Olaf-Jahresbericht: Zahl der abgeschlossenen Fälle gestiegen.
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Brüssel. Es kann um Tomatenmark gehen, um geschmuggelte Zigaretten oder gefälschte Münzen: Wenn die Ermittler des europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung Olaf einen Fall aufnehmen, kann der Verdacht auf unterschiedliche Straftaten dahinterstecken. So gingen sie dem - mit Gemeinschaftsgeld geförderten - Verkauf von Tomatenmark in großen Mengen nach und stellten fest, dass einer der Käufer eine fiktive Firma war. Sie forcierten einen Aktionsplan der EU zur Bekämpfung des Schmuggels von Alkohol und Zigaretten über die östliche Grenze der Union. Ebenso deckten sie gemeinsam mit den italienischen Carabinieri und den dortigen Finanzbehörden die Produktion falscher Ein- und Zwei-Euro-Münzen in einer illegalen Prägeanstalt bei Rom auf.
Im Vorjahr hat Olaf mehr Fälle und in kürzerer Zeit bearbeitet als zuvor. Das geht aus dem in Brüssel präsentierten Jahresbericht 2012 hervor. In den zwölf Monaten sind 465 Fälle abgeschlossen worden - mehr als doppelt so viel als 2011. Die Dauer der Untersuchungen wiederum ist um ein Fünftel gesunken und beträgt nun im Schnitt knapp 23 Monate. Beschleunigt wurde ebenfalls das Auswahlverfahren: Es dauert rund eineinhalb Monate, bis eine Entscheidung über eine Prüfung fällt.
So lobte Generaldirektor Giovanni Kessler denn auch die Arbeit seiner Behörde, die erst vor kurzem reorganisiert wurde: Sowohl die Effizienz von Olaf sei gestiegen als auch das Vertrauen in die Organisation. Immerhin seien im Berichtszeitraum mehr als 1200 Informationen eingegangen; die Zahl der Meldungen von Mitgliedstaaten über mögliche Betrugs- oder Korruptionsfälle habe sich verdoppelt. Das länderübergreifende Vorgehen gegen solche Straftaten möchte das Amt weiter verstärken: Es hat einen Vorschlag zur Einrichtung einer europäischen Staatsanwaltschaft ausgearbeitet.
Geringer geworden ist allerdings das Gesamtvolumen der eingezogenen Zahlungen. Konnten die Staaten 2011 noch 691 Millionen Euro zurückfordern, waren es im Vorjahr 284 Millionen Euro. Die größte Schadenssumme war dabei im Zollbereich: knapp 166 Millionen Euro. Unrechtmäßig ausgezahlte Infrastrukturförderungen und Agrarbeihilfen machten rund 63 Millionen und 33 Millionen Euro aus.
Schwere Vorwürfe ans Amt
Das Aufspüren von Betrug oder Korruption und damit ein Beitrag zum Schutz der finanziellen Interessen der EU ist aber nur eines der Ziele, die Olaf gesetzt wurden. Ebenso soll die Behörde mit ihren 435 Mitarbeitern schwerwiegende Handlungen von Angestellten der EU-Institutionen untersuchen und die EU-Kommission bei ihren Strategien zur Betrugsbekämpfung unterstützen. Dafür erhielt sie im Vorjahr ein Budget in Höhe von etwas mehr als 57 Millionen Euro.
Allerdings ist Olaf selbst keineswegs um jeden Verdacht erhaben: Auch das Amt sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, bei seinen Untersuchungen unrechtmäßige Methoden angewandt zu haben. Das hat sogar zu Rücktrittsforderungen an Direktor Kessler geführt.
Es geht dabei um einen Fall, der bereits im Vorjahr einen EU-Spitzenpolitiker das Amt gekostet hatte. Der ehemalige Gesundheitskommissar John Dalli stand im Verdacht, gewusst zu haben, dass ein Geschäftsmann sich von einem Tabakkonzern dafür bezahlen lassen wollte, seine Kontakte zum Kommissar zu nutzen, um die EU-Gesetzgebung zu beeinflussen.
Bei der darauf folgenden Untersuchung habe Olaf die eigenen Ermittlungen manipuliert, lautete die Kritik aus den Reihen der Europäischen Volkspartei und der Grünen im EU-Parlament. Die Liste der Vorwürfe reicht dabei von illegalen Mitschnitten von Telefonaten, über Verleitung zu Falschaussagen bis zu Interessenskonflikten. Daher forderten Parlamentarier Kessler zum Rücktritt auf.
Die Behörde wies diese "irreführenden Informationen" immer zurück, und die EU-Kommission sah bisher keinen Anlass, den Direktor von seinen Aufgaben zu entbinden. Kessler selbst wehrte sich einmal mehr gegen so manche "verleumderische und unfaire Berichterstattung". Er habe nicht vor, seinen Posten aufzugeben. "Wenn Olaf eine Straftat begangen hat, hätte ich nicht zurückzutreten, sondern müsste ins Gefängnis", erklärte er.