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Knappes Ergebnis bringt Peru bange Tage

Politik

Der Marxist Pedro Castillo liegt nach Auszählung aller Stimmen bei der Präsidentenwahl hauchdünn voran. Wohlhabende Peruaner ziehen bereits ihr Geld ab - und hoffen, dass Gericht die Rechtspopulistin Fujimori noch zur Siegerin machen.


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Aufgewachsen ist Pedro Castillo als Sohn von Analphabeten mit neun Geschwistern. Zur Schule musste er jeden tag zwei Stunden durch die peruanischen Anden gehen. Nun stand der Mann aus der Dorfhütte mit Hemd, Sakko und großem Sombrero auf einem Balkon in der Hauptstadt Lima im Konfettiregen vor Tausenden Menschen, die ihm zujubelten. Denn nach Auszählung aller Stimmen ist Pedro Castillo der nächste Präsident des lateinamerikanischen Landes.

Der frühere Lehrer und Gewerkschaftsführer von der leninistisch-marxistischen Partei "Freies Peru" hat sich bereits zum Sieger erklärt. Allerdings ist sein Vorsprung äußerst knapp: Castillo kommt nach Auszählung aller Stimmen auf 50,125 Prozent und liegt damit laut Wahlkommission in dem knapp 33 Millionen Einwohner zählenden Land nur 44.058 Stimmen vor seiner rechtspopulistischen Rivalin Keiko Fujimori mit 49,875 Prozent.

Diese hat bereits von Wahlbetrug gesprochen und wird das Ergebnis vor Gericht anfechten. Allerdings konnte die Tochter von Ex-Diktator Alberto Fujimori noch keine Beweise für ihre Vorwürfe vorlegen, und auch internationale Wahlbeobachter haben den Urnengang als fair bezeichnet.

Jedenfalls bringt das knappe Ergebnis Peru nun äußerst bange Tage. Denn zu welchem Schluss der oberste Wahlgerichtshof auch kommt, entscheidend für die Stabilität des Landes wird sein, inwieweit das unterlegene Lager seine Niederlage akzeptiert. Aber schon der Wahlkampf war enorm aggressiv und polarisierte.

So galt Castillo als Kandidat der Armen, und tatsächlich hat er offenbar vor allem von der zurückgelassenen Dorfbevölkerung und städtischen Tagelöhnern Stimmen bekommen. Fujimori hingegen galt als Kandidatin der Reichen und lag bei der urbanen Mittel- und Oberschicht deutlich voran. So erhielt sie in San Isidro, dem wohlhabendsten Stadtteil von Lima, 88 Prozent der Stimmen, während in der ärmsten Andenregion Huancavelica 85 Prozent der Wähler für Castillo votierten.

Die Aussicht auf eine Präsidentschaft Castillos sorgt nun vor allem in den Städten bei etlichen Peruanern bereits für Panik. Die Banken haben bereits Dollarnoten bestellt, weil so viele Bürger ihre peruanischen Sol umtauschen wollen. Die Landeswährung hat auch schon seit der ersten Wahlrunde am 11. April, aus der Castillo überraschend als Sieger hervorging und sich Fujimori als zweite für die Stichwahl qualifizierte, etwa acht Prozent an Wert gegenüber dem Dollar verloren.

Außerdem ziehen offenbar viele Wohlhabende ihr Vermögen aus dem Land ab. "Ich würde nicht einen Cent in Peru lassen", sagte ein auf Anlageberatung spezialisierter Anwalt der Nachrichtenagentur Reuters:. "All meine Freunde haben ihr Geld bereits ins Ausland gebracht."

Angst, dass Peru zu zweitem Venezuela wird

Genährt werden die Ängste davon, dass Castillo als eines seiner Vorbilder Venezuelas Ex-Präsidenten Hugo Chavez nennt. Ein linker Staatsumbau hat Venezuela mittlerweile in den finanziellen Ruin getrieben und für Millionen Flüchtlinge auf dem Kontinent gesorgt.

Auch Castillo und seine marxistischen Mitstreiter haben Reformen für Peru angekündigt: Sie wollen die Verfassung ändern und die Medien stärker kontrollieren. Außerdem will der gesellschaftspolitisch äußerst konservative Katholik Castillo - er ist gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibungen und hält Genderdebatten für unnötig - ein umfassendes Sozialprogramm auflegen. "Nie mehr arm in einem reichen Land" war schon der Wahlkampfslogan des Mannes, der selbst aus der Region um die Stadt Cajamarca stammt, in der eine der größten Goldminen der Welt liegt, aber viele Menschen enorm arm sind.

Genau die Minenbetreiber - Peru ist der zweitgrößte Kupferproduzent der Welt - will nun Castillo stärker zur Kasse bitten. So haben viele Investoren Abkommen mit der peruanischen Regierung getroffen, die ihnen garantieren, dass keine Steuererhöhungen auf sie zukommen dürfen. Die Vereinbarungen gelten teilweise für die nächsten 20 Jahre. Genau diese Abkommen will Castillo nun aufschnüren.

Der Kongress ist mächtig - und zersplittert

Allerdings ist ohnehin fraglich, wie viel Spielraum der Linkspolitiker überhaupt haben wird. Denn ihm steht ein Kongress gegenüber, der zersplittert und zugleich sehr mächtig ist. So haben -neben anderen Gründen - fehlende stabile Mehrheiten dafür gesorgt, dass das Land in den vergangenen fünf Jahren vier verschiedene Präsidenten hatte. Federführend beteiligt an der Absetzung von Staatsoberhäuptern war dabei immer wieder Keiko Fujimori.

Dieser drohen bei einer Niederlage nun Gerichtsverfahren wegen Korruption und illegaler Wahlkampffinanzierung. Auch deshalb wird sich die 46-Jährige, die im Wahlkampf ständig vor dem Einzug des Kommunismus in Peru warnte, mit allen Mitteln gegen ihre Niederlage wehren.

Sollte sich das Blatt allerdings noch wenden und nach den Gerichtsverfahren Fujimori als Siegerin hervorgehen, werden das wohl auch Anhänger Castillos nicht klaglos hinnehmen. Vielmehr würden sich etliche Arme, an denen der Wirtschaftsaufschwung der vergangenen Jahre vorbei gegangen ist, erneut betrogen fühlen.(klh)