Ukraine akzeptiert höheren Mischpreis von 95 Dollar. | Europa will aus der Krise lernen. | Moskau/Brüssel/Wien. Der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine wurde Dienstag Nacht beigelegt. Dies gaben die Bosse der Staatskonzerne Gazprom, Alexej Miller, und Naftogaz Ukrainy, Oleksij Iwtschenko, am Mittwoch bekannt. Beide, wie auch der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko, zeigten sich mit dem Kompromiss zufrieden. Die Russen konnten sich mit ihrer plötzlichen Preisanhebung von knapp 50 auf 230 Dollar für 1000 Kubikmeter ihres Gases durchsetzen.
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Diesen Preis zahlen aber nicht die Ukrainer, sondern der Zwischenhändler Rosukrenergo. Ein komplizierter Vertrag regelt den Kompromiss: Kiew wird über Rosukrenergo mit einer Mischung aus teurem Russen- und billigem Turkmenengas beliefert - zum Mischpreis von 95 Dollar. Damit muss die Ukraine nicht den vollen Preissprung schlucken. Weiters ist vorläufig garantiert, dass die Russen den bis dato gekappten Zufluss des Transitgases aus Turkmenistan wieder durchziehen lassen. Kiew ist mit jährlich 35 Mrd. Kubikmeter einer der wichtigsten Kunden der Gazprom.
Rosukrenergo hat zweifelhaften Ruf
Den Transit hatte schon bisher Rosukrenergo abgewickelt. Das Unternehmen, eine Tochter von Gazprom und der heimischen Raiffeisen Investment AG, ist zuversichtlich, dass sich der Deal trotz des hohen russischen Einkaufs- und des niedrigen Abgabepreises rechnen werde.
Doch viele Geschäfte von Rosukrenergo gelten als dubios. So bestehen angeblich enge Kontakte zu osteuropäischen Paten wie Semyon Mogilevich. Im Zusammenhang mit seiner Person und dem Energie-Joint-Venture wurde über Geldwäsche und Korruption berichtet. Und der Moskauer Fondsmanager Wadim Klejner wundert sich: "Warum, wenn der Export turkmenischen Gases in die Ukraine so lukrativ ist, macht Gazprom das nicht selbst?"
Damit Kiew den höheren Preis auch bezahlen kann, wurde zwischen Gazprom und Naftogaz vereinbart, dass die Ukraine mehr für den Gastransit verlangen darf als bisher. Die Transitgebühren werden etwa um 47 Prozent von 1,1 auf 1,6 Dollar für 1000 Kubikmeter pro 100 Kilometer angehoben. Zudem sollen die Transaktionen künftig bar abgewickelt werden.
Erleichterte EU sucht Weg aus Abhängigkeit
Auf eine Preisanhebung muss sich auch der EU-Beitrittskandidat Bulgarien gefasst machen. Der russische Botschafter Anatolij Potapow hält dies im heurigen Jahr für logisch. Das Balkanland ist gänzlich von der Gazprom abhängig.
Erleichtert über die Einigung zeigten sich Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik sowie viele andere EU-Politiker. Hatte doch auch ihnen der Kreml eindrucksvoll seine Macht via Gashahn demonstriert. Dass Moskau die EU nur einen Tag mit zu wenig Energie versorgte, ist wohl auch mit der Abhängigkeit Russlands von seinem wichtigsten Handelspartner zu erklären. Denn im ersten Halbjahr 2005 importierte Russland aus der EU Waren im Wert von 58 Mrd. Euro,. Das ist doppelt soviel wie die EU umgekehrt einführte. Außerdem macht sich seit der Gaskrise Skepsis in Europa breit. Man zweifelt an der Verlässlichkeit Russlands als Gaslieferant. Jedenfalls will man aus den Vorkommnissen der vergangenen Tage Lehren ziehen, denn die Erpressbarkeit ist keine gute Grundlage für die ungetrübte Weiterführung der Beziehungen.
Eine Lehre ist, dass die EU in Energiebelangen gemeinsam vorgehen muss. Dieser Auffassung ist auch der Chef des französischen Energiekonzerns Suez, Gérard Mestrallet: "Wenn Europa mit einer Stimme spräche, könnte es gegenüber jedem Lieferanten ein vorteilhaftes Kräfteverhältnis schaffen." EU-Energiekommissar Andris Piebalgs will von nun an die Erschließung alternativer Energiequellen verstärkt fördern und ruft zum Energiesparen - 1 Prozent jährlich - auf: "Je mehr Energie wir verbrauchen, desto abhängiger werden wir sein." Doch der Trend geht trotz aller guten Vorsätze in die andere Richtung.
Siehe auch:Neubau von AKW rechnet sich nicht