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Kommt Ethik als Pflichtfach?

Von Heiner Boberski

Politik
Wer sich vom Religionsunterricht abmeldet, hat gegenwärtig Freizeit. Foto: kathbild

ÖVP und Kirchen befürworten eine rasche Einführung. | Evaluation am ORG Hegelgasse zeigte zufriedene Schüler. | Wien. Noch nie schien die allgemeine Einführung eines Ethikunterrichts in Österreich so greifbar nahe wie in diesem Frühjahr, ob und wie schnell er kommt, ist nun eine politische Frage, die mit dem Zustand der Regierung zu tun hat. Ende April räumte Unterrichtsministerin Claudia Schmied seitens der SPÖ dem Thema "keine unmittelbare Priorität" ein, im Mai deponierte Wissenschaftsminister Johannes Hahn für die ÖVP im Ministerrat den Wunsch, dass "so bald wie möglich" jene Schüler, die sich vom konfessionellen Religionsunterricht abmelden, verpflichtend einen Ethikunterricht besuchen sollen.


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Die Kirchen befürworten die rasche Einführung des Ethikunterrichts. Ein Vorschlag von SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser, den Ethikunterricht zu Lasten von Stunden des konfessionellen Religionsunterrichts einzuführen, wurde aber jüngst deutlich zurückgewiesen. Für die Katholische Kirche erklärte Christine Mann, Leiterin des Interdiözesanen Schulamtes, sie frage sich, "welcher Sozialdemokrat, ja welcher Demokrat überhaupt, kann es sich den wirklich wünschen, dass jene tiefgängigen sozialen Impulse, die den Religionen eigen sind und die weit über das hinausgehen, was sich politisch argumentieren lässt, in der Schule nur mehr reduziert zum Tragen kommen."

Auftrag der Schule

Ähnlich argumentierte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker, der den Ethikunterricht nicht in Konkurrenz zum Religionsunterricht sieht: "Der ausgezeichnete evangelische Religionsunterricht hat keine Konkurrenz zu fürchten." Es gehe vielmehr um den Auftrag der österreichischen Schule, um ein "grundsätzliches Verstärken der ethisch-religiösen Bildungsdimension". Man solle Ethik nicht gegen Religion ausspielen.

Vor die Wahl gestellt, Religionsunterricht oder eine Freistunde, wählten naturgemäß viele die einfachere Variante, meinte der Vorsitzende der Katholischen Hochschuljugend Österreichs, Simon Ebner.

Am Wiener Oberstufenrealgymnasium (ORG) Hegelgasse 12 wird bereits seit zehn Jahren "Kulturkunde - Ethik - Religionen" (KER) unterrichtet, das Schüler ohne religiöses Bekenntnis oder vom Religionsunterricht Abgemeldete besuchen müssen. Geleitet von Jutta Zemanek, Vizerektorin der Pädagogischen Hochschule Wien, erfolgte heuer im Frühjahr eine Evaluation und die Erstellung eines "Peer-Berichtes".

Michael Jahn, den Direktor der Schule, freut an diesem Bericht vor allem die hohe Zustimmung der ehemaligen Schüler zum Ethikunterricht sowie die sehr positive Annahme desselben durch die derzeitigen Schüler. Der Bericht zeigt positive Einflüsse auf das Schulklima auf: Statt interkultureller oder zwischengeschlechtlicher Konflikte herrscht ein "cooler Umgang untereinander" (Zitat einer Schülerin). Gab es früher Probleme mit Drogen und Alkohol an der Schule, Herumlungern während der Freistunden, wird jetzt eine "Verbesserung der Einstellung und des Benehmens" wahrgenommen. Zum Fach Religion gebe es ein "positives Konkurrenzverhältnis".

Ein Problem sei die Gruppengröße aufgrund zu geringer Werteinheiten, befindet der Peer-Bericht. In kleinen Gruppen sei der Unterricht weit effizienter. Es müsse daher "ein vorrangiges Ziel sein, KER ins Regelschulwesen zu überführen", dann würde die Zuteilung von Werteinheiten, und das Bilden kleinerer Gruppen leichter sein.