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Kompetenzwirrwarr in Außenbeziehungen

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Durch den Vertrag von Lissabon wurde eine außerordentlich komplexe Struktur in die Außenbeziehungen der neuen Union eingeführt.


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Mit der Schaffung zweier neu konzipierter Organe und der Beibehaltung des rotierenden Vorsitzes im Rat wurden die Karten im Hinblick auf die Außenvertretung der Union neu gemischt, ohne dass aber zugleich die Spielregeln in der Praxis genau fixiert sind. Es wird sich daher erst in einiger Zeit zeigen, ob sich diese tripartite Ausgestaltung der Wahrnehmung der Aussenkontakte der neuen EU bewährt oder nicht.

Der Vertrag von Lissabon setzt sowohl einen Präsidenten des Europäischen Rates als auch einen Hohen Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ein. Der Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, der von diesem für die zweieinhalbjährige Amtszeit vom 1. Dezember 2009 bis zum 31. Mai 2012 mit der Möglichkeit einer einmaligen Wiederwahl gewählt wurde, nimmt nicht nur den Vorsitz im Europäischen Rat wahr, sondern sorgt auch - in Zusammenarbeit mit dem Kommissionspräsidenten und auf der Grundlage der Arbeiten des Rates "Allgemeine Angelegenheiten" - für die Kontinuität der Aktivitäten des Europäischen Rates.

Im Anschluss an jede Tagung des Europäischen Rates hat er dem Europäischen Parlament einen Bericht vorzulegen. Was die Außenvertretung der EU in Angelegenheiten der GASP betrifft, so nimmt Van Rompuy diese "auf seiner Ebene und in seiner Eigenschaft, unbeschadet der Befugnisse des Hohen Vertreters" wahr. Damit ist er nur für die auswärtigen Beziehungen im Rahmen des Europäischen Rates zuständig.

Hoher Vertreter

Die Hohe Vertreterin, Baroness Catherine Margaret Ashton of Upholland, die vom Europäischen Rat ebenfalls Anfang Dezember 2009 für die fünfjährige Amtsperiode der derzeitigen Kommission bis zum 31. Oktober 2014 ernannt wurde, vereint in sich drei Rollen mit auswärtigen Kompetenzen: zum einen ist sie sowohl Hohe Vertreterin für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik als auch für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), eine Rolle, die bisher Javier Solana innegehabt hatte; zum anderen ist sie aber auch eine der Vizepräsidenten der Kommission, eine Funktion, die bisher von der Kommissarin für Auswärtige Beziehungen und Europäische Nachbarschaftspolitik, Benita Ferrero-Waldner, ausgeübt worden war. Zum dritten führt sie den Vorsitz im Rat "Auswärtige Angelegenheiten", der einzigen Ratsformation, in der der Vorsitz nicht im Sechsmonatsrythmus rotiert. Die Hohe Vertreterin ist für die gesamte Außen(wirtschafts-)politik der EU zuständig, mit Ausnahme der GASP auf der Ebene des Europäischen Rates. Eine ihrer wichtigsten Funktionen ist der Aufbau des "Europäischen Auswärtigen Dienstes", dessen Mitglieder sich aus dem Ratssekretariat, der Kommissionsbürokratie und aus den nationalen diplomatischen Diensten rekrutieren sollen.

Vorsitz

Der Vorsitz im Rat wird in allen seinen zehn Formationen - mit Ausnahme des Rates "Auswärtige Angelegenheiten" - nach einem System der gleichberechtigten Rotation durch einen Beschluss des Europäischen Rates festgelegt, den dieser bereits am 1. Dezember 2009 erlassen hat. Der Vorsitz wird dabei von Gruppen von drei Mitgliedstaaten für einen Zeitraum von 18 Monaten wahrgenommen, wobei jedes Mitglied der Gruppe den Vorsitz im Wechsel für einen Zeitraum von sechs Monaten übernimmt. Das aktuelle Vorsitzland, die sogenannte "Präsidentschaft", leitet damit neun Ratsformationen und kann damit zwar nicht de iure, aber de facto ebenfalls großen Einfluss auf die auswärtigen Beziehungen der EU ausüben.