Christian Köberl führte das Naturhistorische Museum mit Bravour. Seine Ablöse stellt nicht nur ihn vor Rätsel.
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"Wiener Zeitung: Die Biologin Katrin Vohland übernimmt ab 1. Juni die Generaldirektion des Naturhistorischen Museums von Ihnen. Derzeit leitet sie am Museum für Naturkunde Berlin den Bereich "Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsforschung", hat aber noch nie ein Museum geführt. Karola Kraus soll gerade wegen ihrer Direktionserfahrung im Museum für Moderne Kunst in Wien wiederbestellt werden. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?Christian Köberl: Ich kann es mir nach logischen, objektiven Kriterien nicht erklären. Das Naturhistorische Museum hat in den letzten zehn Jahren einen ziemlichen Aufschwung erlebt. Wir haben die Besucherzahlen mehr als verdoppelt. Es ist gelungen, die Forschung drastisch zu steigern, weil ich das aktiv betrieben habe und mit wissenschaftlichen Entscheidungsträgern gut vernetzt bin. Die eingenommenen Gelder durch Forschungsprojekte und externe Mittel haben sich verfünffacht, die Medienpräsenz ist gestiegen. Unsere Ausstellungen, die auch gesellschaftlich relevante Themen aufgegriffen haben, hatten gute Resonanz - ob zum Artensterben, dem Geschäft mit dem Tod oder der Anthropologie des Krieges. In den Plänen, die die neuen Personen genannt haben, sehe ich nichts Anderes oder Neues. Sie sagen nur, dass sie noch mehr von dem machen wollen, was wir schon gemacht haben. Das finde ich wenig kreativ.
Kulturministerin Ulrike Lunacek hat betont, Sie hätten nichts falsch gemacht...
... aber sie hätte in der Frau aus Berlin eine moderne Museumsdirektion. Das kann ich nur dahingehend interpretieren, dass mein Alter und vielleicht auch andere nicht wissenschaftliche Kriterien ausschlaggebend waren. Vergleichen wir die Qualifikationen: Ich habe fast 500 peer-reviewte wissenschaftliche Publikationen und in den letzten Jahren, statt Urlaube zu machen, weiter geforscht und publiziert. Auf der Website in Berlin steht eine Anzahl von Publikationen, die die Dame hat, aber die sind bunt gemischt. Peer-reviewte Arbeiten, Vorträge und Berichte sind nicht sauber getrennt. Ich habe zehn Jahre lang erfolgreich ein großes Museum geführt, sie aber hat ein paar Jahre eine nicht besonders große Abteilung an einem anderen Museum geleitet, das 2019 um 100.000 Besucher weniger hat als unseres.
Mit Johannes Vogel, Generaldirektor des Naturkundemuseums in Berlin, gehörte Vohlands Vorgesetzter der Bestellungskommission an. Vogel soll sich für befangen erklärt und nicht mitgestimmt haben. Wurde dieser Interessenskonflikt sauber gelöst?
Wenn Herr Vogel vor dem Ende der Einreichfrist in die Kommission bestellt wird und sich erst danach herausstellt, dass sich eine seiner Mitarbeiterin für den Job beworben hat, hätte er sich sofort zurückziehen müssen. Wenn er das nicht tut, müsste das Ministerium umgehend einschreiten und ihn für ungeeignet für die Kommission einstufen, bevor diese ihre Arbeit aufnimmt. Stattdessen wurde am Ende des Auswahlverfahrens bekanntgegeben, dass er bei der letzten Abstimmung nicht mitstimmt. Interessanterweise erhielt ich bereits Anfang November, zwei Tage nach Ende der Bewerbungsfrist, eine - rückblickend sehr seltsame - Mail von Herrn Vogel, wonach ich eine Position in den USA angenommen hätte und damit die Position des Generaldirektors in Wien frei würde. Ich habe ihm nur geantwortet, woher er denn diese Gerüchte hätte, denn es war alles frei erfunden. Weiters gehörte auch der Kunsthistoriker Alfred Weidinger, seit 1. März Direktor des Oberösterreichischen Landesmuseums, der Kommission an. Er wollte einen Dinosaurierzahn für sein Museum, den unsere Paläontologen in Oberösterreich mit korrekten rechtlichen Grundlagen gefunden hatten, den ich ihm aber nicht gab. Danach vertrat er die Ansicht, das NHM entwickle sich unter meiner Führung rückwärts.
Das NHM-Kuratorium sieht die Entscheidung "mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Lachend deshalb, weil nach einem unzumutbar langen Prozess" eine Entscheidung getroffen wurde, "weinend, weil wir die Entscheidung, Herrn Prof. Dr. Christian Köberl nicht zu verlängern, sehr bedauern", gab es bekannt.
Es ist nicht klar, warum eine solche Entscheidung sechs Monate braucht und so spät kommt. Ein Haus dieser Größenordnung sollte nicht erst zwei Monate vor Amtsende neu besetzt werden. Das ist eine Missachtung gegenüber der Institution und gegenüber den handelnden Personen. Es spricht nichts dagegen, nach zehn Jahren das Haus neu ausrichten zu wollen, aber es wäre nett, wenn man das vorher weiß. Aber sechs Monate im Wesentlichen nur Versprechungen zu bekommen, damit dann aus dem Bauch heraus jemand von nicht-wissenschaftlichen Kriterien bestellt wird, leuchtet nicht ein.
Was werden Sie künftig tun?
Ich bin Professor an der Uni Wien und dort karenziert. Wenn die Personalstelle nach der Corona-Krise wieder besetzt ist, melde ich mich dort und bin noch mehr in Forschung und Lehre tätig. Abgesehen davon habe ich Aufgaben an der Akademie der Wissenschaften.