Als Fürsprecher für die armen Länder versucht Gastgeber Ägypten bei der Klimakonferenz, sein Image zu verbessern. Im eigenen Land werden Andersdenkende bis heute schonungslos verfolgt.
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Ein Vorbild für den Ausstieg aus fossilen Energien ist Ägypten nicht unbedingt. Das Gastgeberland der am Sonntag im Badeort Sharm-El-Sheikh begonnenen Weltklimakonferenz hat in den vergangenen Jahren vor allem daran gearbeitet, zum regionalen Knotenpunkt für die Erdgasförderung zu werden. Geht es nach den Plänen der Regierung in Kairo, soll das gesamte Gas aus dem östlichen Mittelmeer in Ägypten in Flüssiggas umgewandelt und dann per Schiff in alle Welt transportiert werden.
Schon jetzt wird vor den Küsten des Landes intensiv nach Öl und Gas gebohrt. In den Jahren 2021 und 2022 vergab Ägypten mehrere Offshore-Lizenzen, und auch im Nil-Delta, wo es bereits große Förderstätten gibt, dürften in nächster Zeit noch weitere Bohranlagen hinzukommen.
Aus Sicht von Präsident Abdel Fattah al-Sisi dürfte die noch bis 18. November dauernde Mammutkonferenz mit 30.000 Teilnehmern wohl dennoch eine einzigartige Gelegenheit darstellen, um Ägypten mehr als zehn Jahre nach dem "Arabischen Frühling" auf der Weltbühne in ein neues Licht zu rücken. "Bei der Ausrichtung der Welklimakonferenz ging es von Beginn an vor allem um internationale Legitimität", sagte Hafsa Halawa vom Middle East Institute der Nachrichtenagentur Reuters. "Man will zeigen, dass Ägypten kein unbedeutendes Land ist, sondern eines, das über genügend Macht und diplomatische Stärke verfügt, um eine Schlüsselrolle zu bekleiden."
Schäden und Verlust
In Sharm-El-Sheikh präsentiert sich Ägypten vor allem als Fürsprecher für die armen afrikanischen Länder. So macht sich das Gastgeberland vor allem für Fortschritte bei den Verhandlungen über die Anpassungshilfen für den globalen Süden und im Umgang mit bereits eingetretenen Klimaschäden und Verlusten (Loss and Damage) stark. Bei der Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen und Anpassung an eine immer heißer werdende Welt hinken die reichen Industrieländer derzeit hinterher. Statt der für den Zeitraum nach 2020 versprochenen 100 Milliarden Dollar pro Jahr wurden zuletzt nur 80 Milliarden auf die Beine gestellt.
Zur Messlatte für die ägyptische Konferenzpräsidentschaft dürfte aber vor allem die Frage werden, ob beim Punkt Loss and Damage endlich ein Finanzierungsmechanismus vereinbart werden kann, mit dem bereits eintretende Klimaschäden in bedürftigen Ländern abgegolten werden. Bei den vergangenen Klimagipfeln war das Thema von den reichen Staaten immer an den Rand gedrängt worden, weil die Länder, die historisch für den größten Treibhausgasausstoß verantwortlich sind, enorm hohe Reparationsforderungen der Entwicklungsländer befürchten.
Dieses Jahr könnte allerdings Bewegung in die Sache kommen. So wurde am ersten Konferenztag beschlossen, den Punkt Loss and Damage erstmals auch offiziell auf die Agenda einer Weltklimakonferenz zu setzen. Allerdings gibt es noch keine Einigung darüber, was bei Klimakatastrophen als "Verlust und Schaden" gelten soll - dafür infrage kämen neben Infrastruktur und Eigentum nämlich finanziell nur schwer zu bewertende Kulturgüter, Grabstätten und Ökosysteme.
Tägliche Willkür
Ägyptens Versuch, sich als Fürsprecher der ärmeren Länder ein besseres Image auf der globalen Bühne zu verschaffen, steht allerdings in Konflikt mit der Menschenrechtssituation im Gastgeberland. Al-Sisi, der 2013 nach einem Militärputsch an die Macht kam, regiert Ägypten mit eiserner Hand. Politische Gegner wie die islamistischen Muslimbrüder wurden ausgeschaltet, Überwachung, Zensur, willkürliche Festnahmen und monatelange Haft ohne Anklage stehen im von der Regierung ausgerufenen "Kampf gegen den Terrorismus" auf der Tagesordnung.
Der 2017 verhängte Ausnahmezustand wurde von al-Sisi zwar 2021 aufgehoben, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit gibt es aber bis heute in Ägypten nicht. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat das Land daher vor Beginn des Weltklimagipfels aufgerufen, eine angemessene Teilnahme der Zivilgesellschaft zu gewährleisten. Für Schlagzeilen hatte in diesem Zusammenhang auch der Fall des bekannten Demokratieaktivisten Alaa Abdel Fattah gesorgt. Der 40-Jährige, für den sich nun auch der britsche Premier Rishi Sunak in Sharm-El-Sheikh einsetzen will, ist seit zehn Jahren in Haft und befindet sich seit April im Hungerstreik.
Geht es nach der Regierung in Kairo, sollen die bei Klimakonferenzen üblichen Protestaktionen von Umweltschützern aber nur in einer speziell dafür eingerichteten Zone am Tagungsort stattfinden. Wer nicht in Sharm-El-Sheikh demonstrieren wolle, wo die Botschaft der Klimaaktivisten in diesen Tagen schließlich hingehöre, "sollte vielleicht besser in Deutschland demonstrieren", sagte Außenminister Sameh Shoukry, der den Klimagipfel als Konferenzpräsident auch leitet.