Auch in der Türkei ist das Mobiltelefon mittlerweile ein unverzichtbarer Begleiter - bald auch im Flugzeug. | Meist geht es um Liebe. Sie ist entweder unglücklich, unerfüllt oder unmöglich. Wehmut klingt durch die türkischen Weisen, die die zwei Musikanten von sich geben. Ein Geiger und ein Gitarrist treten in einem Lokal im Istanbuler Stadtviertel Beyoglu auf. Sie setzen sich zu einer Gruppe von Gästen. Und diese stimmen sofort in das Lied mit ein.
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Am Abend strömen immer mehr Menschen nach Beyoglu mit den zahlreichen Restaurants, Kaffeehäusern, Bierlokalen und den manchmal mehr, manchmal weniger versteckten Bordellen. Die Musik vermischt sich mit dem Stimmengewirr. Bekannte werden lautstark begrüßt, Kellner animieren mit Rufen Passanten zur Einkehr.
Singen, plaudern, gestikulieren, telefonieren, schreien, flirten - Kommunikation ist in der Türkei alles. Wer gerade niemanden zum Reden hat, greift zum Handy. Wer im Stau steckt, hupt. Die anderen hupen dann zurück. In Istanbul ist so gut wie immer Stau. Von den 15, vielleicht 20 Millionen Einwohnern scheinen zumindest untertags jeweils immer nur wenige hunderttausende Menschen zu Hause zu sein.
Doch im Grunde ist diese Metropole auch eine Ansammlung vieler Städtchen, die unterschiedliche Ortsteile bilden. Wie in einem Dorf, wo sich ebenfalls viel Leben auf der Straße abspielt, ist es in den einzelnen Vierteln so gut wie ausgeschlossen, keinem Freund, Cousin oder Kollegen zu begegnen. Die Zeitungslektüre vor dem Teehaus wird für eine Plauderei unterbrochen, der Gehilfe wird ums Eck zum Zigarettenholen geschickt.
Die Anonymität der Großstadt ist in den gläsernen Geschäftsvierteln zu finden, aber auch dort kann es vorkommen, dass durch die Straßen eilende Geschäftsleute stehen bleiben, weil sie einen Bekannten getroffen haben. Ein "Merhaba", ein Hallo und kurzes Händeschütteln reicht da nicht, ein paar Sätze muss man schon wechseln.
Doch nicht nur das direkte Gespräch wird gesucht. Wie in anderen Ländern scheint das Mobiltelefon mittlerweile unverzichtbar. In der Türkei wurden im Vorjahr laut einer Statistik rund 12 Millionen Handys verkauft, fast doppelt so viele wie 2006. So war die in der Öffentlichkeit meistbeachtete EU-Nachricht der Vorwoche nicht unbedingt der Türkei-Besuch von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, sondern eher Brüssels technische Entscheidung, wonach das Telefonieren in Flugzeugen bald erlaubt werden könnte.
Im Übrigen ist Türkisch zu lernen gar nicht so einfach, wie nicht zuletzt der Türkisch-Intensivkurs beweist, den die Schreiberin gerade in Istanbul belegt hat. Der Unterricht kann da so aussehen: Eine Russin, eine Ukrainerin, eine Chinesin und ich sitzen der Lehrerin gegenüber und jammern: "Ütülülüjejeüjüejiüjü". Rauskommen soll: "Ütüleyeyim mi?" und "Ütülemeyelim" - "Soll ich bügeln?" und "Lasst uns nicht bügeln". In den Pausen sprechen die Ukrainerin und die Russin miteinander Russisch, die Chinesin und ich lächeln einander an, versuchen es mit Türkisch und kehren dann zum Lächeln zurück.
Es gibt aber auch Erfolgserlebnisse wie das Gespräch mit dem Hotelbesitzer. In meinem - ansonsten sehr sauberen - Zimmer entdeckte ich eine Schabe. Bei Gelegenheit besprach ich das mit dem "Patron" - selbstverständlich auf Türkisch. Zuerst erklärte ich ihm, dass im Zimmer "Leben" sei. Dann erinnerte ich mich an das Vokabel für "Tiergarten". "Hayat" und "Hayvanat" liegen ja wirklich nahe zusammen. Danach bückte ich mich und zeigte mit den Fingern auf dem Boden Schritte an. Schließlich zeichnete ich das Tier in meinem Lehrbuch auf. Am Ende klärten wir noch ab, welche Farbe das Insekt hatte: braun, nicht schwarz. Danach waren wir sehr zufrieden, dass wir uns so gut verstanden haben. Dabei blieb es fürs erste. Weitere Tiere ließen sich allerdings auch nicht mehr bei mir blicken.
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