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"Kombilohn ist Kohlrabi"

Von Brigitte Pechar

Politik

Wolfgang Katzian, Vorsitzender der GPA-djp, will 1700 Euro Mindestlohn "mit geballter Kraft" durchsetzen.


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Wien. Die Gewerkschatf der Privatangestellten-Druck, Journalismus, Papier - mit 278.000 Mitgliedern Österreichs größte Einzelgewerkschaft - startet heute, Dienstag Abend, ihr Bundesforum. Vorsitzender Wolfgang Katzian stellt sich seiner zweiten Wiederwahl. Es wird wohl seine letzte Periode als GPA-djp-Vorsitzender sein. Inhaltlich dominieren am Mittwoch und am Donnerstag die schwierige Situation am Arbeitsmarkt und die Lohnpolitik. Für Asylwerber will die GPA den Zugang zum Arbeitsmarkt öffnen, allerdings die gemeinsame Linie des ÖGB nicht verlassen.

"Wiener Zeitung":Österreich hat derzeit eine Rekordarbeitslosigkeit: Mehr als 410.000 Menschen sind ohne Job - und die Aussichten für 2016 bleiben düster. Wo bleibt der Aufschrei der Gewerkschaft? Oder zwingt der Umstand, dass die SPÖ den Kanzler stellt, die Gewerkschaft zur Zurückhaltung?Wolfgang Katzian: Die Frage ist immer, welche Hebel gibt es zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Einen Massenprotest zu organisieren ist das eine; das andere ist aufzuzeigen, wo es Österreich selbst in der Hand hat, Maßnahmen zu setzen. Der einfachste Hebel ist das Wirtschaftswachstum. Liegt dieses deutlich über zwei Prozent, sinkt die Arbeitslosigkeit. Alle Wirtschaftsforscher sagen uns aber, dass das nicht der Fall sein wird - auch nicht, wenn die Kaufkraft steigt. Das wird dank der Lohnsteuerreform ab 1. Jänner der Fall sein, auch die höheren Gehaltsabschlüsse spielen hier eine Rolle. Aber das alles wird nicht ausreichen, um so hohe Wachstumsraten zu erzielen, dass die Arbeitslosigkeit gesenkt werden kann.

Gewerkschaft und Politik sind also hilflos?

Nein, wir müssen schauen, wie man große Investitionsprogramme anstoßen kann. Da hat es einen ersten richtigen Schritt gegeben durch den Arbeitsmarktgipfel der Regierung vorvergangene Woche. Wir brauchen aber auch Programme der EU - und damit meine ich nicht nur das von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angekündigte Programm zu Wachstum und Beschäftigung. Staaten, Regionen und Gemeinden müssen darüber hinaus in Bereichen investieren, die in die Zukunft gerichtet sind - in Kindergärten und Schulen -, und diese Investitionen müssen aus den strengen Fiskalregeln der EU herausgerechnet werden. Es ist ja paradox, dass in Zeiten, in denen das Geld aufgrund der geringen Zinsen faktisch umsonst ist, die Gebietskörperschaften nicht investieren können, weil es diese strengen Vorschriften gibt. Ein weiterer wichtiger Hebel ist die Frage der Arbeitszeitgestaltung. Ein Abbau der Überstunden, die Verkürzung der Arbeitszeit insgesamt sind wichtige Schritte; dazu gehört auch die Freizeitoption - statt Lohn- oder Gehaltserhöhung erhält man eine Freizeitgutschrift auf ein Konto -, die wir in einigen Kollektivverträgen bereits durchgesetzt haben, oder die sechste Urlaubswoche. All diese Maßnahmen - speziell die Freizeitoption und die sechste Urlaubswoche - haben positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Wenn es gelänge, die Überstunden nur zur Abdeckung von Auftragsspitzen oder zur Abdeckung von Unvorhergesehenem zu verwenden, wären ganz viele Arbeitsplätze zu schaffen. Derzeit liegt die Zahl der jährlich geleisteten Überstunden in Österreich bei 270 Millionen, 57 Millionen davon unvergütet. Alleine mit einem Drittel dieser unvergütet geleisteten Überstunden könnten rund 40.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.

All dies macht es für Arbeitgeber nicht attraktiver, mehr Jobs zu schaffen. Das Beispiel Frankreich zeigt, dass Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich nicht funktioniert. Fordern Sie eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich?

Arbeitszeitverkürzungen in der Vergangenheit haben immer so funktioniert, dass es keine Kürzung der Einkommen gegeben hat. Allerdings hat die Verkürzung dann bei den darauffolgenden Lohnrunden eine Rolle gespielt.

Wenn die Differenz zwischen arbeitslosem Einkommen und Arbeitseinkommen zu gering ist, fehlt bei vielen der Anreiz, Arbeit anzunehmen. AMS-Vorstand Johannes Kopf regt deshalb einen Kombilohn an, um Menschen aus der Mindestsicherung wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen. Sinnvoll?

Kombilohn ist Kohlrabi. Wenn die Differenz zwischen Mindestsicherung und den Mindestgehältern zu klein ist, müssen die Mindestgehälter hinauf. Das haben wir in den vergangenen Jahren auch getan. Wir haben uns vor fünf Jahren vorgenommen, 1300 Euro bei Vollzeit durchzusetzen. Wir sind jetzt mit einigen Ausnahmen bei 1500 Euro Mindestlohn. Der Gewerkschaftstag wird nun 1700 Euro Mindestlohn als nächstes Ziel beschließen. Da ist schon eine große Differenz zwischen Mindestsicherung und Mindestlohn. Zudem hat man ja in der Mindestsicherung schon alles aufgegeben: Erspartes, das Auto, - alles weg. Zudem ist es häufig so, dass viele in der Mindestsicherung eine Zuzahlung beziehen, weil sie in prekären Beschäftigungen zu wenig verdienen.

Bringt man Menschen mit geringer Qualifikation zu einem Mindestlohn von 1700 Euro in Arbeit?

Wenn wir von einem Mindestlohn von 1700 Euro sprechen, dann reden wir über 1250 Euro netto. Es soll mir einmal wer erklären, welcher Vollzeit-Job nicht mindestens 1250 Euro wert ist. Das ist doch eine Augenauswischerei: Die Gewinne steigen ins Exorbitante. Die Schere zwischen den großen Vermögen und den Masseneinkommen geht weiter auseinander. Und da will mir irgendwer erklären, 1700 Euro Mindestlohn brutto sind zu hoch. Da kann ich nur lachen. Das sind Zyniker, die mit unserer geballten Kraft rechnen müssen, wenn sie glauben, sie können uns mit dieser Forderung heimschicken.

Wie schaut die geballte Kraft der Gewerkschaft aus?

Wir werden das bei den Kollektivvertragsverhandlungen durchsetzen, so wie wir 1300 und 1500 Euro durchgesetzt haben.

Ab sofort?

Wir beschließen das am Mittwoch und werden das in den nächsten fünf Jahren umsetzen. es ist ein Unterschied, ob die Inflationsrate bei drei Prozent oder bei 1,1 Prozent wie jetzt liegt.

Sollte man zur Senkung der Lohnnebenkosten, die Massensteuern anheben?

Kommt gar nicht infrage. Massensteuern anheben heißt, die Masse der Leute hat weniger Kaufkraft. Die Wirtschaft hat die Senkung der Lohnnebenkosten bekommen: heuer zweimal 0,1 Prozent, vor kurzem wurden beim Arbeitsmarktgipfel weitere Lohnnebenkostensenkungen beschlossen. Die Wirtschaft hat genug bekommen. Jetzt schauen wir einmal, ob das Versprechen, dass Lohnnebenkostensenkung zu mehr Beschäftigung führt, tatsächlich umgesetzt wird. Da habe ich meine Zweifel.

Sind Sie mit der Performance der Regierung zufrieden?

Was die Steuerreform betrifft, ja. Was den Arbeitsmarktgipfel betrifft, sind einige Dinge drinnen, die uns weiterbringen. Für die Bildungsreform wünsche ich mir einen sehr großen Erfolg. Ich glaube, dass die Performance der Regierung besser ist, als dargestellt.