EU-Weiser Dehaene besorgt über Europawahlen. | Brüssel. Das Nein der Iren zum Lissabonner Vertrag könnte fatale Auswirkungen auf die Europawahlen im Juni 2009 haben. Aufwind für eine "Koalition von linken und rechten Populisten", die wohl mit einigem Erfolg gegen den Vertrag und die europäische Integration wetterten, befürchtet der EU-Weise Jean-Luc Dehaene.
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Diese Kräfte hätten in letzter Zeit an Einfluss gewonnen. So haben etwa gerade erst in Österreich die rechten EU-Skeptiker von der FPÖ und das kaum moderatere BZÖ massive Stimmenzuwächse erhalten. In Deutschland gewinnt "Die Linke" mit populistischen Parolen seit Jahren an Gewicht. Der Führer der erfolgreichen irischen Nein-Kampagne, Declan Ganley, hat darüber hinaus eine europäische Vernetzung seiner Propagandamaschinerie mit EU-Skeptikern in ganz Europa avisiert.
Dabei warne er jene, die grundsätzlich auf ein Referendum zur Ratifizierung des Lissabonner Vertrags drängten, so der frühere belgische Premierminister, der heute Europaparlamentarier ist: Wer die Ratifizierung durch die Parlamente als "nicht demokratisch" bezeichne, "stellt die parlamentarische Demokratie (wie sie in allen EU-Ländern existiert, Anm.) als solche in Frage."
Hoffen auf Irland II
Am Beispiel Irland werde darüber hinaus klar, warum Referenden eben gerade nicht geeignet seien: Die Regierung "erhält nicht die Antwort auf die gestellte Frage, sondern viele Antworten auf andere Fragen." So stimmten viele Iren mit Nein, weil sie etwa die verpflichtende Teilnahme an einer EU-Armee oder die Einführung der Abtreibung auf der grünen Insel fürchteten. Beides waren Themen der Nein-Kampagne, obwohl sie nichts mit dem Reformvertrag zu tun hatten, so Dehaene.
Da Irland den Weg des Referendums aber eingeschlagen habe, könne nur glaubwürdige Überzeugungsarbeit und ein rascher zweiter Anlauf eine "versteckte Abstimmung über den Reformvertrag" abwenden, sagte Dehaene, der dem Weisenrat für den EU-Verfassungsvertrag vorsaß. Den Iren müsse etwa klar gemacht werden, dass ein zweites Nein, entgegen der Ratifizierung des Vertrags in allen anderen Mitgliedsstaaten nicht ohne Folgen für Irland bleiben werde, mahnte er.
Spätestens für den EU-Gipfel im Dezember hoffe er auf einen klaren Vorschlag der irischen Regierung für einen Zeitplan zu einem neuerlichen Referendum rechtzeitig vor den Europawahlen. Das wird in Diplomatenkreisen allerdings für unwahrscheinlich gehalten: Mit einem positiven Ergebnis sei auch wegen der gegenwärtigen Finanzkrise in den nächsten Monaten nicht zu rechnen, der Vertrag wäre endgültig tot.