Das Verhältnis zwischen Tschechien und Österreich war oft kein leichtes. Nun wollen beide Seiten näher zusammenrücken.
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Wien/Prag. Die Fahrt von Wien nach Prag mit dem Auto kann sich in die Länge ziehen. Denn kurz nach Schrick im Weinviertel endet die Autobahn abrupt und die Fahrer sind bis ins mährische Brünn auf Bundes- und Landstraßen unterwegs. Erst dort fängt die Autobahn wieder an. Dass es fast 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und rund zehn Jahre nach dem Beitritt Tschechiens zur EU noch immer keine direkte Autobahnverbindung zwischen Wien und Prag gibt, hat verschiedene Gründe, die auch mit der Finanzkrise und Anrainersorgen zu tun haben. Gleichzeitig sind die Landstraßen aber zum Symbol dafür geworden, dass die Beziehungen zwischen Tschechien und Österreich oft nicht die besten waren und die Zusammenarbeit oft nur schleppend voranging.
Damit soll jetzt aber Schluss sein, die beiden Nachbarländer wollen ihre "Beziehungen dynamisieren", wie es aus dem österreichischen Außenministerium heißt. Startschuss dafür soll der Besuch des tschechischen Außenministers Lubomir Zaoralek bei seinem Amtskollegen Sebastian Kurz heute, Donnerstag, in Wien sein. Gegenseitige Konsultationen sollen verstärkt werden, oder, wie es ein Diplomat ausdrückt: Anstatt dass sich beide Seiten alle paar Jahre erklären, warum sie mit dem Autobahnbau nicht vorankommen, sollten sie solche Projekte mit einem konkreten Zeitplan vorantreiben.
Auch auf anderen Ebenen ist von bisher nicht genutzten Potenzialen die Rede. Ziel sei etwa auch, bei der Industriepolitik enger zusammenzuarbeiten, sagt ein außenpolitischer Vertreter Tschechiens. So ist etwa die österreichische Stahlindustrie ein wichtiger Zulieferer für die Skoda-Autowerke in Tschechien.
Temelin als Störfaktor
Zudem könnten sich die beiden Seiten bei europapolitischen Themen stärker koordinieren, ein Diplomat spricht hier von einer "Koalition der Vernunft". Eine bessere Abstimmung hilft, um EU-Finanzhilfen für grenzüberschreitende Projekte besser zu lukrieren. Und freilich nützt es kleineren Staaten auch, wenn sie sich zusammenschließen, um im Konzert der EU-Staaten mit Schwergewichten wie Deutschland stärker gehört zu werden.
Das alles ist aber noch Zukunftsmusik, und es stellt sich die Frage, warum das Potenzial in den österreichisch-tschechischen Beziehungen, von dem jetzt die Rede ist, nicht schon früher genutzt wurde. Das lag zum Teil daran, dass die politischen Verhältnisse in Tschechien recht instabil waren. So stürzte etwa vergangenes Jahr die Mitte-Rechts-Regierung von Premier Petr Necas mitten in ihrer Legislaturperiode über eine Korruptions- und Abhöraffäre. Auf höherer Beamtenebene wird in so einem Fall zwar weitergearbeitet, aber die Prozesse verzögern sich.
Nun ist ein heterogenes Bündnis aus Sozialdemokraten, der Partei ANO des Milliardärs Andrej Babis und Christdemokraten in Prag an der Macht. Es ist mit dem Versprechen angetreten, endlich für Stabilität in der turbulenten tschechischen Politik zu sorgen.
Als größter Störfaktor erwies sich aber immer wieder das Kernkraftwerk Temelin, das für diplomatische Verstimmungen und, auf österreichischer Seite, für Grenzblockaden und wütende Proteste sorgte. Viele Österreicher sorgten und sorgen sich um ihre Sicherheit. In Tschechien wird der Konflikt anders gesehen: Österreich habe kein Recht, Tschechien vorzuschreiben, wie es seine Energie bereitstellt. Zwar findet in Sachen Temelin nun ein regelmäßiger Informationsaustausch zwischen den beiden Ländern statt, und beide Staaten wollen sich von ihren unterschiedlichen Ansichten zur Energiepolitik nicht von ihrer Kooperation abhalten lassen. Eine erneute Belastungsprobe könnte aber bevorstehen: Denn in Tschechien wird überlegt, das AKW um zwei weitere Reaktoren auszubauen. Entschieden wird das nach dem Gesichtspunkt, ob der Ausbau rentabel ist. Wenn es so weit kommen sollte, könnte es in Österreich erneut Proteste setzen.