Auch holländische Guerillera | Tanja Nijmeijer bei Gesprächen dabei.
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Bogota. Kurz vor dem Abflug der Verhandlungspartner in Richtung Norwegen ließ die kolumbianische Justiz noch einmal die Muskeln spielen. Mehr als 100 Landhäuser, Fincas und Luxus-Apartments der marxistischen Guerilla-Organisation Farc hat die Staatsanwaltschaft ins Visier genommen. Sie wird die wertvollen Immobilien der Guerilla-Fürsten beschlagnahmen, um damit Entschädigungszahlungen an die Opfer der Gräueltaten der Rebellen zu leisten.
Es ist eine Botschaft an die Rebellen. Die Regierung will nicht noch einmal die gleichen Fehler machen wie bei den bisher gescheiterten Verhandlungen mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens. Bereits 1987, 1991 und 2002 endeten die mit vielen Hoffnungen gestarteten Friedensverhandlungen in einem Fiasko.
Kolumbiens amtierender Präsident Juan Manuel Santos setzt auf eine Politik der Stärke. Vor zehn Jahren hatte der damalige Präsident Andres Pastrana den Farc-Rebellen die Kämpfe weitgehend eingestellt und sogar ein eigenes Rückzugsgebiet zu zugestanden. Sie dankten es auf ihre Weise: Sie gründeten in der "entmilitarisierten Zone" Terrorcamps, verlegten ihre Geiseln in das ihnen übertragende Territorium und sammelten neue Kräfte. Als die Guerilla während der Verhandlungen gar ein Flugzeug entführte, konnte Pastrana nicht mehr anders. Er brach den Friedensprozess ab.
Nun soll sich die Frage über Krieg und Frieden in Oslo entscheiden. Wieder einmal. Doch in Kolumbien ist von einer Euphorie nicht viel zu spüren. "Die letzten Jahrzehnte haben viel Misstrauen und Angst gesät", sagt der katholische Geistliche und Generalsekretär der Nationalen Versöhnungskommission, Dario Echeverri, in Bogota. Und trotzdem glaubt der gelernte Anwalt, dass diesmal etwas anders ist: "Es gibt auf
beiden Seiten einen wirklichen politischen Willen zu einer Einigung."
Die Farc schickt eine hochrangige Delegation, deren Mitglieder mehr als 150 Haftbefehle auf sich vereinen. Auch die holländische Guerilla-Kämpferin Tanja Nijmeijer (34) soll als Übersetzerin dabei sei, heißt es aus Guerilla-Kreisen. Sie gilt im Gegensatz zu den "alten Herren" der Farc als unverbraucht und nicht im Drogen- und Waffenhandel verstrickt und könnte das mediale Interesse auf sich ziehen.
Aus der Bewegung, die sich 1964 mit ehrenwerten Zielen aufmachte, um die rechtlosen Kleinbauern in ihrem Kampf für Land und Zukunft zu unterstützen, ist längst eine der lukrativsten Verbrecherkartelle Lateinamerikas geworden. Drogenhandel, Entführungen, Waffenschieberei - bei allem, was schnelles und leicht verdientes Geld bringt, haben die 9000 Männer und Frauen zählenden Farc-Rebellen in den vergangenen Jahrzehnten mitgemischt.
Drogen statt Ideologie
Als ihr Anführer Alfonso Cano vor knapp einem Jahr bei einem Militärschlag in der kolumbianischen Provinz getötet wurde, reagierte die aktuelle kolumbianische Studentengeneration mit Gleichgültigkeit. Die Studenten von heute sind aufgeklärt genug, das Geschäftsmodell der Farc als Drogenkartell erkannt zu haben. Zudem sind die Führungskräfte der Farc weit davon entfernt sind, das Charisma eines jugendlichen Che Guevara zu versprühen. Farc-Chef Timoschenko, der sich "ohne Arroganz und Groll" an den Verhandlungstisch setzen will, wirkt wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit.
Die kolumbianische Politikwissenschaftlerin Angelika Rettberg, die an der Privatuniversität de los Andes in Bogota Konfliktforschung lehrt, warnt vor übertriebenen Erwartungen: "Eine zentrale Frage wird sein, ob die Farc-Kommandanten, die in Oslo am Verhandlungstisch sitzen, auch die notwendige Autorität in den eigenen Reihen haben, die gefassten Beschlüsse durchzusetzen." Denn viele Farc-Führungskräfte sind längst entideologisiert, verdienen Millionen am Drogenhandel, sie haben viel zu verlieren.
Dass sich die führenden Rebellenköpfe überhaupt an den Verhandlungstisch setzen, hat einen einfachen Grund: Die mit neuester Militärtechnik ausgerüstete kolumbianische Armee ist mittlerweile in der Lage, auch das noch so sicher geglaubte Versteck im Dschungel aufzuspüren. Die gewaltlose Befreiung der Farc-Langzeitgeisel Ingrid Betancourt vor vier Jahren war der Beginn einer Reihe von Schlägen gegen die Guerilla, die ihre Wirkung nicht verfehlt hat. Mehr als ein Dutzend Farc-Kommandanten, unter ihnen Cano, fielen den gezielten Militärschlägen zum Opfer. Das jahrzehntelange Versteckspiel der Farc, die sich nach ihren Attentaten schnell in den Bergen oder den Dschungel unsichtbar machten, funktioniert nicht mehr.
In Oslo wird nun verhandelt. Wie kann eine Waffenruhe aussehen? Wie kann eine Integration der Guerilla in die politische Landschaft des Landes gelingen und vor allem: Wie kann die Farc aus dem Drogenhandel aussteigen. Die Guerilla will eine gerechte Landverteilung zum Gegenstand des Dialogs machen, um damit zu ihren ideologischen Wurzeln zurückzukehren. Dario Echeverri, Farc-Experte der kolumbianischen Kirche, schraubt die Erwartungen herunter: "Das sind keine Friedensverhandlungen, sondern Gespräche darüber, wie man endlich einen Ausweg aus dem Konflikt finden kann."