Horst Köhler: "Unterstellungen und Mangel an Respekt." | Präsident des Bundesrates übernimmt vorübergehend Amt. | Es kam für alle überraschend: Am Montag Mittag erklärte Horst Köhler, der neunte Bundespräsident Deutschlands, seinen sofortigen Amtsverzicht. Als Begründung gab er in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz an, dass er sich missverstanden fühle. | Rücktrittserklärung im Wortlaut
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Die Unterstellung, er habe einen grundgesetzwidrigen Einsatz der Bundeswehr zur Sicherung von Wirtschaftsinteressen befürwortet, entbehre jeder Rechtfertigung und zeuge von mangelndem Respekt für das Amt.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik trat damit ein deutscher Präsident mitten in der Amtsperiode zurück. Heinrich Lübke hatte vor 42 Jahren zwar auch seinen Verzicht erklärt, aber erst zehn Wochen vor Ablauf der Amtszeit.
Nach dem Grundgesetz übernimmt nun der Bundesratspräsident kommissarisch die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten. So wird Jens Böhrnsen (SPD), seit 2005 Bürgermeister der Hansestadt Bremen und seit November des Vorjahres turnusgemäß Präsident des Bundesrates, erster Mann im Staat.
Auch der weitere Fahrplan ist geregelt: Die Bundesversammlung tritt spätestens 30 Tage nach der Erledigung des Amtes zusammen und wählt einen Bundespräsidenten, dessen Amtszeit unmittelbar nach der Annahme der Wahl beginnt.
Ein Interview mit Folgen
Köhler war in den letzten Tagen wegen seiner Äußerungen zum Einsatz der Bundeswehr heftig kritisiert worden. Nach seinem überraschenden Besuch der Truppe in Afghanistan hatte er erklärt, im Notfall sei auch "militärischer Einsatz notwendig, um unsere Interessen zu wahren". Wörtlich sagte er dem Deutschlandfunk in einem Interview: "In meiner Einschätzung sind wir insgesamt auf dem Wege, in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe, mit dieser Außenhandelsabhängigkeit, auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren - zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch negativ auf unsere Chancen zurückschlagen, bei uns durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern. Alles das soll diskutiert werden - und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg."
Von der Opposition und einigen Medien war dies als ein Tabubruch und Verstoß gegen den Geist des Grundgesetzes angeprangert worden. Obwohl Köhlers Äußerungen im Wesentlichen den Aussagen im Weißbuch der Bundeswehr von 2006 entsprachen. Der Vorwurf an den Präsidenten war, Wirtschaftskriegen im ökonomischen Interesse Deutschlands das Wort zu reden. Auch als sein Sprecher in der Vorwoche präzisierte, die Afghanistan-Mission sei nicht gemeint gewesen, half dies nichts mehr. Die ungewohnt scharfen Angriffe gegen ihn wertete Köhler schließlich nicht nur als Unterstellungen, sondern vor allem als Respektlosigkeit vor dem höchsten Amt im Staate.
Dies hat den seriösen und auf Würde bedachten Mann offenbar zu dem historisch einmaligen, aber auch sehr abrupten Schritt bewogen. Hinzu kommt, dass er der bisher einzige Präsident war, der vor seiner Wahl keine innenpolitische Karriere hinter sich hatte. Sein politisch eher unbedarfter Zugang zum Amt hat ihm aber auch Sympathien in der Bevölkerung eingebracht. So meinte sein interimistischer Vertreter Böhrnsen, als Bürger sei er traurig über den Rücktritt Köhlers.
Akzente in Afrika
Der im heutigen Polen geborene, damalige geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds Horst Köhler war von CDU/CSU und FDP als gemeinsamer Kandidat zur Wahl des Bundespräsidenten im Mai 2004 aufgestellt und fünf Jahre später wiedergewählt worden. Seine spektakulärsten Entscheidungen waren die Akzeptanz der absichtlich verlorenen Vertrauensfrage, die den Rücktritt von Kanzler Gerhard Schröder ermöglichte, sowie die lange Weigerung, den EU-Vertrag von Lissabon zu ratifizieren. Weiters verweigerte Köhler zwei Gesetzesbeschlüssen der großen Koalition - dem Flugsicherungs- und dem Verbraucherinformationsgesetz - aus verfassungsrechtlichen Bedenken die Zustimmung.
Einen klaren Akzent setzte der 67-Jährige durch seine zahlreichen Besuche auf dem afrikanischen Kontinent. Unter anderem übernahm er auch die Schirmherrschaft über die Aktion "Gemeinsam für Afrika", einen Zusammenschluss von 25 deutschen Hilfswerken und Non-Profit-Organisationen, deren Ziel die Verbesserung der Lebensverhältnisse in Afrika ist.