)
Schwedisch-lettischer Lohnkonflikt. | Entscheidung liegt beim Europäischen Gerichtshof. | Stockholm. (apa) Als vor gut einer Woche der EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy in Stockholm erklärte, die Kommission unterstütze eine lettische Baufirma in einem anhängigen Streit mit der schwedischen Baugewerkschaft vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), war die Aufregung groß. Die schwedische und dänische Regierung fragten sich, ob McCreevy das in ihren Ländern traditionelle Kollektivvertragssystem in Frage stellt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Schwedens Wirtschaftsminister Thomas Östros sandte einen bitterbösen Brief an McCreevy und drohte gar mit dem Entzug der Unterstützung seines Landes für die Dienstleistungsrichtlinie der EU.
In Lettland waren die Reaktionen entgegengesetzter Natur. Dort frohlockte Außenminister Artis Pabriks und verwies darauf, dass die Regierung in Riga die fragliche Baufirma, Laval un Partneri, von Anbeginn des Streits im Spätherbst vergangenen Jahres unterstützt habe.
McCreevy selbst verteidigte sich in einem Interview mit der schwedischen Nachrichtenagentur TT und dementierte, jemals von Schweden verlangt zu haben, das Land müsse sein Kollektivvertrags-System aufgeben. Dort werden die Mindestlöhne nicht gesetzlich, sondern vertraglich zwischen den Sozialpartnern geregelt.
Stein des Anstoßes ist der beim EuGH anhängige Konflikt zwischen Laval un Partneri und der schwedischen Baugewerkschaft Byggnads um die Löhne von lettischen Bauarbeitern auf einer Baustelle in Schweden. Obwohl Laval seinen aus Lettland mitgenommenen Arbeitern einen doppelt so hohen Stundenlohn wie in Lettland zahlte, waren die 85 Kronen (9,07 Euro) immer noch weit unter dem schwedischen Kollektivvertragslohn von 145 Kronen. Laval weigerte sich, mehr zu zahlen.
Byggnads blockierte daraufhin wochenlang die Baustelle, Laval klagte beim Arbeitsgericht in Stockholm, die Gewerkschaft bekam in einer einstweiligen Verfügung recht. Schließlich zog sich die lettische Firma wegen anhaltender finanzieller Verluste aus dem Bauvorhaben zurück. Davor hatte die Angelegenheit bereits auf beiden Seiten die Regierungen auf den Plan gerufen, da es in dem Streit auch um das prinzipielle Spannungsverhältnis zwischen nationalen Tarifregelungen und dem von der EU verbrieften Recht der Dienstleistungsfreiheit ging. Das schwedische Arbeitsgericht sah dies letzten Endes auch so und verwies den Streit an den EuGH.
Schwarzer Peter
Auch wenn McCreevy nun klar gemacht hat, dass er auf der Seite jener Kräfte in der EU steht, die eine weitgehende Deregulierung fordern - der Schwarze Peter bleibt dem EuGH. Entscheidet er für die Schweden, ist ihm der Zorn aller neuen EU-Mitglieder, in denen deutlich niedrigere Löhne als in den alten EU-Staaten bezahlt werden, sicher. Bekommt dagegen das lettische Bauunternehmen recht, dann unterhöhlt das die Systeme in jenen EU-Mitgliedsländern, in denen die kollektivvertraglichen Mindestlöhne nicht auf gesetzlicher Basis stehen.