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Knappes Rennen ums höchste Amt

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Zwei Konservative treten bei Stichwahl am Sonntag an. | Ergebnis wird auch Auswirkungen auf die Arbeit der Regierung haben. | Warschau/Wien. Mariola wird ihre Stimme diesmal wohl doch abgeben. "In den letzten Jahren bin ich kaum zu den Wahlen gegangen", erzählt die 58-jährige Angestellte. "Doch jetzt muss ich für einen Kandidaten stimmen, um den anderen nicht gewinnen zu lassen."


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Dieser eine wird wohl Bronislaw Komorowski sein, den die regierende Bürgerplattform (PO) für die Präsidentenwahl nominiert hat - auch wenn Mariola nicht von ihm überzeugt ist. Doch der andere Kandidat, Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski, kommt für sie schon gar nicht in Frage.

So wie Mariola haben etliche Polen das Gefühl, dass der Urnengang am Sonntag ein besonders wichtiger ist. Zwar prägt der polnische Präsident, der nun in einer Stichwahl ermittelt wird, die Politik des Landes weniger als die Regierung in Warschau. Doch kann er deren Arbeit erleichtern oder behindern - indem er etwa ein Veto gegen geplante Gesetze einlegt. Auch haben etliche Medien sowie andere politische Beobachter - und vor allem die Wahlkampfstäbe - das Votum zu einer ebenso richtungsweisenden wie brisanten Entscheidung für die kommenden fünf Jahre hochstilisiert. Je nach Ausrichtung warnen die einen vor einem Machtmonopol der PO, sollte Komorowski gewinnen, und fürchten die anderen eine rückschrittliche nationalkonservative Politik nach einem Sieg Kaczynskis. Sollte dieser Präsident werden, wäre es der Beginn eines "politischen Kreuzzugs" gegen die Regierung, erklärte denn auch Ministerpräsident Donald Tusk in einem Interview.

Gleiche Herkunft,unterschiedliche Wege

Immer wieder wird dabei das Bild eines gespaltenen Polens gezeichnet. Für die PO würden demnach mehr jüngere, besser gebildete und verdienende, für Neuerungen offene Menschen stimmen, während das Elektorat von Kaczynskis PiS (Recht und Gerechtigkeit) meist als älter, ärmer und konservativer dargestellt wird.

Allerdings ist weder der Graben durch die Gesellschaft so tief noch sind die Kandidaten so diametral unterschiedlich. Beide kommen aus dem rechten Lager und können durchaus als wertkonservativ bezeichnet werden - was etlichen jungen Menschen an beiden nicht behagt. Beider Parteien waren schon einmal in der Regierung, liebäugelten auch sogar mit einer gemeinsamen Koalition. Sowohl Komorowski als auch Kaczynski waren in der Zeit des sozialistischen Regimes im Untergrund tätig, waren Teil der Solidarnosc-Bewegung.

Doch war die PO bemüht, mit der Zeit mehr in die Mitte des politischen Spektrums zu rücken. Sie gibt sich auch wirtschaftsliberaler und unternehmerfreundlicher als die Kaczynski-Partei, die in großen Teilen einen paternalistischen Sozialstaat bevorzugen würde.

Gemäßigter zeigte sich die PO auch in der Außenpolitik, wo sie zwar ebenfalls immer wieder auf polnische Interessen pochte, doch offenen Streit mir Russland oder Deutschland mehr scheute als PiS. Mit einem Präsidenten Komorowski könnten die anderen Staatschefs daher wohl einfacher reden als mit einem Präsidenten Jaroslaw Kaczynski, der schon auf den Politikstil des letzten Präsidenten - seines bei einem Flugzeugabsturz umgekommenen Zwillingsbruders Lech Kaczynski - großen Einfluss hatte.

Doch der Ausgang der Stichwahl ist offen. Beide Kandidaten werben derzeit um die Stimmen der Linkswähler, die beim ersten Mal für Grzegorz Napieralski, den Vorsitzenden des Demokratischen Linksbündnisses (SLD), votiert hatten. Immerhin geht es um fast 14 Prozent der Stimmen, die Napieralski am 20. Juni erhalten hatte. Kaczynski etwa deklarierte, dass er die Linke künftig nicht mehr "Postkommunisten" schimpfen werde - und als Beschimpfung war das bei ihm sehr wohl gemeint. Der SLD-Vorsitzende selbst gab jedenfalls keine Wahlempfehlung ab.

Es wird ein knappes Rennen. Doch wer am Sonntag siegt, wollen mittlerweile einige renommierte Umfrageinstitute gar nicht vorhersagen. Ihre Prognosen haben sich in Polen nämlich schon öfters als falsch erwiesen.