Laut Experten werden die Fichten-Bestände zugunsten von sturm- und dürrebeständigeren Arten schrumpfen.
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Wien. Lärchen, Weißtannen, Douglasien, Eichen und Buchen: Schon in 50 Jahren könnten Österreich Wälder ziemlich anders aussehen. Denn selbst wenn es gelingt, die Erderwärmung bis dahin auf zwei Grad zu beschränken, wird es dem Hauptbaum Fichte vielerorts zu warm und trocken werden, warnt Rudolf Freidhager, Vorstand für Forstwirtschaft und Naturschutz bei der Österreichischen Bundesforste (ÖBF). "Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen für die Forstwirtschaft. Schon mittelfristig wird es zu Veränderungen in den Wald-Ökosystemen kommen. Erste Anzeichen sind bereits zu sehen", sagt Freidhager zur "Wiener Zeitung": "Schon jetzt pflanzen wir 30 Prozent Lärchen aus." Einziges Problem: Lärchennadeln färben sich im Herbst goldgelb und fallen ab, somit sind die Winter-Nadelwälder kahl.
Starkregen, Trockenheit, Hitzewellen und ein Winter wie in Italien: Die Folgen des Klimawandels waren spätestens im Jahr 2015 für jeden spürbar. Nach einem Rekord-Sommer vermeldete die Zentralanstalt für Meteorologie (ZAMG) vor wenigen Tagen auch den Winter 2015/16 als zweitwärmsten der 250-jährigen Messgeschichte. Österreichweit lagen die Temperaturen um 2,7 Grad und in hochalpinen Lagen sogar um 3,4 Grad über dem vieljährigen Mittel. Und noch mehr: "In den vergangen 40 Jahren sind in Österreich extrem kalte Winter ausgeblieben", berichtet ZAMG-Experte Alexander Orlik.
Unter dem Titel "Klimawandel und Artenvielfalt" analysieren die Bundesforste, die Universität für Bodenkultur und der World Wild Life Fund die Auswirkungen der Erderwärmung auf Österreich. Das Land zählt demnach zu den vom Klimawandel am stärksten betroffenen Ländern in der nördlichen Hemisphäre. Schuld sind laut den Studienautoren die Höhenmeter über dem Meeresspiegel. Je höher ein Gebirgszug ist, desto mehr Sonnenstunden bekommt er ab und desto stärker ist die Sonneneinstrahlung. Das führt zum Abschmelzen der Gletscher, die normalerweise einen Großteil des Sonnenlichts zurückspiegeln. Schmelzen sie jedoch ab, bleibt der blanke Felsen als dunkler Fleck zurück. Dieser speichert wiederum Wärme, die in das Ökosystem gelangt.
Drei Borkenkäfer-Generationen
An diese neuen Bedingungen müssen wir die Wälder anpassen und die Baumarten-Zusammensetzung verändern", erklärt Freidhager. "Speziell in den tieferen Lagen wird die Fichte (die derzeit mehr als die Hälfte der Wälder ausmacht, Anm.) als bestandsbildende Baumart ausfallen. Kurz und gut: Der Bestand wird schrumpfen." Die in der Natur in kühleren und gut bewässerten Höhenlagen vorkommende Fichte wurde vor rund 130 Jahren von der Forstwirtschaft forciert und auch in wärmeren Tälern ausgepflanzt. Über die Jahrzehnte wurde sie zum Hauptbaum Österreichs. Nun ist zu erwarten, dass sie sich wieder auf ihre optimalen Standorte zurückzieht.
Wo es warm und trocken ist, wütet der Borkenkäfer. Gegen eine gesunde Fichte, die "ordentlich im Saft steht", wie ein volles Nadelkleid mit intakter Krone im Fachjargon der Förster heißt, hätte der Schädling an sich keine Chance. Denn der Baum würde ihn nämlich in ihrem Lebenssaft, dem Harz, ertränken. Daher lieben Borkenkäfer Holz, das langsam austrocknet, um dort ihre Eier zu legen. Je wärmer es ist, desto trockener ist das Holz und desto mehr Borkenkäfer können sich durchfressen. "Uns tut das besonders weh, weil wir befallene Bäume sofort entfernen müssen. Sie sind Brutstätten für neue Generationen von Käfern, welche dann die umliegenden Bäume befallen", erklärt der Wald- und Forstexperte. In besonders trockenen Jahren könnten mindestens drei Käfer-Generationen heranwachsen.
Nicht zuletzt der Borkenkäfer trägt die Schuld an enormen Schadholz-Anteilen 2014/2015 mit seinem heißen Sommer und teilweise eisigen Winter. Für das Wirtschaftsjahr bilanziert Österreichs größter Wald- und Forstbetreiber enorme 70 Prozent Schadholz. Dabei war der Sommer "sogar noch halbgut, weil wir das Glück hatten, dass die Monaten März, Mai Juni relativ feucht waren, wodurch die erste Generation der Käfer nicht so stark ausgeprägt war", sagt Freidhager. Anders als im Jahrhundert-Sommer 2003. Damals hätten Wärme und Trockenheit schon ab April die Feinwurzelsysteme, die für die Wasserzufuhr zuständig sind, stark geschädigt. Dadurch seien die Fichten-Zuwächse massiv dezimiert worden. "Wenn man sich vorstellt, dass ein Festmeter Fichtenholz in guter Qualität etwa 100 Euro kostet, sind tausende Meter Zuwachs ein enormer Verlust", so der ÖBF-Vorstand.
Droht eine alpine Wüste?
Ein solches Szenario könnte auch für heuer realistisch sein, wenn es zu früh warm wird. Dann müssen die Förster dem Schädling mit Fangbäumen und Borkenkäferfallen zu Leibe rücken, den Wald nach befallenen Bäumen kämmen und das Brutmaterial in die Heizwerke fahren. "Wir Forstleute wünschen uns ein richtiges Sauwetter", macht Freidhager deutlich, und fügt an: "Der März war ja bisher gar nicht so schlecht."
Ob Regen oder Sonne im März, eines ist laut Studie sicher: Aus dem sommerwarmen Niederösterreich, besonders dem Waldviertel, Weinviertel und dem Donauraum, sowie aus der Steiermark und dem Südburgenland wird die Fichte nach und nach verschwinden. An ihre Stelle werden hitzeresistentere und sturmbeständigere Arten mit tieferen Wurzeln treten. "Das ist aber noch die Softversion. Wenn es nämlich nicht zwei, sondern drei, vier oder sogar fünf Grad wärmer würde, hätten wir eine andere Landschaft. Die Waldfläche, die derzeit die Hälfte Österreichs ausmacht, würde ordentlich schrumpfen", warnt Freidhager vor einer alpinen Wüste.