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Koalitionärer Neustart gescheitert

Von WZ-Korrespondent Markus Kauffmann

Europaarchiv

Wulff verfehlte zweimal absolute Mehrheit in Bundesversammlung. | Schlag für Kabinett Merkel. | Berlin. Christian Wulff schaffte es nicht einmal beim zweiten Wahlgang. Der Kandidat der deutschen Regierungskoalition für das Amt des Bundespräsidenten erhielt zunächst nicht die nötige Mehrheit in der Bundesversammlung. Der dritte Wahlgang zog sich bis in die frühen Abendstunden.


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Doch eines war schon zuvor klar: Das von Union und FDP so dringend erhoffte Signal für einen fulminanten Neustart der Koalition ist spektakulär verfehlt worden.

Dass einige Delegierte der Koalitionsfraktionen nicht für Christian Wulff, sondern für Joachim Gauck stimmen wollten, war bereits im Vorfeld angekündigt worden. Politische Beobachter hatten die Zahl der Abweichler zwischen vier und dreizehn eingeschätzt. Tatsächlich fehlten dem Mehrheitskandidaten aber im ersten Wahlgang ganze 44 Stimmen aus dem eigenen Lager. Ein Schlag ins Gesicht für Kanzlerin Angela Merkel, deren Favorit damit nicht nur die erforderliche Mehrheit verfehlte, sondern auch eine persönliche Schlappe erlitt.

Allzu siegesgewiss hatten sich die Regierungsvertreter im Plenarsaal des Reichstags vor der Wahl gezeigt. Merkel und ihr Team trugen Optimismus zur Schau. Trügerischen, wie sich kurz darauf herausstellte und an der Leichenbittermiene der Kanzlerin abzulesen war. Zur absoluten Mehrheit von 623 Stimmen fehlten dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff immerhin 23.

Mehrere Wahlgänge waren dabei durchaus keine Seltenheit in den bisherigen 13 Bundesversammlungen. Fünf Wahlen wurden nicht im ersten Wahlgang entschieden, zwei sogar erst im dritten. Auch die Bundespräsidenten Theodor Heuss, Roman Herzog oder Johannes Rau benötigten zwei oder gar drei Urnengänge. Doch nach dem schlechten Start von Schwarz-Gelb sollte die

14. Bundesversammlung den psychologischen Befreiungsschlag für das Kabinett Merkel-Westerwelle bringen, das sich derzeit in einem Umfragetief befindet.

Pünktlich um 12 Uhr eröffnete Parlamentspräsident Norbert Lammert die Sitzung. In seiner Rede pries er die hohe Qualität des Grundgesetzes, das sich auch in schwierigen Situationen bewähre, wie sie durch den jähen Rücktritt Horst Köhlers entstanden sei. "Niemand von uns steht unter Denkmalschutz. Kritik muss sein", spielte er auf die Begründung Köhlers für dessen überraschenden Rückzug an.

Hommage an Gauck

Zwei Stunden später verkündete Lammert das Ergebnis des ersten Wahlganges: Gauck erhielt 499, Wulff 600 Stimmen. SPD und Grüne, die Gauck nominiert hatten, jubelten. Rechnet man jedoch genau nach, müssen wohl einige ihrer Delegierten gleichfalls von der Parteilinie abgewichen sein, denn die Kandidatin der Linkspartei erhielt mehr Stimmen (126), als sie Delegierte hat. Zudem waren zwei SPD-Abgeordnete erst gar nicht erschienen.

Das Ergebnis ist aber auch als Hommage an Joachim Gauck zu interpretieren. Der aus dem Osten stammende 70-jährige Pastor war Gründungsdirektor der Stasi-Unterlagenbehörde, die sich mit der Aufarbeitung des DDR-Spitzelsystems befasst. In seinem Habitus und seinen politischen Ansichten ist er ein Konservativer, auch wenn er sich selbst eher pragmatisch als über den Lagern stehend beschreibt. Gäbe es jedenfalls eine Direktwahl, läge Gauck in den Umfragen vorne. Wulff erhielt dann auch im zweiten Wahlgang keine absolute Mehrheit. Er kam auf 615 Stimmen, Gauck auf 490.

Rechtlich sind die Befugnisse des Präsidenten eher repräsentativ: Er vertritt den Bund völkerrechtlich und beglaubigt diplomatische Vertreter. Er hat auf Bundesebene das Begnadigungsrecht, kann aber keine Amnestie aussprechen. Ihm obliegen Gegenzeichnung, Ausfertigung und Verkündung der Bundesgesetze durch Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt. Er schlägt einen Kandidaten zum Bundeskanzler vor, ernennt oder entlässt ihn. Auch gehören die Ernennung und Entlassung von Bundesministern auf Vorschlag des Bundeskanzlers zu seinen Agenden, ebenso wie die Ernennung und Entlassung von Bundesrichtern oder Offizieren. Er kann den Bundestag nach dreimalig gescheiterter Kanzlerwahl oder einer gescheiterten Vertrauensfrage auflösen.