An die 20.000 Österreicher erwischt es pro Jahr: Apoplexie, Schlaganfall. Und wie beim Herzinfarkt geht's auch hier um die rasche Notfallversorgung. Oft kommt die Hilfe jedoch zu spät, weil die Betroffenen die fast immer vorhandenen Vorwarnungssymptome falsch eingeschätzt oder ignoriert haben, weshalb Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache ist. Aber auch wer das "Schlagerl" überlebt, ist noch lange nicht außer Gefahr, sondern auf die bestmögliche Therapie und eine gezielte Frührehabilitation angewiesen, sollen dauerhafte Folgeschäden (Behinderungen, Depressionen usw.) vermieden werden. Dies erfordert klinische Kompetenzzentren wie etwa das Neurologische Krankenhaus der Stadt Wien - Rosenhügel.
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Ausgehend von einer privaten Stiftung des Barons Nathaniel Freiherr von Rothschild, der es im Jahr 1912 "mittellosen Nervenkranken österreichischer Staatsbürgerschaft ohne Rücksicht auf Nationalität, politische Richtung und Konfession" widmete, wurde das Spital bereits vor 50 Jahren zur Schwerpunkteinrichtung in der Schlaganfall-Behandlung und entwickelte sich in der Folge bis heute zu einem neurologischen Kompetenzzentrum vor allem auf diesem Gebiet.
Mehr als 800 Schlaganfall-PatientInnen werden pro Jahr am "Rosenhügel" in der Akutphase der Erkrankung sowie im Rahmen der neuropsychologisch orientierten Frührehabilitation versorgt. Weitere Hauptschwerpunkte des Neurologischen Krankenhauses betreffen Leiden wie Morbus Parkinson, entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems, Multiple Sklerose, Epilepsie, Polyneuropathien (etwa bei Diabetes), Demenzen und Nervenentzündungen.
Bereits im Jahr 1952 entstand am "Rosenhügel" die erste Schlaganfallstation Österreichs. Die Besonderheit lag darin, dass sie von einem Neurologen geführt, die Patienten aber von Internisten, Augenärzten, Orthopäden, Physiotherapeuten, Logopäden und Neuroanatomen mitbetreut wurden. Aus diesem ganzheitlich integrativen Konzept hat sich die Betreuung der Betroffenen weiter entwickelt:
Die durchgehende Versorgungskette beinhaltet die Möglichkeiten der Neuro-Intensivmedizin, Intermediate Care, Stroke Unit und der postakuten Nachsorge im Sinn der Frührehabilitation. Somit erfüllt das Neurologische Krankenhaus als spezialisierte Sonderkrankenanstalt die von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) geforderten Standards, den Schlaganfallpatienten in jeder Phase des Krankheitsverlaufs die dem aktuellen Wissensstand entsprechende, anerkannte adäquate Betreuung zukommen zu lassen.
Zeitgmäße Schlaganfallversorgung zählt zu den medizinischen Spitzenleistungen und ist personal- und kostenaufwändig. "Entscheidend ist die gute Zusammenarbeit des Teams", so Univ.-Prof. Dr. Gernot Schnaberth, Ärztlicher Direktor und Abteilungsvorstand, anlässlich des Jubiläums im Vorjahr, "es muss die Gesamtpersönlichkeit des Patienten, sein persönliches Umfeld und die Einbeziehung der Bezugspersonen berücksichtigen."
Dass sich dies im Interesse der PatientInnen lohnt, belegen internationale Studien der letzten Jahre hinreichend: Demnach haben auf einer neurologischen Schlaganfallstation Betreute eine um bis zu 21 Prozent geringere Sterblichkeitsrate und die Dauer ihres Spitalsaufenthaltes ist um rund 25 Prozent kürzer.
Appaliker Care Unit
Nicht minder aufwändig ist jenes Projekt an der Neurologischen Abteilung des Geriatriezentrums am Wienerwald, das vor kurzem mit dem "Golden Helix Award" - einem hochrangigen Medizin-Qualitätspreis - ausgezeichnet wurde: Die erste Langzeit-Betreuungseinheit Österreichs für Menschen mit apallischem Syndrom (Wachkoma), die binnen zwei Jahren unter der Leitung von Prim. Dr. Johann Donis eingerichtet worden ist.
Das apallische Syndrom tritt meist im Zusammenhang mit schweren Schädel-Hirn-Verletzungen (etwa bei Unfällen) oder bei länger anhaltender Unterversorgung des Ghirns mit Sauerstoff auf, zum Beispiel bei zu spät einsetzender Reanimation. Das Krankheitsbild "ist gekennzeichnet durch das Fehlen jeglicher Wahrnehmung der eigenen Person und der Umwelt", so Prim. Dr. Ludwig Kaspar, Direktor der Wiener KAV-Geriatriezentren.
Pro Jahr fallen in Österreich rund 400 Menschen ins Wachkoma, viele von ihnen sind jung. Ein Drittel überlebt die erste Phase nicht, ein weiteres Drittel kann in häusliche Pflege entlassen werden. Für die Verbleibenden ist die Prognose umso schlechter, je länger ihr Zustand anhält. Das bedeutet, dass sie professionelle Langzeitbetreuung benötigen.
Ob es zu einer Verbesserung des Zustands kommt, ist bei Wachkoma-Patienten nicht vorhersehbar. Prim. Donis: "Gut ist die Prognose aber dann, wenn es eine intensive Betreuung gibt." Eine Versorgung der Betroffenen nach dem Motto "warm, satt, sauber" sei eindeutig zu wenig. Die PatientInnen müssen etwa bewegt und berührt werden - dann kann es geschehen, dass eine Art Kommunikation möglich wird. Das geschulte Pflegepersonal und die Angehörigen merken es an Blicken oder Fingerbewegungen, wenn Apalliker reagieren.
An der neuen Abteilung im GZW ist ärztliches und pflegerisches Personal tätig, das speziell für diese Patienten ausgebildet wurde. Zum Einsatz kommen auch Therapiemethoden und -konzepte, die bisher kaum angewendet wurden. Und schließlich wurden auch Messkriterien erarbeitet, die den klinischen Zustand und die Kommunikationsfähigkeit der Patienten, Parameter ihrer Lebensqualität, aber auch die Zufriedenheit der Angehörigen festlegen und erheben.
Zwischen 3.500 und 4.300 Euro kostet die stationäre Betreuung eines Patienten pro Monat, wobei jüngere Patienten oft über keine Pensionsversicherung verfügen. Unversorgt bleibt dennoch niemand, wie Wiens Gesundheitsstadträtin Prim. Dr. Elisabeth Pittermann betont: Die Differenz zwischen dem Pflegegeld und den tatsächlichen Kosten wird von der Stadt Wien sowie von den Steuerzahlern übernommen.
Menschenwürde bewahrt
Kein hoher Preis, ist es doch mit dem Projekt gelungen, die Betreuungsqualität von Apallikern wesentlich, nachweislich und anhaltend zu verbessern, vor allem aber, so Kaspar, "die Würde von Menschen zu bewahren, die durch ein plötzliches Ereignis aus ihrem Leben gerissen worden sind".