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Koalition stürzt ihren Premier

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik
Grindeanu (r.) wollte nicht mehr Handlanger Dragneas sein.

Der Streit innerhalb der Sozialdemokraten könnte Rumäniens Politik auf Monate hinaus lähmen.


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Bukarest. Zum ersten Mal hat in Rumänien eine Regierungskoalition ihren eigenen Ministerpräsidenten gestürzt. Grund dieser Tragikomödie sind die Justizprobleme des mächtigen Chefs der Sozialdemokratischen Partei (PSD), Liviu Dragnea: Er darf nicht selbst Regierungschef werden, weil er vorbestraft ist. Trotzdem will er die Regierung kontrollieren und erwirken, dass diese die Justiz schwächt, zumal er auch wegen Beihilfe zum Amtsmissbrauch vor Gericht steht. Deswegen hatte Dragnea im Jänner nach gewonnener Parlamentswahl den bis dahin kaum auffälligen PSD-Lokalpolitiker Sorin Grindeanu zum Regierungschef auserkoren, in der Überzeugung, dass dieser seine Marionette bleiben würde.

Doch zuletzt wollte Grindeanu diese Rolle nicht mehr erfüllen. Dragnea drückte es nun so aus: "Grindeanu ist nicht mehr er selbst". Deswegen wurde Grindeanu am Mittwoch gestürzt: per Misstrauensvotum im Parlament, auf Antrag von PSD und dem liberalen Koalitionspartner Alde.

Zunächst hatte es so ausgesehen, als sei Grindeanu Dragneas Werkzeug. Kaum im Amt, erließ er im Jänner eine Eilverordnung, die die Strafverfolgung des Amtsmissbrauchs erschweren sollte - zugeschnitten auf Dragneas aktuell laufendes Strafverfahren. Nach wochenlangen Massenprotesten im ganzen Land zog Grindeanu diese Verordnung zurück.

Plötzliche Emanzipation

Dragnea gab aber seine Versuche, dennoch Regierungschef zu werden, nicht auf. Der ihm treue Ombudsmann für Bürgerrechte, Victor Ciorbea, klagte zu Dragneas Gunsten vor dem Verfassungsgericht: Er focht das Gesetz an, das Vorbestraften den Zugang zu Regierungsämtern verbietet. Dieser Versuch ging schief, das Gericht erklärte diese Regelung für verfassungskonform. Hinzu kam, dass Grindeanu sich weigerte, die Lockerung des Strafrechts durch eine neue Eilverordnung doch noch auf den Weg zu bringen.

Damit war für Dragnea das Maß voll. Um einen Vorwand zum Sturz Grindeanus zu schaffen, warf er Grindeanu vor, das Regierungsprogramm nicht erfüllt zu haben. Die meisten Vorwürfe bezogen sich aber auf Punkte, deren Umsetzung sowieso frühestens 2018 geplant waren. Trotzdem ließ Dragnea verlauten, Grindeanu müsse zurücktreten. Dass es ihm in Wahrheit aber darum geht, die Justiz zu bremsen, signalisierte Dragnea am Mittwoch selbst in der Parlamentsdebatte: "Ist das der Weg, den wir weiter bis ins Unendliche gehen müssen, sodass dieses Land ein Gefangener von Kräften (der Justiz) bleibt, die sich nicht zur Wahl stellen?", fragte Dragnea rhetorisch.

Grindeanu hatte zunächst den Rücktritt abgelehnt und versucht, mit dem früheren PSD-Premier Victor Ponta (2012 bis 2015) eine ihm treue Regierung aufzubauen. Dass er ausgerechnet Ponta - der auch im Visier der Justiz steht - zum Mitstreiter machte, kostete ihn einige Sympathien.

Vor der Entscheidung im Parlament ergriff Dragnea Vorsichtsmaßnahmen gegen befürchtete Verräter in den eigenen Reihen: Um die Ungarn-Partei UDMR auf seine Seite zu bringen, bot er ihr an, blitzschnell ein seit zehn Jahren diskutiertes Gesetz zu Minderheitenrechten durchzusetzen. Damit löste Dragnea einen parteiübergreifenden Aufschrei unter Nationalisten aus. Dieser Plan wurde daraufhin aufgeben. Nun trat Maßnahme Nummer zwei in Aktion: PSD und Alde beschlossen, dass die Abstimmung zum Misstrauensantrag offen, mit gut sichtbaren weißen und schwarzen Kugeln stattfinden soll. Aufpasser beider Parteien wachten neben den Urnen darüber, ob ihre Abgeordneten brav gegen Grindeanu stimmen. So kam es zum erdrückenden Votum: 241 Stimmen für den Misstrauensantrag, zehn Gegenstimmen.

Präsident am Zug

Damit ist der Weg frei für den nächsten Akt: Der bürgerliche Staatspräsident Klaus Iohannis muss dem Parlament einen Kandidaten für das Amt des Premiers vorschlagen - der nicht unbedingt aus PSD oder Alde stammen muss, denn keine dieser Parteien hat separat die absolute Mehrheit. Setzen sich zwei Personalvorschläge von Iohannis im Parlament nicht durch, gibt es vorgezogene Neuwahlen, die Politik und Entwicklung in Rumänien monatelang blockieren können.