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Kohle fürs Herumlungern

Von Bernhard Baumgartner

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Die Linzer Studentin Nadja Pracher versteht die Welt nicht mehr. Dabei ist ihr für ihre Diplomarbeit ein hochinteressantes Experiment gelungen. Sie erfand eine Werbefirma, die Obdachlose mit Werbeaufschriften ausstattet. Diese bekommen Geld dafür, dass sie sozusagen als wandelnde Litfaß-Säulen in der Stadt herumgehen und auf Wunsch auch Werbebotschaften singen. Dafür gibts ein Honorar. Überwacht werden sie dabei mit einem GPS-Gerät. Auf Prachers Website "Rent A Homeless" wurde das als "innovative, intelligente und integrative Werbeform" angepriesen, die "den Werbeeffekt mit dem sozialen Aspekt verbindet".


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Was die Schein-Gründerin erschreckte, waren die Reaktionen auf das Projekt. Denn der einhellige Aufschrei bliebt zu ihrer Überraschung aus. Lediglich 37 Prozent der E-Mails und Postings, die sie bekam, waren ablehnend, 28 Prozent neutral und 35 Prozent positiv. Sechs Interessenten stellten sogar eine konkrete "Buchungsanfrage". Nur jeder Fünfte erkannte den Fake.

Das Ergebnis überrascht nicht. Es zeigt einerseits, wie weit der Spielraum ist, den wir heute bereit sind, der Werbung zuzugestehen. Und es zeigt andererseits, wie wenig wir Obdachlosigkeit verstehen. Motto: Wer herumlungert, kann auch arbeiten. Und wenn sich Arbeit und Müßiggang verbinden lässt: umso besser. Die Lektion, die uns Frau Pracher erteilt hat, ist sehr wertvoll: denn sie regt zum Nachdenken an.