"Presse" und "Wirtschaftsblatt" rücken zusammen. Hoffentlich haben sie Glück dabei - und Verlagsmanager, die wissen, was Journalismus wert ist.
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Am 1. September lassen sich Rainer Nowak bei der Tageszeitung "Presse" und Esther Mitterstieler bei der Wirtschaftstageszeitung "Wirtschaftsblatt" erstmals in Chefredakteurssessel fallen. Die gesamte Führungsspitze der zwei Zeitungen ist ausgetauscht worden. Es hat in den vergangenen Wochen heftig gepoltert. Herausgekommen ist eine vertagte Revolution.
Das ökonomisch unter Druck geratene "Wirtschaftsblatt" bleibt als eigenständige Tageszeitung bestehen, wird sich aber technisch und auch personell an die "Presse" anlehnen und dadurch Kosten sparen. Die zwei Zeitungsredaktionen sind sowieso schon unter einem Dach in Wiens Hainburger Straße untergebracht.
Über eine Fusion ist ernsthaft diskutiert worden. Interessanter Weise kam ein Vorstoß in diese Richtung von journalistischer Seite. Michael Fleischhacker machte sich für eine weitreichende redaktionelle Kooperation stark, kam damit aber nicht durch. Deshalb ist er als "Presse"-Chefredakteur überraschend ausgeschieden.
Die Vorstandsspitze der Styria Media Group, zu der die zwei Zeitungen gehören, möchte ihre wirtschaftlichen Ziele ohne Änderung der Zeitungsarchitektur erreichen. Dennoch setzt sie aber Doppelgeschäftsführer ein, die für die zwei Zeitungen zugleich zuständig sind.
In den Staaten der Industriewelt sind viele Zeitungen unter Druck geraten, nicht nur wegen der Wirtschaftskrise. Die "Financial Times Deutschland", die im Jahr 2000 mit der für österreichische Verhältnisse unvorstellbaren Investition von 150 Millionen Euro startete, ist bis heute defizitär. Von ihr wird soeben gemeldet, dass die Zeitung dünner werden und Schritt für Schritt von ihrer gedruckten Körperlichkeit weg in die digitale Ära geführt werden soll, gemäß ihrem ehrgeizigen Werbespruch von 2000: "Unseren Nachrichten ist es egal, wie sie den Leser erreichen."
Aber in solchen Konzepten - auch Styria bekennt sich dezidiert zur digitalen Zukunft - steckt viel Unsicherheit. Die Beobachtung, dass die Menschen offenbar weniger Zeitung lesen und das, wenn überhaupt, möglichst kostenlos, beweist noch nicht, dass sie auf Dauer der Kulturform Zeitung entsagen und zur Befriedigung ihrer Neugier nur noch in einen Monitor starren wollen. Dort ist das, was die Zeitung dank ihrer erprobten Kulturtechnik liefert, nur bruchstückhaft zu erleben.
Plötzlich nähert sich ein bloßer Diskussionsstoff, der schon jahrelang von Mund zu Mund geht, der Realität. Die zwei neuen Chefredakteure ziehen Bewährtes weiter und müssen dennoch gefasst darauf sein, dass das nicht genügen wird. Sie sind keine Übergangslösungen, aber Kapitäne für einen Übergang. Und haben überhaupt nur dann eine Chance, ein sicheres Ufer zu erreichen, wenn sie die Gewissheit haben, dass ihrer Verlagsführung noch bewusst ist, dass Zeitungen primär von der journalistischen Leistung leben. Das Geschäftsmodell soll sich budgetmäßig natürlich rechnen. Doch die Leser kaufen Zeitungsinhalte und nicht ein Geschäftsmodell.