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Kommission will zur Stärkung der Union EU-Verträge ändern

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Präsident Barroso plädiert für Föderation der Nationalstaaten.


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Brüssel/Straßburg. Von Krise war selbstverständlich auch die Rede. Aber gar nicht so viel. Vielmehr wollte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, als er vor die Europaabgeordneten in Straßburg trat, aufzeigen, wie die Gemeinschaft auf ihre aktuelle Misere reagieren sollte. Europa brauche eine Richtungsänderung, erklärte Barroso in seiner jährlichen Rede zur Lage der Union. Und diese neue Richtung könnten alte Ideen nicht vorgeben.

Völlig neu ist das Rezept des Präsidenten selbst allerdings auch nicht. Für mehr europäischen Zusammenhalt plädiert die Brüsseler Behörde nämlich immer wieder - was nicht zuletzt den Wunsch nach mehr Kompetenzen für ein zentrales EU-Gremium beinhaltet. Einen "Superstaat" fordere er jedoch nicht, versicherte Barroso: "Ich rufe zu einer Föderation aus Nationalstaaten auf."

Diese waren es auch, der so einige Kritik galt - verhaltene von Seiten des Kommissionspräsidenten und schärfere in der anschließenden Parlamentsdebatte. Treffen der Staats- und Regierungschefs dürften nicht einer Zusammenkunft im Boxring gleichen, befand Barroso. Und die Entscheidungen, die an einem Tag gefällt werden, sollten nicht gleich am nächsten hinterfragt werden.

Die Uneinigkeit der Länder, die entschlossene Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise und steigende Arbeitslosigkeit verhindere, griffen auch mehrere EU-Mandatare an. "Die Politik hat versagt", konstatierte etwa der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Hannes Swoboda. Die einzige Institution, die tatsächlich Schritte gesetzt habe, sei die Europäische Zentralbank gewesen.

Nicht zuletzt um deren künftige Rolle ging es denn auch in Barrosos Rede. Denn nach den Vorstellungen der Kommission soll die Zentralbank ausschlaggebend sein bei der Kontrolle aller Geldinstitute in der EU. Doch die gemeinsame Bankenaufsicht sei nur ein - wenn auch entscheidender - Schritt auf dem Weg zu einer Bankenunion, betonte Barroso. Systeme zur Abwicklung von Geldhäusern und zur Sicherung der Einlagen müssten folgen.

Wo bleibt Union der Bürger?

All dies soll dabei helfen, die Integration Europas stärker voranzutreiben, konstatierte der Präsident. Dafür seien auch Änderungen der EU-Verträge notwendig. Einen neuen Anlauf für eine Verfassung will Brüssel in den kommenden zwei Jahren unternehmen - obwohl ähnliche Pläne zuletzt an der Ablehnung in Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert sind. Rufe nach Vertragsänderungen gibt es aber auch schon aus Berlin, und Wien hat bereits für einen Konvent für die entsprechenden Vorarbeiten plädiert.

Das EU-Abgeordnetenhaus pocht darauf, in die Neugestaltung eingebunden zu werden. Alles andere "wird auf den energischen Widerstand des Parlaments stoßen", erklärte dessen Präsident Martin Schulz. Er ortet eine besorgniserregende "Tendenz zur Entparlamentarisierung".

Doch müssten auch die Bürger miteinbezogen werden, betonte der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Joseph Daul. "Unser wichtigstes Ziel ist, zu den Menschen hinauszugehen, zu erklären und zu überzeugen - auch wenn dies nicht einfach sein wird", sagte er.

Mehr Volksnähe verlangten auch der grüne Fraktionsvorsitzende Daniel Cohn-Bendit und sein liberaler Kollege Guy Verhofstadt. Die Föderation, die sich Barroso wünsche, gebe es nämlich schon, und zwar bei den Treffen der Staats- und Regierungschefs, stellte Verhofstadt fest: "Wir brauchen aber eine Union, die sich auf Bürger gründet."

Die Aussagen des früheren belgischen Ministerpräsidenten, der keineswegs ein EU-Skeptiker ist, zeigen, wie gespalten die Länder in der Frage sind, wie viel Macht Brüssel übertragen werden sollte. Staaten wie Großbritannien wehren sich vehement dagegen; andere befürchten Gruppenbildungen etwa in der Euro-Zone, was einige Länder an den Rand drängen würde. Manche aber können sich Barrosos Meinung anschließen: Eine politische Union müsse her.