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Kommunikation dringend verbessern

Von Brigitte Pechar und Ina Weber

Politik

Buchinger hat Proteste in diesem Ausmaß nicht erwartet. | Länder müssen ihren Teil zur Mindestsicherung beitragen. | Pflege daheim so fördern, wie Pflege im Heim. | "Wiener Zeitung":Haben Sie eigentlich damit gerechnet, dass Sie sich schon in Ihren ersten Tagen als Minister vor den Wählern dermaßen rechtfertigen müssen oder hat Sie das überrascht?


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Die Proteste sind von mir in diesem Ausmaß nicht erwartet worden. Ich gebe zu, es gibt bei den Studiengebühren große Kommunikationsprobleme. Ich habe von dem Tel-Aviv-Modell eine Woche vor Abschluss erfahren und es für eine sehr gute Lösung gehalten. Ich finde, dafür gibt es keinen Rechtfertigungsbedarf. Man muss aber ein neues Regierungsprogramm so kommunizieren, dass es verstanden wird.

Sie übernehmen ein sehr abgeschlanktes Ressort: Der Arbeitsmarkt ist schon im Jahr 2000 an das Wirtschaftsministerium ausgelagert worden, jetzt kommt Ihnen auch noch der Bereich Familie abhanden. Wie stark ist der Sozialminister?

Das Sozialministerium hat jetzt zehn Prozent der Aufgaben abgegeben. So sehr ich das bedaure, so sehr kann ich sagen, dass mich die restlichen Agenden auch auslasten. Es ist auch ein Vorteil, dass ich mich um meine Kernaufgaben kümmern kann.

Was sind Ihre wichtigsten Ziele?

Ich habe drei gleichrangige Ziele: Die Neuregelung der Pflege, die Milderung der Härten der Pensionsreform und die Umsetzung der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Erste Ergebnisse soll es 2008, spätestens 2009 geben. Dazu braucht man Vereinbarungen mit den Ländern, denn diese müssen ja ihre Sozialhilfe auf 726 Euro pro Monat anheben. Das Gesamtprojekt der Mindestsicherung soll in vollem Umfang noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt sein. Die Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes auf diesen Betrag ist ja bereits beschlossen. Damit haben wir mit einem Schlag die Altersarmut in Österreich weggebracht. Wir sind damit eines von drei Ländern in der EU, die das verwirklichen.

Jemand, der 40 Stunden arbeitet, bekommt mindestens 1000 Euro brutto. Jemand, der gar nicht arbeitet, bekommt 726 Euro brutto. Das ist kein großer Unterschied. Befürchten Sie nicht, dass dadurch vor allem Menschen aus dem Mindeslohnbereich eher die Mindessicherung in Anspruch nehmen?

In der internationalen Literatur wird ein Abstand von 20 Prozent verlangt. In Dänemark beträgt der Lohnersatz 90 Prozent. Ich halte den Abstand bei uns im Wesentlichen für ausreichend. Entscheidend ist, mit welchen Förderungen und Forderungen das unterlegt ist, sodass sehr rasch der Weg zurück in den Arbeitsmarkt eingeschlagen wird. Die Mindestsicherung ist keine Einladung, außerhalb der Arbeit zu bleiben, sondern ein Sprungbrett in die Arbeit. Eine Hilfe dafür ist, dass - im Endausbau - Sozialhilfebetreuer auch vom Arbeitsmarktservice betreut werden. Dieser Weg ist sicherlich ein größerer Garant dafür, dass die Menschen wieder in den Arbeisprozess finden als die derzeitige Sozialhilfe.

Wie werden die Zumutbarkeitsbestimmungen konkret ausschauen?

Die verschärften Zumutbarkeitsbestimmungen bleiben erhalten.

Die Mindestsicherung hängt nicht zuletzt von dem Willen der Bundesländer ab. Wie wollen Sie die Länder überreden, da mitzuziehen?

Wir werden mit den Ländern intensiv verhandeln. Aber eines ist klar, wenn der Bund für seinen Teil 200 Millionen Euro pro Jahr in die Hand nimmt, dann ist es auch zumutbar, dass die Länder ihren Beitrag leisten. Selbst wenn die Länder 120 Millionen leisten müssten, wäre das immer noch ein Verhältnis 2:1.

Wie teilen sich die 200 Millionen Euro des Bundes auf?

118 Millionen kostet die Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes, 80 Millionen kostet die Erhöhung der Notstandshilfe. Wobei die Anhebung der Notstandshilfe erst 2008 wirksam wird, dafür braucht es nämlich Vereinbarungen mit den Ländern und somit eine legistische Vorlaufzeit. Zusätzlich gibt es 200 Millionen mehr für die Arbeitsmarktpolitik.

Wie ist das eigentlich, wenn jemand nur Anspruch auf 600 Euro Arbeitslosengeld hat, erhält er dann automatisch 726 Euro?

Die Differenz auf 726 Euro kann man auch als Arbeitsloser bekommen. Voraussetzung dafür ist, dass der Bedarf angemeldet wird. Dann wird auch das Vermögen berücksichtigt. Für das Arbeitslosengeld gilt das nicht, denn das ist eine Versicherungsleistung.

"Österreich hat eines der besten Pensionssysteme der Welt", aufbauend auf die Reformen 2003 und 2004 - ist im Regierungsprogramm zu lesen. Wenn man das liest, fragt man sich, was die SPÖ in all den Jahren so heftig kritisiert hat.

Wir waren früher unter den Top 10, sind nach der Reform aber noch immer unter den besten 25 Ländern gelegen, weil von der Gewerkschaft und der SPÖ großer Widerstand geleistet worden ist, und noch einige Korrekturen vorgenommen wurden. Wenn wir mit dem jetzigen Regierungsprogramm die Härten mildern, haben wir wieder eines der besten.

Das Regierungsprogramm sieht eine Harmonisierung der Pensionssysteme der Landes- und Gemeindebediensteten mit jenem des Bundes vor. Eine Umsetzung dessen wird vermutlich nicht ganz so einfach. Welche Handhabe haben Sie, um Druck auf die Länder auszuüben?

Man könnte die Finanzausgleichsverhandlungen von 2010 vorziehen, was aus meiner Sicht nicht ausgeschlossen ist. Das ist aber Sache des Finanzministers.

Ihr dritter wesentlicher Arbeitsbereich wird der Ausbau der Pflegevorsorge sein. Die Übergangsregelung für die ausländischen Betreuerinnen läuft am 30. Juni 2007 ab. Welche Modelle sollen diese ersetzen?Ich werde alle Kraft daran setzen, bis dahin legale, leistbare, qualitätssichernde Modelle vorzulegen. In dieser Frage werden Sozial- und Wirtschaftsministerium eng kooperieren. Fertige Modelle gibt es noch nicht, aber es gibt eine Überlegung, Unselbstständige an das Hausangestelltengesetz anzuknüpfen und parallel dazu selbstständige Tätigkeit in diesem Bereich zu ermöglichen.

Welche Mehrkosten fallen dann für die betreuten Personen an?

Wenn Sozialversicherungsbeiträge anfallen, wird das für die Betreuten mit Mehrkosten verbunden sein. Wichtig ist, dass die Mehrkosten überschaubar sind und dass man dort, wo es notwendig ist, öffentliche Mittel zuschießt. Denn die Betreuung zu Hause ist ein Ersatz für ein Pflegeheim und sollte daher auch unterstützt werden.

Wird der Regress der Länder gegenüber den Betroffenen oder der Familie geändert? Derzeit handhabt das jedes Bundesland unterschiedlich.

Ja. Wien, Oberösterreich und Salzburg belangen derzeit die Kinder nicht. Ich strebe nach Möglichkeit eine Harmonisierung nach oben an. Das ist aber keine leichte Zielsetzung.

Sie waren, ehe Sie in Salzburg Soziallandesrat wurden, Leiter des AMS Salzburg. Im Wirtschaftsministerium ist Staatssekretärin Christine Marek jetzt für den Arbeitsmarkt zuständig. Werden Sie die Zusammenarbeit mit ihr suchen?

Ich gebe zu, dass mir der Arbeitsmarkt wichtig gewesen wäre. Ich bedaure sehr, dass es uns nicht gelungen ist, diese Kompetenz wieder in das Sozialministerium zu holen. Ich werde aber mit Minister Bartenstein partnerschaftliche Gespräche führen. Mir ist wichtig, dass es in der Politik eine Trendumkehr gibt. Das Regierungsprogramm zeigt, dass der Mensch wieder im Mittelpunkt steht.