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ÖVP-Chef Mitterlehner macht baldige Steuerreform wahrscheinlicher. SPÖ hofft auf Bildungs- und ÖIAG-Reform.
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Wien. Neuwahlen wird es nicht geben. Bundeskanzler Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner für die ÖVP haben die Fortsetzung der Koalitionsregierung noch am Dienstag bestätigt. Mittlerweile ist die Regierungsumbildung aber größer geworden als eigentlich gedacht. Mit Alois Stöger wurde der Gesundheits- zum Infrastrukturminister, ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser Gesundheitsministerin. Der Rücktritt von Michael Spindelegger wird das Finanz- und vermutlich Wirtschaftsministerium neu besetzen. Faymann bekommt mit Reinhold Mitterlehner einen neuen Vizekanzler. Wer Finanzminister wird blieb am Dienstag noch offen.
Das wird sich - nach übereinstimmender Meinung von Polit-Beobachtern, aber auch befragten Regierungsmitgliedern - massiv auf das Arbeitsprogramm der Regierung auswirken.
Steuern, Bildung
Thema Nummer 1 ist natürlich die Steuerreform, sprich: die vom ÖGB initiierte Senkung der Lohnsteuersätze für Geringverdiener. Spindelegger wollte damit warten, bis der Schuldenstand Österreichs wieder zu sinken beginnt. Das dauert allerdings Jahre. So lange will die SPÖ, wollen aber auch viele ÖVP-Politiker nicht warten. "Wir müssen etwas tun, um die Konjunktur anzukurbeln", ist auch in ÖVP-Kreisen zu hören. "Die Lohnsteuersenkung würde die private Nachfrage ankurbeln, und das ist wichtig, um nicht noch stärker vom Export abhängig zu werden."
Nach der Kür von Reinhold Mitterlehner wird es - so die Einschätzung in der Volkspartei - möglich sein, die Steuerreform 2015 nicht nur zu beschließen, sondern auch umzusetzen. Das würde das Defizit mit großer Wahrscheinlichkeit kurzfristig erhöhen, da sie anfangs teilweise auf Pump gegenfinanziert werden würde. Allerdings ist es ebenfalls wahrscheinlicher geworden, dass dafür Vermögenssteuern (ab einer Million Euro, so der SPÖ-Vorschlag) eingeführt werden. Auch eine Erhöhung der Grundsteuer schwebt im Raum. Sie könnte allerdings - wie berichtet - verländert werden. Die Bundesländer scheinen sich mit diesem Gedanken anzufreunden.
In der ÖVP wird nun allgemein erwartet, dass die sogenannte "Westachse" stärker wird. Das würde in der Koalition auch bei der Bildungspolitik neue Impulse setzen. Von einem Ausbau der Ganztagsbetreuung bis hin zur gemeinsamen Schule der bis 15-Jährigen können sich die westlichen ÖVP-Politiker und Mitterlehner vieles vorstellen.
Industrie
Die Neubesetzung des Finanzministeriums könnte, so die Ansicht von Sozialpartnern beider Couleurs, den Knoten bei der ÖIAG auflösen. Die Industrie-Staatsholding soll eine neue Rolle erhalten, der sich bisher selbst erneuernde Aufsichtsrat abgeschafft werden. Eine Hoffnung, die auch die SPÖ hat. Sie bezeichnet die ÖIAG als Spielweise der Industriellenvereinigung. Vor allem die Art und Weise, wie zuerst die AUA und nun die Telekom Austria quasi aufgegeben wurden, erzürnt SPÖ-Wirtschaftspolitiker wie Werner Muhm. Auch Mitterlehner steht dem skeptisch gegenüber.
Mietrecht
Was im Herbst ansteht und auf alle Fälle von der Koalitionsregierung zu bearbeiten ist, ist eine Mietrechtsreform. Da in der ÖVP der Ruf nach einer Stärkung der "christlichen Werte" immer stärker wird und die SPÖ "leistbares Wohnen" sowieso versprochen hat, könnten bei den Richtwerten die mitunter recht schwierig nachzuvollziehenden Aufschläge reduziert und strikter definiert werden. Das soll die Mieten-Erhöhungen eindämmen.
Auch die - im internationalen Vergleich hohen - Maklergebühren könnten dabei neu festgesetzt werden. In Ländern wie Belgien etwa muss ausschließlich der Verkäufer einer Wohnung Gebühren an Makler bezahlen. In Österreich kassieren Makler auf beiden Seiten der "Marktteilnehmer".
Gesellschaftspolitik
Auch die Adoptions-Frage für homosexuelle Paare steht nun wieder auf dem Prüfstand. Auch hier gibt es in der ÖVP Stimmen, den gesellschaftlichen Gegebenheiten ins Gesicht zu blicken, zuletzt tat dies Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter.
Budget 2015 neu?
Kernpunkt bleibt aber die Steuerreform und deren Ausgestaltung. Gut möglich, dass die Änderungen im Steuerwesen insgesamt breiter angelegt werden und mehr umfassen als eine Senkung des Eingangssteuersatzes bei Lohn- und Einkommensteuer sowie Vermögenssteuern. Auch eine weitere Anhebung der Mineralölsteuer etwa wäre denkbar. Und im Gegenzug zur Verländerung der Grundsteuer könnten die Bundesländer auf ihren Anteil an der Bankenabgabe verzichten. Das würde den Bund von einem enormen Problem erlösen, da ab 2015 Teile der Bankenabgabe in einen europäischen Fonds fließen müssen. Sowohl auf SPÖ- als auch auf ÖVP-Seite gibt es jedenfalls Vorschläge, wie das Arbeitsprogramm erweitert werden könnte. Die wurden bisher nicht ernsthaft miteinander diskutiert. Und was das - von Spindelegger - vorbereitete Budget 2015 betrifft: Wenn die erwartete Wirtschaftserholung ausbleibt (und dafür gibt es derzeit mehrere Anzeichen, nicht nur die Ukraine-Krise), sind diese Zahlen ohnehin überholt und müssen neu aufgesetzt werden.