Bis zum Herbst 2019 soll die längerfristige Finanzierung der Betreuung geklärt werden. | Experten warnen vor einer Erhöhung der Lohnnebenkosten durch eine Versicherung.
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Wien. In Österreich wächst die Gruppe älterer, pflegebedürftiger Menschen. Mehr als 450.000 Menschen beziehen derzeit bereits Pflegegeld. Die Zahl der über 80-Jährigen wird nach Prognosen von 437.000 auf knapp 1,2 Millionen steigen. Vor diesem Hintergrund und angesichts der rasant steigenden Kosten für die Pflege nimmt sich die Bundesregierung jetzt rascher als geplant dieses Problems an.
Heute, Mittwoch, wird im Ministerrat der Startschuss für einen "Masterplan" zur Pflege gegeben. Bis zum Herbst kommenden Jahres soll es nach Verhandlungen mit den Bundesländern Beschlüsse geben. Im türkis-blauen Regierungsabkommen hatte die Vorgabe im Abschnitt Pflege und Betreuung noch geheißen, dafür sei "ein Modell bis zum Ende der Legislaturperiode zu entwickeln". Damit wäre Zeit bis 2022.
Koalitionspakt mit Bekenntnis zur Steuerfinanzierung
Bei der gemeinsamen Bilanzpressekonferenz mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache überraschte Bundeskanzler Sebastian Kurz (Bericht Seite 7) am Dienstag allerdings mit der ausdrücklichen Ankündigung, dass für die künftige Finanzierung auch eine Pflegeversicherung geprüft werde. Denn in ihrem vor einem Jahr abgeschlossenen Koalitionspakt haben ÖVP und FPÖ noch ein "klares Bekenntnis zur Steuerfinanzierung aus einer Hand" abgelegt. Damit solle garantiert werden, dass bei Pflege und Betreuung das Geld bei den Menschen ankommt. Das Modell der Steuerfinanzierung, eventuell mit zweckgewidmeten Steuern, bleibt für Kurz allerdings jedenfalls als Finanzvariante aufrecht.
Derzeit wird die Pflege aus Steuermitteln finanziert, dazu kommen private Kosten. Die öffentliche Hand wendet dafür gut vier Milliarden Euro auf, den größten Teil davon für Pflegegeld für rund 450.000 Bezieher. "Das System, das wir jetzt haben, halte ich für ein gutes": Ulrike Famira-Mühlberger, Expertin im Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), macht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" kein Hehl aus ihrer Präferenz für ein steuerfinanziertes Modell. Damit erfolge eine solidarische Finanzierung.
Hingegen halte sie eine Pflichtversicherung, die von Arbeitnehmern und Arbeitgebern vom Lohn gezahlt werde, für "keine so gute Lösung", weil dies zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten führe. Das gehe letztlich auf Kosten der Arbeitsplätze, das sei "aus ökonomischer Sicht keine gute Lösung".
In Deutschland gibt es seit 1995 eine eigene Pflegeversicherung. In diese werden 2,55 Prozent, bei Kinderlosen sogar 2,8 Prozent des Bruttolohns eingezahlt. Vereinfacht werden je nach Pflegegrad Leistungen mit Höchstsätzen ausbezahlt.
Kurt Schalek, Pflegeexperte der Arbeiterkammer, wendet gegen dieses Modell ein: "Das ist nur eine Teilkasko-Versicherung." Denn trotz Versicherung müssten Betroffene sehr hohe Eigenleistungen für Pflege aufbringen. Die Arbeiterkammer favorisiert klar die Steuerfinanzierung der Pflege. Mit einer Pflegeversicherung habe man "natürlich ein Problem", weil diese wieder über die Erwerbsarbeit finanziert werde.
Arbeiterkammer fordert Erbschaftssteuer
Schalek verweist darauf, dass mit dem Wegfall des Pflegeregresses seit heuer nicht mehr auf das Vermögen von Bewohnern von Pflegeheimen zurückgegriffen werde. Man trete dafür ein, in anderer Form Vermögen zur Finanzierung heranzuziehen. "Die Erbschaftssteuer ist definitiv die naheliegendste Variante", sagt er.