Mindestlöhne des alten Kollektivvertrags dürfen bei Betriebsübergang aber nicht unterschritten werden.
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Über Kollektivvertragsverhandlungen und den manchmal mühsamen Weg zur Einigung zwischen den Sozialpartnern wird in den Medien regelmäßig berichtet. In letzter Zeit wurde auch darüber diskutiert, ob ein Unternehmen den geltenden Kollektivvertrag durch Betriebsübergang "abschütteln" kann. Die einschlägigen arbeitsrechtlichen Regelungen sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.
Der Kollektivvertrag ist das zentrale Instrument der Sozialpartner, um für Entgelt- und sonstige Arbeitsbedingungen einen Mindeststandard festzulegen. Im Vordergrund steht daher der Schutz der Arbeitnehmer, da sich diese gegenüber dem Arbeitgeber im Allgemeinen in der schwächeren Verhandlungsposition befinden. Neben den Mindestlöhnen bzw. -gehältern enthalten Kollektivverträge regelmäßig Bestimmungen über Sonderzahlungen (13. und 14. Gehalt), Arbeitszeit und Überstundenzuschläge sowie Kündigungsfristen. Kollektivverträge wirken ähnlich wie Gesetze: Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen die darin festgelegten Regeln beachten und dürfen hiervon grundsätzlich nur zu Gunsten des Arbeitnehmers abweichen. Die Vereinbarung eines überkollektivvertraglichen Gehalts etwa ist also zulässig.
Auch nach seiner Beendigung gilt ein Kollektivvertrag für jene Arbeitnehmer weiter, die unmittelbar vor seinem Erlöschen von ihm erfasst waren (Nachwirkung). Die Rechtswirkung ist jedoch schwächer, weil nun das kollektivvertragliche Mindestniveau durch einzelvertragliche Vereinbarung unterschritten werden kann. Für nach dem Erlöschen neu eintretende Arbeitnehmer entfaltet der Kollektivvertrag hingegen keine Wirkungen.
Kollektivverträge werden grundsätzlich (nur) für eine bestimmte Branche abgeschlossen. Wechselt daher ein Arbeitnehmer zu einem Unternehmen einer anderen Branche, so gilt der dort einschlägige Kollektivvertrag. Zum Wechsel des Kollektivvertrags kann es jedoch auch durch Änderungen auf Seiten des Arbeitgebers kommen.
So wechselte die BA-CA im Jahr 2004 vom Sparkassenverband zum Bankenverband, beides Berufsvereinigungen mit freiwilliger Mitgliedschaft. Mit dem Verbandswechsel wollte die Bank vor allem die Geltung eines anderen Kollektivvertrags erreichen, da sie den Sparkassen-KV als zu beschwerlich empfand. Die darauf folgende Auseinandersetzung vor dem Obersten Gerichtshof entschied die BA-CA im Wesentlichen für sich, der KV-Wechsel war rechtens.
Auch ein Betriebsübergang kann zu einem Kollektivvertragswechsel führen. Beim Betriebsübergang ordnet das Gesetz einen automatischen Übergang der Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber des Betriebs an. Die betroffenen Arbeitnehmer erhalten also einen neuen Arbeitgeber. Unterliegt dieser keinem Kollektivvertrag, so gilt der Kollektivvertrag des alten Arbeitgebers für ihr Arbeitsverhältnis weiter. Gehört jedoch der neue Arbeitgeber einem (anderen) Kollektivvertrag an, so findet dieser auch auf die übernommenen Arbeitnehmer Anwendung. Vom alten Kollektivvertrag hat der neue Arbeitgeber dann nur das Mindestentgelt zu beachten.
Was gilt jedoch, wenn der Kollektivvertrag des Erwerbers im Zeitpunkt des Betriebsübergangs wegen vorheriger Kündigung bereits erloschen ist? Reicht die Nachwirkung des gekündigten Kollektivvertrags aus, um den Kollektivvertrag des alten Arbeitgebers zu verdrängen? Diese Fragen wurden von der Rechtsprechung noch nicht behandelt. In den Medien wurde hierzu in den letzten Wochen von kontroversen Stellungnahmen namhafter Kollegen berichtet. Nach den letzten Meldungen wird jedoch der Oberste Gerichtshof darüber nun doch nicht so bald zu entscheiden haben.
Andreas Tinhofer ist Rechtsanwalt und Partner bei MOSATI Rechtsanwälte (www.mosati.at)