkonzerns Voestalpine regelmäßig über das zu strikte regulatorische Korsett im Zusammenhang mit der Reduktion von Treibhausgasen. Häufig heißt es dann auch, die Voest könnte gezwungen sein, ihre Produktionsstätten ins Ausland zu verlagern, weil die ausländischen Wettbewerber nicht mit so starken Vorgaben konfrontiert sind.
Ich kann jetzt nichts unmittelbar zur Voestalpine sagen. Aber die Schwerindustrie, die eine sehr alte Industrie ist, hat auch gezeigt, dass sich mit verbesserter Technologie auch Emissionen einsparen lassen und dass man damit wettbewerbsfähig bleibt.
Das Problem der Voest dürfte aber wohl eher sein, dass die Konkurrenz in China, Indien, aber auch in den USA viel weniger strikten Auflagen unterliegt.
Das mag für die vergangenen Jahre zutreffend gewesen sein, doch ich glaube, hier gibt es starke Veränderungen. Und die massivsten Veränderungen passieren in China. Die Regierung dort ist sich der gewaltigen Herausforderungen im Umweltbereich bewusst und setzt vor allem im Bereich des Klimaschutzes viele - und teils auch sehr strikte - Maßnahmen. Gleichzeitig wird versucht, Innovation anzuschieben. Derzeit wird etwa viel Geld für intelligenten Stromnetze und die Speicherung von Energie aufgewendet. Vor allem Letzteres ist von großer globaler Bedeutung, denn je besser sich Energie speichern lässt, umso attraktiver wird etwa auch die Solarenergie. Aber auch in den USA hat es zuletzt neue legislative Maßnahmen zum Klimaschutz gegeben. Auf lange Sicht werden sich die einzelnen Länder immer stärker annähern.
Welche Rolle können und werden die Konsumenten hier haben?
Die Konsumenten werden hier natürlich eine Rolle spielen. Denn klimabewusste Käufer werden sich vor allem für Produkte entscheiden, die energieeffizient und klimafreundlich sind. Denken Sie nur an Kühlschränke und Waschmaschinen. Und dann gibt es natürlich die Automobilindustrie, wo Energieeffizienz seit jeher eine große Rolle spielt und nun die Elektroautos immer stärker in den Vordergrund treten.
Im Zusammenhang mit der Pariser Klimakonferenz war sehr viel von Emissionseinsparungen die Rede. Allerdings war das vor allem eine technische Frage. Viele kritische Stimmen meinen allerdings, dass wir den Klimawandel überhaupt nur dann in den Griff bekommen, wenn wir unseren konsumbasierten Lebensstil dramatisch ändern.
Wir machen uns für Energieeffizienz stark. Das ist unser Beitrag.
Dimitris Tsitsiragos ist Vizepräsident bei der zur Weltbank gehörenden International Finance Corporation. Der gebürtige Grieche ist dort verantwortlich für die Investmentsparte und die Beratungsdienste. Davor war er für die Regionen Europa, Nordafrika, Nahost und Zentralasien verantwortlich.