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Komplimente unter Europäern

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik
Der unkonventionelle Dreier-Handshake Van der Bellens (M.) mit Tusk (l.) und Kern sollte das Bekenntnis zur EU betonen.
© Bundesheer/Lechner

Bundespräsident Van der Bellen gemeinsam mit Kanzler Kern auf Antrittsbesuch in Brüssel.


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Brüssel/Straßburg. Von einer "Auslandsreise" wollte Alexander Van der Bellen gar nicht sprechen. Vielmehr sah der österreichische Bundespräsident seinen Besuch in Brüssel als einen außerhalb der Grenzen seines Landes. Denn die Europäische Union sei ja nicht als Ausland zu betrachten, meinte Van der Bellen nach einem Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Doch nicht nur das verlieh der ersten Reise des Staatsoberhaupts eine gewisse Symbolik. Van der Bellen kam gemeinsam mit Bundeskanzler Christian Kern nach Brüssel - auch das sollte die Wichtigkeit des Themas EU unterstreichen.

So betonte Kern die Notwendigkeit, ein "klares Bekenntnis zu Europa" abzulegen, gerade in Zeiten, wenn die Ankündigungen der neuen US-Regierung und der nahende Brexit Unsicherheiten schaffen. "Europäer sein" sei ein Zustand "nicht nur bei Sonnenschein, sondern auch bei Regen".

Dass die atmosphärische Lage für die Union derzeit nicht die beste ist, ist nämlich allen Beteiligten klar. Neben außenpolitischen Krisen sind es Herausforderungen im Inneren, die der Gemeinschaft zu schaffen machen: nicht nur der Austrittswunsch der Briten, sondern auch die Bestrebungen in anderen Ländern, nationale Interessen über gemeinsame europäische Vorhaben zu stellen. Van der Bellen hielt dem entgegen, dass es "verrückt" sei, zu glauben, einzelne Nationalstaaten wie in den 1930er Jahren können stärker sein als eine Gemeinschaft. Kern wies außerdem darauf hin, dass es keinem Land nach seinem EU-Beitritt schlechter gegangen sei als zuvor.

Kommissionspräsident Juncker hörte das nur allzu gern. Er freute sich über das "Zeichen der Wertschätzung für das europäische Projekt", das der Besuch Van der Bellens darstellte, und wandte seine Wienerisch-Kenntnisse an, um Kern herzlich als seinen "Hawara" zu bezeichnen.

Allerdings ist Junckers Zeit, um auf höchster EU-Ebene Freundschaften zu pflegen, begrenzt. Er strebe keine zweite Amtsperiode an, erklärte der Kommissionspräsident im Deutschlandfunk erneut. "Fünf Jahre reichen", befand er nach dem Treffen mit den österreichischen Politikern. Er sei nicht "amtsmüde", doch wolle er sein Mandat nur bis 2019 erfüllen.

Ähnlich lang wird dann EU-Ratspräsident Donald Tusk seinen Posten innehaben, falls seine Amtszeit heuer verlängert wird. Auch er traf sich mit Van der Bellen und Kern zu einem Gespräch. In Brüssel wurde der Wahlsieg des ehemaligen Grünen-Bundessprechers mit Erleichterung aufgenommen - als Votum gegen Rechtspopulismus und EU-Skepsis. Es sei "ein Zeichen der Hoffnung für Millionen geworden", befand denn auch Tusk.

EU-Fraktionen für Reformen

Mit Sympathiebekundungen kann Van der Bellen wohl auch in Straßburg rechnen, wo das EU-Parlament zu seiner Plenarsitzung zusammengekommen ist. Am heutigen Dienstag hält der Bundespräsident dort eine Rede.

Sein Plädoyer für mehr Europa wird nicht das einzige in der Volksvertretung in Straßburg bleiben. Denn gleich drei Fraktionen bringen diese Woche Entschließungen zur künftigen Entwicklung der EU ein. Die Europäische Volkspartei (EVP), die Sozialdemokraten sowie die Liberalen befassen sich darin mit den nötigen institutionellen Reformen für die Gemeinschaft.

Die Christdemokraten, die stärkste Gruppierung im EU-Parlament, pochen auf eine gemeinschaftliche Beschlussfassung und wollen zwischenstaatliche Vereinbarungen einschränken. Stattdessen soll der Rat, also die Versammlung der Mitgliedstaaten, in "eine wirkliche Gesetzgebungskammer umgewandelt" werden. So soll ein "echtes, legislatives Zweikammersystem aus Rat und Parlament mit der Kommission als Exekutive" geschaffen werden.

Der EVP geht es nicht zuletzt um die "Ausschöpfung des Potenzials" des derzeit geltenden Vertrags von Lissabon, der die Funktionsweise der Institutionen regelt. Doch enthält das Dokument auch Stellen, die Konfliktstoff bieten. Denn der Vertrag sieht auch eine Verkleinerung der EU-Kommission vor, was bedeuten würde, dass nicht jedes Land einen Kommissar nach Brüssel schickt. Das würde den Mitgliedstaaten jedoch kaum gefallen. In Irland ist der Lissabonner Vertrag 2008 nicht zuletzt wegen solch institutioneller Bedenken per Referendum abgelehnt worden. Erst nach entsprechenden Änderungen wurde der Text angenommen. Und vor wenigen Jahren vereinbarten die Regierungen erneut, die EU-Kommission nicht zu verkleinern.

Das EU-Parlament wiederum hat mit dem Abkommen von Lissabon mehr Mitspracherechte erhalten. Dennoch plädieren die Liberalen für eine "gründliche Überarbeitung" des Vertrags. Auf außergewöhnliche Herausforderungen müsse die EU nämlich schnell reagieren können. Dafür seien "neue wirksame europäische Kapazitäten" zu schaffen.