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Koalition beendet Gesundheitsstreit

Von WZ-Korrespondent Markus Kauffmann

Europaarchiv

Kernstück Gesundheitsfonds auf 2009 verschoben. | Kritik bei Opposition und Gewerkschaften. | Berlin. "Fauler, vermurkster Kompromiss", "Entmündigung der Patienten", "Einigung auf kleinstem Nenner": Mit diesen Etiketten versahen die Grünen, die FDP und der Gewerkschaftsbund die Einigung der Koalition zur Gesundheitsreform, die in der Nacht zum Donnerstag nach rund sieben Stunden zäher Beratungen erzielt worden war. Die Krankenkassen lehnten den Kompromiss als untauglich ab und warnten vor Beitragserhöhungen.


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Auch in der Koalition hatte das Vorhaben heftige Debatten ausgelöst. Nach dem Streit sieht das Ergebnis im Wesentlichen so aus wie vor dem Streit, nur dass Kernstücke der Reform um ein halbes Jahr verschoben werden und erst Anfang 2009 in Kraft treten. Weniger schmerzliche Umstellungen sollen wie geplant im kommenden April starten.

Um zwei Uhr früh waren Kanzlerin Angela Merkel, SPD-Chef Kurt Beck und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) vor die Journalisten getreten, um zu verkünden, woran in den letzten Wochen keiner mehr glauben wollte: "Wir haben uns geeinigt; es ist ein vertretbarer und guter Kompromiss." Unter dem Vorbehalt, dass der endgültige Gesetzestext die politische Einigung im Detail widerspiegle, beeilte sich Stoiber zu ergänzen.

Wenig später zeigte sich Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) überglücklich, lobte die Einigung als "große Reform" mit sehr weitreichenden Strukturänderungen. Die Finanzströme würden in Zukunft transparenter. Mit der Verschiebung des Gesundheitsfonds sollen die Kassen ausreichend Zeit erhalten, sich zu entschulden und vorzubereiten.

Zustimmung der Länder

Die aufmüpfigen Länderfürsten, von Hessen über Thüringen und Sachsen-Anhalt bis Bayern, signalisierten Zustimmung. Noch in der ersten Oktoberhälfte sollen sich die Koalitionsfraktionen mit der Materie befassen. Am 25. Oktober soll das Bundeskabinett das Gesetz zur Gesundheitsreform endgültig beschließen. Bei der SPD-Linken wird es vermutlich einige Abweichler geben, Fraktionsvorsitzender Peter Struck rechnet aber mit einer ausreichenden Mehrheit.

Wie groß und tiefgreifend die Reform nun tatsächlich ist, wird die Zukunft zeigen. Die Streitpunkte sind ausgeräumt: Es bleibt beim Gesundheitsfonds, es bleibt bei der Zuzahlungsgrenze von einem Prozent des Monatsbezuges, die private Krankenversicherung bleibt erhalten. Auch das Problem, wie weit reichere Kassen den ärmeren unter die Arme greifen müssen, wurde entschärft und zeitlich gestreckt.

Im Unterschied zu den meisten anderen Reformen gibt es sogar Leistungsverbesserungen. So werden Kinder beitragsfrei mitversichert, ältere Menschen besser betreut und der Wechsel zu günstigeren Kassen wird erleichtert.