Es ist ein alter Hut und eine der Gebetsmühlen von Ärzten: Bewegung im Freien erhält und fördert die Gesundheit. Bewegung kurbelt Kreislauf und Stoffwechsel an, stärkt Herz, Muskeln, Abwehr und Knochen. Gleichzeitig bewirkt der | UV-B-Strahlenanteil des Tageslichtes, dass in der Haut genügend Vitamin D produziert wird. Vitamin D hat einen wichtigen Einfluss auf die Regulation des Kalziumstoffwechsels und damit eine wichtige Bedeutung für das Knochensystem.
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Trotzdem ist es für Wissenschaftler noch immer eine Herausforderung zu ergründen, warum und wie das Zusammenspiel von Bewegung und Vitamin D den Knochenaufbau und seine Regeneration fördert. Versteht man nämlich die grundlegenden Prozesse, kann man sie möglicherweise für die Behandlung der Volkskrankheit Osteoporose (Knochenschwund) oder zur beschleunigten Heilung von Knochenverletzungen und Brüchen nutzen. Dazu blicken die Forscher inzwischen in das Innere der Knochenzellen hinein, die in der Lage sind ein Gewebe zu bilden, das bei sechs Mal geringerem Gewicht die Stabilität von Stahl erreicht.
Dem molekularen Puzzle bei der Erforschung der Knochenzellen hat jetzt Dr. Sandra Maier am Institut für Humangenetik der Universität des Saarlandes ein wichtiges Teilchen hinzugefügt. Grundlage ihrer Arbeit war die schon seit langem bekannte Erkenntnis, dass die Knochenbildungszellen (Osteoblasten) zu wachsen beginnen, wenn sie gedrückt oder gedehnt werden.
Osteoblasten scheiden die Knochengrundsubstanz aus und wandeln sich später in Osteozyten um, die in die Grundsubstanz eingeschlossen werden. Das Wachstum der Knochenbildungszellen als Folge von mechanischem Stress sollte eigentlich sichtbare Spuren hinterlassen und zu Veränderungen in der Proteinzusammensetzung der Osteoblasten führen, dachte sich Maier. Dazu isolierte sie zunächst in "unbehelligten" Osteoblasten sämtliche Proteine und verglich anschließend deren Menge mit den Werten aus gezielt mechanisch gestressten Knochenbildungszellen.
Dabei zeigte sich, dass durch den Reiz bestimmte Gene aktiviert werden, wie das Annexin II-Gen, wodurch das Kalzium bindende Protein Annexin II hochreguliert wird. Dieses wird in der Zellmembran eingelagert und ist dann am Wachstum der Knochenzellen beteiligt. Die Mitarbeiterin aus der Arbeitsgruppe der Unfallchirurgen Prof. Wolf Mutschler und Dr. Rainer Hanselmann und des Humangenetikers Prof. Cornelius Welter ging aber noch einen Schritt weiter und untersuchte, was mit den gewachsenen Zellen passiert, wenn sie zusätzlich noch mit Vitamin D "gefüttert" werden.
Dabei zeigte sich, dass das Vitamin D mit dem in der Zellmembran eingelagerten Annexin II-Protein eine Wechselwirkung eingeht und dies die Zelle noch weiter wachsen lässt. Diese Erkenntnis hat möglicherweise unterschiedliche Bedeutungen. Welter: "Bereits heute wird versucht, schlecht heilende Knochenbrüche mit Ultraschall-Bestrahlung oder Stoßwellen zu behandeln. Der damit auf die Knochensubstanz wirkende mechanische Reiz soll die Knochenzellen zum Wachsen anregen. Denkbar wäre, dass dies mit zusätzlicher Gabe von Vitamin D noch besser gelingt." Vorstellbar wäre auch, die Produktion von Annexin II zu fördern, damit Osteoblasten noch attraktiver für Vitamin D werden.
In jedem Fall hat die jetzt mit dem Wissenschaftspreis der Stadt Homburg bedachte Arbeit von Dr. Sandra Maier gezeigt, dass Knochenzellen gewissermaßen Druck brauchen. Da bewegte Muskulaturen eben diesen ausüben heißt es: Bewegung ist wichtig für eine gute Knochensubstanz.