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Klimaschutz: Obama probt Neustart

Von Walter Hämmerle

Politik

Chance für Klima-Paket besteht nur vor US-Wahlen im November. | "Obama hat Tiefpunkt hinter sich." | "Wiener Zeitung": US-Präsident Barack Obama ist entschlossen, nach der Gesundheitsreform nun sein zweites großes Wahlversprechen, ein Gesetzespaket zum Klimaschutz, anzugehen. Wie stehen die Chancen dafür? | Alexander Ochs: Die Chancen stehen nach dem Beschluss der Gesundheitsreform besser als zuvor. Für zwei solcher Mega-Themen gleichzeitig ist in der Öffentlichkeit kein Platz, zumal es ja auch noch die Finanz- und Wirtschaftskrise zu bewältigen gibt.


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Ob Obama allerdings beim Klimaschutz auch erfolgreich sein wird, ist schwer zu beurteilen, ich halte den Ausgang für völlig offen. Die Abstimmungen im Kongress werden erst in einigen Monaten, allenfalls im Frühsommer, stattfinden.

Also auf jeden Fall vor den Mid-Term-Wahlen im November, bei denen Obamas Demokraten herbe Verluste prophezeit werden?

Ja, sicher, das ist Obamas einzige Chance für einen politischen Erfolg in diesem Bereich. Für eine progressive Klimaschutzpolitik gibt es nur vor diesen Wahlen noch eine Chance, weil die Demokraten Verluste hinnehmen werden müssen.

Wie passt dazu Obamas jüngste Entscheidung, mithilfe milliardenschwerer Kreditgarantien erstmals seit drei Jahrzehnten wieder neue Atomkraftwerke zu bauen?

Das muss als Kompromissangebot an die Republikaner interpretiert werden. Obama versucht sich als Brückenbauer zwischen den beiden Parteien zu positionieren, indem er etwa 80 Milliarden Dollar in alternative Energieträger investiert und gleichzeitig - als Angebot an die Opposition - eben auch die Atomkraft forciert oder neue Genehmigungen für Ölbohrungen erteilt. Allerdings hat sich Obama wie auch einige Grün-Bewegungen schon im Wahlkampf immer wieder für die Atomkraft ausgesprochen, weil sie für ihn im Vergleich etwa zur Kohle einen sicheren und sauberen Weg darstellt. Persönlich teile ich diese Auffassung nicht, aber in dieser Frage ist die Ökologie-Bewegung in den USA gespalten.

Sehen Sie Anzeichen dafür, dass die Republikaner auf Obamas Kompromissangebote eingehen und von ihrem erbitterten Widerstand gegen verbindliche Klimaschutzgesetze abrücken werden?

Nein, bisher jedenfalls nicht. Ich glaube aber nicht, dass deshalb diese Strategie bereits falsch ist. Für viele Wähler und Meinungsmacher beweist Obama so, dass er es ernst meint mit seinem Ziel, ein überparteilicher Präsident zu sein. Und die Republikaner werden auf diese Weise zu einer Partei der Nein-Sager abgestempelt. Strategisch macht das also schon Sinn.

Ist es wirklich realistisch, dass Obama seine Zusagen für die Klimakonferenz in Kopenhagen vom Dezember halten kann?

Ja, weil sich diese Zusagen sehr eng an das angelehnt haben, was schon das Abgeordnetenhaus zuvor beschlossen hatte. Und weil die Bundesstaaten in diesem Bereich mit riesigen Schritten voran gehen.

Wie stark ist Obama überhaupt noch Herr der Agenda in Washington?

Verluste für die Partei des Präsidenten bei Mid-Term-Wahlen sind in den USA fixer Bestandteil der politischen Kultur, das hat Tradition und ist immer schon so gewesen. Meiner Ansicht nach hat Obama seinen Tiefpunkt bereits hinter sich: Die Gesundheitsreform ist trotz aller Kompromisse keinem anderen Präsidenten der letzten 70 Jahre gelungen; hinzu kommen internationale Erfolge wie die Abrüstungsverhandlungen mit Russland; und schließlich scheint sich auch die US-Wirtschaft langsam zu erholen. Sollte sich der wirtschaftliche Trend bis zum November fortsetzen, dann dürften auch die Verluste bei den Wahlen nicht allzu dramatisch ausfallen. Dann hat Obama tatsächlich alle Chancen für eine Wiederwahl 2012.

Das Schicksal des Präsidenten hängt also am seidenen Faden der Konjunktur?

Ja, aber er profitiert auch von der Schwäche der Republikaner, die im Moment weder Lösungskonzepte noch eine mehrheitsfähige personelle Alternative anbieten können. Ich halte Sarah Palin trotz ihrer Popularität bei den rechten Kernschichten für nicht mehrheitsfähig. Obamas Umfragewerte sind zwar deutlich gesunken, aber seine Sympathiewerte bleiben nach wie vor hoch. Deshalb rechne ich im November nicht mit einem politischen Erdrutsch zugunsten der Republikaner.

Zur PersonAlexander Ochs ist Direktor für Klima und Energie beim Worldwatch Institute in Washington DC und Gründer des Forum for Atlantic Climate and Energy Talks.