Die türkis-grüne Stimmung ist abgekühlt. Beim Transparenz-Thema zeigt sich aber ein anderer als ein ÖVP-Grünen-Konflikt.
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Die Eröffnung hatte es durchaus in sich. Man habe "leider den Eindruck bekommen, dass die ÖVP ein gestörtes Verhältnis zur unabhängigen Justiz hat", sagte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer am Dienstag zum Auftakt der Pressekonferenz, in der sie verkündete, dass ihre Partei dem Misstrauensantrag der FPÖ gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) nicht zustimmen werde. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen den Minister wegen Verdachts auf illegale Parteienfinanzierung durch den Glücksspielkonzern Novomatic. Ein Beschuldigtenstatus ist keine Verurteilung, sagte Maurer weiter. Dass man darauf verzichte, dem Minister das Misstrauen auszusprechen, sei aber "nicht in Stein gemeißelt". Sollten sich Vorwürfe erhärten oder Blümel angeklagt werden, müsse er "sofort gehen", so die Klubchefin.
Ein grünes Ja zum Misstrauensantrag hätte wohl das Ende der Regierung bedeutet. Kritik am Koalitionspartner blieb dennoch laut. Ungewohnt laut für bisherige grüne Koalitions-Verhältnisse. Die Hausdurchsuchung bei Blümel sei "absolut gerechtfertigt" gewesen, sagte Maurer. Die ÖVP wolle die Behörde mit ihren Attacken aufgrund ihrer eigenen Nervosität in der Causa diskreditieren.
Konfliktlinie zwischen Bund und Ländern
Den Druck, unter dem die ÖVP aktuell steht, suchten die Grünen offenbar als Rückenwind für einen inhaltlichen Punktgewinn zu nutzen. Hatte die Partei doch Transparenz und Korruptionsbekämpfung stets als ihr zentrales Steckenpferd neben Umwelt- und Klimaschutz ausgegeben. Man werde in den kommenden Wochen ein Informationsfreiheitsgesetz und damit eine Abschaffung des Amtsgeheimnisses in Begutachtung schicken, sagte Maurer folgerichtig in der Pressekonferenz. Ebenso wolle man ein neues Parteienfinanzierungsgesetz auf den Weg bringen und die Aufsicht über die Glücksspielagenden aus dem Finanzministerium entflechten.
Aber was genau kündigte Maurer da an? Einen Alleinvorstoß der Grünen? Eine Retourkutsche an den Koalitionspartner nach dem Streit um die Abschiebung dreier Mädchen und ihrer Familien nach Georgien? Oder einen Deal im Hintergrund mit ein wenig Theaterdonner auf der Vorderbühne?
"Es gibt eine Einigung mit der ÖVP", heißt es aus dem Büro von Maurer zur "Wiener Zeitung". Die braucht es für den Vorstoß auch, denn zuständig für die Einbringung eines Gesetzesentwurfes ist aufgrund ihres Ressorts die türkise Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Dass es einen inhaltlichen Abtausch für das grüne Nein zum Misstrauensantrag gegeben habe, stellte Maurer am Dienstag in Abrede. Es habe "keine Junktime" gegeben, sagte sie.
Ein Informationsfreiheitsgesetz wurde bereits im türkis-grünen Regierungsprogramm festgehalten - und seit dem Sommer vielfach vorangekündigt. Warum es trotzdem noch nicht umgesetzt ist? "Wir bekämpfen gerade gemeinsam eine Pandemie", meinte ÖVP-Klubobmann August Wöginger am Dienstag. Parallel arbeite man die Punkte des Koalitionspapiers "Schritt für Schritt" ab.
Tatsächlich scheint es beim Informationsfreiheitsgesetz nicht an übermäßigen Divergenzen zwischen Türkis und Grün zu scheitern. Bei der Abschiebung der Schülerinnen im Jänner traten unvereinbare Standpunkte der Koalitionspartner beim Thema Asyl zutage, die man mit der Ausrufung einer "Kindeswohlkommission" aus dem Fokus kehrte, um die Koalition nicht zu gefährden. Beim Transparenzthema dürfte die akute Konfliktlinie dagegen weniger zwischen ÖVP und Grünen, als zwischen Bund und Ländern verlaufen.
Rot-Schwarz scheiterte mit gesetzlicher Umsetzung
Hintergrund: Bereits im Juni hatte ein runder Tisch zum Thema mit Vertretern der Gebietskörperschaften, der Höchstgerichte, des Rechnungshofs, der Medien und Zivilgesellschaft stattgefunden. Bald gab es einen ambitionierten Plan, noch im Sommer sollte der Entwurf in Begutachtung gehen. Doch der kam und kam nicht. In bilateralen Gesprächen zeigten sich vor allem schwere Bedenken von Ländern und Gemeinden, darunter auch zum personellen Aufwand, den ein Informationsfreiheitsgesetz für sie bedeuten würde.
Diese Bedenken galt es zu lösen, wären doch primär die Gebietskörperschaften für den Vollzug des Gesetzes zuständig. Im frühen Herbst kam man weit, aber nicht weit genug, dann schlief, auch Covid-bedingt, das Vorhaben wieder ein. Ab Dezember wurde innerhalb der Koalition weiterverhandelt - so auch am Dienstag. Eine "gute Runde" sei es gewesen, hieß es aus Verhandlerkreisen.
Weitere Runden sind aber nötig, auch mit der Opposition, denn für das Informationsfreiheitsgesetz muss das Bundes-Verfassungsgesetz geändert werden. Für die nötige Zweidrittelmehrheit sind also die Stimmen von SPÖ oder FPÖ nötig. Dass die Umsetzung der Informationsfreiheit zu weiterem Aufrieb in der Koalition führen könnte, ist indessen nicht ausgeschlossen. Auch Rot und Schwarz hatten ab 2013 jahrelang über ein entsprechendes Gesetz verhandelt - bis man letztlich an legistischen Details und Ausnahmeregelungen scheiterte.