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Koalitionäre Frischzellenkur vor der Sommerpause

Von Clemens Neuhold

Politik

Regeln gegen Steuerbetrug beschlossen, zwei Kommissionen für Steuerreform und Deregulierung starten.


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Wien. Im Auge des koalitionären Sturms der vergangenen Wochen werden nun rechtzeitig vor dem Sommer Good Vibes verbreitet. Die Rede ist vom Finanzministerium. Dort sitzt jener Mann, der die SPÖ-Begehrlichkeiten nach Millionärssteuern vehement zurückweist: ÖVP-Finanzminister Michael Spindelegger. Im Boulevard tauchte wegen des Hickhacks schon das N-Wort (Neuwahl) auf, doch nun steht das S-Wort (Sommer) im Vordergrund.

Zwar ist der Steuerstreit nicht vom Tisch, er liegt vielmehr genau dort - am Tisch der Abgabenreformkommission. Und das bis Dezember. Genug Zeit also, um die Wogen zu glätten. Die Kommission tagt ab heute, Freitag, zum ersten Mal und soll bis Winter eine Entscheidungsgrundlage für eine Steuerreform präsentieren, die dann bis Juni 2015 beschlossen werden soll.

Morgen sitzen Politiker mit am Tisch, über den Sommer ziehen sich die Politiker dann zurück und lassen die Experten in Ruhe arbeiten. Viel mehr als ein Zeitplan und ein Startschuss sind von der ersten Sitzung, die vom Steuersektionschef im Finanzministerium, Gunter Mayr, geleitet wird, nicht zu erwarten.

Die SPÖ setzt bei ihren Experten voll auf die Expertise der Arbeiterkammer. Diese fährt seit Jahren eine Gerechtigkeitskampagne und hat entsprechend viel Material und Fachwissen im SPÖ-Kampfthema Millionärssteuern angesammelt. Die ÖVP-Experten, die dagegen halten werden, rekrutieren sich aus dem Umfeld der Raiffeisen, der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer. Dazu kommen auf beiden Seiten gänzlich unabhängige Experten.

Weiter weg von der politischen Frontlinie ist die zweite Kommission angesiedelt: die Deregulierungskommission. Sie soll der Regierung Sparvorschläge in der Verwaltung unterbreiten, konkrete Zielvorgaben gibt es von der Politik nicht. Im Unterschied zu grandios gescheiterten Reformkonventen in der Vergangenheit sollen diesmal im Vorfeld keine allzu großen Begehrlichkeiten geweckt werden.

Geleitet wird diese Kommission vom Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes, Rudolf Thienel, und seinem Vorgänger Clemens Jabloner. Unter den 14 Mitgliedern sind zwei Managerinnen, Sektionschefs wie der Chef des Bundeskanzleramtes, Manfred Matzka, plus vier Landesamtsdirektoren. Erste "Umsetzungsvorschläge" soll es binnen sechs Monaten geben. Positive Beispiele, an denen sich die - laut Ministerium unentgeltlich arbeitende - Kommission orientiert, sind die elektronische Verwaltung (E-Government) oder die Zusammenlegung der Bezirksgerichte.

In demonstrativer Einigkeit werden die beiden Kommissionen von den Koalitionskoordinatoren Josef Ostermayer (SPÖ) und Jochen Danninger (ÖVP) vorgestellt.

Recht harmonisch ging es auch bei der Verabschiedung der verschärften Regeln im Kampf gegen Steuerbetrug zu. Im Ministerrat wurde am Mittwoch beschlossen, dass Selbstanzeigen bei Betriebsprüfungen künftig nicht mehr ohne Geldbuße möglich sind.

Sagt ein Firmenboss bei der Prüfung: "Sorry, hinterzogen", zahlt er künftig je nach verkürzter Abgabenschuld zwischen fünf und 30 Prozent der Summe. Bisher mussten Selbstanzeiger lediglich Verzugszinsen bezahlen. Prinzipiell erspart sich der erstmalige Selbstanzeiger aber weiterhin ein Finanzstrafverfahren, in dem Haftstrafen bis zu zehn Jahren vorgesehen sind.

Umstritten war das Gesetz nicht. "Da wird unterstellt, dass alle Unternehmen Triebtäter sind", murrt ein Wirtschaftskämmerer anonym. Vielmehr sei insbesondere die Lohnverrechnung schon so aufwendig, dass Fehler vorprogrammiert seien. Trotzdem legte die ÖVP dem Projekt von SPÖ-Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl keine allzu großen Steine in den Weg. Entsprechend dankbar zeigte sich diese und unterstrich die Deeskalationslinie: "Für die rasche Kooperation bei der Umsetzung bedanke ich mich auch ausdrücklich bei Finanzminister Spindelegger."

Doch es wären nicht SPÖ und ÖVP, würde nicht an anderer Front weitergestichelt - im ganz alten Stil über Aussendungen aus der Parteizentrale: "Mit seiner Blockadehaltung in Sachen Steuerreform steht Spindelegger auf verlorenem Posten", schreibt der SPÖ-Geschäftsführer. Antwort ÖVP-Geschäftsführer: "Wann hören Sozialisten auf, den Menschen Sand in die Augen zu streuen?" Zeit für den Sandstrand.