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"Kompliziert, aber durchschaubar"

Von Christian Rösner

Politik
Das Budget ist bewusst leseunfreundlich gestaltet , kritisiert die Opposition.
© fotolia

Das Wiener Budget ist transparent - zumindest für die Stadtregierung.


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Wien. "Wenn man wissen will, was in einem Buch steht, dann sollte man es lesen", erklärte Vizebürgermeisterin und Finanzstadträtin Renate Brauner am Montagabend vor Journalisten. Damit reagierte sie auf die oftmals geäußerte Kritik der Opposition, die Stadtregierung würde wichtige Zahlen verheimlichen.

Fakt sei, dass schon seit Jahren vollkommene Transparenz beim Wiener Budget herrsche - alles sei online auf www.wien.at zu finden, betonten auch Finanzdirektor Richard Neidinger sowie die Abteilungsleiter der Finanzabteilungen MA5 und MA6, Dietmar Griebler und Ulrike Huemer.

Brauner räumte zwar ein, dass es kompliziert sei, "aber das Gegenteil von Komplexität ist Vereinfachung und ein Drüberfahren - und das gibt es in meinem Ressort sicher nicht: Kompliziert, ja. Undurchschaubar, nein", betonte die Finanzstadträtin.

Tatsächlich ist das Budget nicht nach Geschäftsgruppen bzw. politischen Ressorts gegliedert, weil die Budgeterstellung aller Länder und Gemeinden per Bundesverordnung einheitlich sein soll, erklärte Griebler. Das macht natürlich für die Opposition das Zusammenfassen eines politischen Ressorts nicht unbedingt einfach. Die Kritik lautet ja, dass das Budget bewusst leseunfreundlich gestaltet sei und die angesprochene Bundesverordnung nur eine lose Vorgabe.

Schnelle Überprüfbarkeit nur schwer möglich

Und angesichts von jährlich 1,4 Millionen Rechnungen und vielen weiteren Millionen Buchungen in der Finanzbuchhaltung ist auch die schnelle Überprüfbarkeit der Zahlenwerke für Außenstehende nur schwer möglich. Dazu kommt noch die Möglichkeit von Umschichtungen zwischen einzelnen Zuständigkeitsbereichen - die zwar im Budget aufscheinen, aber dort nicht als solche extra ausgewiesen werden. Es gibt eine Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben und die einzelnen Kennzahlen dazu. Das Detail spielt sich im Hintergrund der Finanzbuchhaltung ab. Große Hürden also, die die Opposition nehmen muss, wenn sie die Finanzgebahrung einzelner Ressorts aufs Korn nehmen will.

"Fordern gemeinsames Haushaltsrecht"

Was Derivatgeschäfte angeht, so betonte Brauner am Montagabend, dass man sie ausweisen würde, wenn es welche gäbe. "Wir fordern schon lange ein gemeinsames Gemeindehaushaltsrecht, in dem festgeschrieben ist, dass alle Derivate auszuweisen sind", betonte Brauner. Entsprechende Gespräche mit Ländern, Gemeinden und dem Finanzministerium seien am Laufen. Mit den ausgelagerten Unternehmungen, die sich im Besitz der Stadt befinden - wie etwa die Wiener Stadtwerke oder die Wien Holding hat das aber laut Brauner nichts zu tun. Diese würden als selbständige Unternehmen im Wettbewerb stehen und entsprechend eigenverantwortlich agieren. Und es wäre laut den Finanzexperten fahrlässig, wenn sich etwa Wiengas auf dem unsicheren Gasmarkt nicht mit Derivatgeschäften absichern würde, so wie das in dieser Branche üblich sei.

Insgesamt sprachen die Experten von einem sehr modernen Budgetvollzug in Wien. Denn früher musste noch jede einzelne Position mit den einzelnen Dienststellen durchgegangen werden - das bezeichnete man laut Neidinger in den 60er und 70er Jahren als "Budgetperlustrierungen". Da wurde noch jede einzelne Position zwischen Finanzverwaltung und der jeweiligen Dienststelle verhandelt und einer intensiven Diskussion unterzogen; der Fachbereich musste die Notwendigkeit der einzelnen Vorhaben definieren und rechtfertigen. "Und die Finanzverwaltung hat sich sozusagen angemaßt, zu beurteilen, ob diese Vorhaben sinnvoll oder nicht sinnvoll sind", erklärte Neidinger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

In der von Neidinger bezeichneten "Steinzeit" der Budgeterstellung - also in den Jahren 1965 bis 1980 - war das laut dem Finanzexperten noch durchaus praktikabel, betrugen doch die zur Berechnung herangezogenen Positionen nur etwa 20 Prozent von den heute zu bewältigenden.

Das Problem an dieser Berechnungsart war laut Neidinger die unklare Aufteilung der Verantwortung, weil sich jeder auf den anderen ausreden konnte. Also ist man später dazu übergegangen, den einzelnen Dienststellen eigene Töpfe zur Verfügung zu stellen, die sie nach Erfüllung ihrer Pflichten nach eigenem Ermessen aufteilen konnten. "Natürlich waren so wie auch heute immer zuerst vertragliche und gesetzliche Verpflichtungen zu bedienen und erst dann konnten entsprechende Prioritätensetzungen vorgenommen werden", meint Neidinger.

Das habe schließlich um die Jahrtausendwende zu einer Globalbudgetierung geführt. Hier wurden erstmals alle Geschäftsgruppen - also die einzelnen politischen Ressorts mit all ihren Fachbereichen - mit eigenen Töpfen ausgestattet, und mit den entsprechenden Evaluierungsinstrumentarien.

Seit 2000 können Rücklagen gebildet werden

"Hand in Hand mit dieser dezentralen Ressourcenverantwortlichkeit ist auch eine Modernisierung des Haushaltswesens gegangen, wo den Ressorts auch ermöglicht wurde, mit nicht verbrauchten Mitteln Rücklagen zu bilden, um für künftige Vorhaben Geld anzusparen." Früher sind nämlich nicht verbrauchte Budgetposten verfallen, was nicht selten dazu geführt hat, dass in letzter Sekunde noch schnell das Geld ausgegeben wurde. Denn der Verbrauch des Vorjahres galt auch als Messlatte für die Budgetierung des kommenden Jahres.

Seit 2000 wird für die Budgeterstellung von einem Zero-Budgeting ausgegangen: Es wird jedes Jahr ermittelt, wie viel die einzelnen Ressorts mit ihren Abteilungen brauchen und wie viel Ressourcen bzw. Einnahmen - eigene Steuern, Gebühren und Mittel aus den gemeinschaftlichen Bundesabgaben zur Verfügung stehen. Wobei es sich laut Neidinger hier um keine Leistung des Bundes an die nachgeordneten Gebietskörperschaften handle, sondern um Gelder, die der Bund für alle Gebietskörperschaften gemeinsam einhebt. Es sei nicht so, wie es oft dargestellt werde, dass der Bund derjenige ist, der die Länder und Gemeinden an seinen Einnahmen partizipieren lasse, meinte Neidinger.

In Gegenüberstellung der einnahmenseitigen Ressourcen mit der Ausgabenstruktur ergeben sich dann im besten Fall Freiräume, die man dann entsprechend der Prioritätensetzungen der Regierung zuordnen kann.