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Kompliziertes Spiel über die Bande

Von Hermann Sileitsch

Analysen

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Es klingt abenteuerlich: Nachdem die Steuerzahler viele Banken gerettet haben, sollen nun die Banken trudelnden Staaten aus ihren Finanznöten helfen, indem sie verstärkt Staatsanleihen kaufen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat das sogar völlig unverblümt angeregt. Damit könne die Europäische Zentralbank (EZB) ins Spiel gebracht werden. Sie darf laut ihrem Mandat keine direkte Staatsfinanzierung betreiben, wird von vielen aber für die einzige glaubwürdige Instanz mit ausreichender Finanzfeuerkraft für die Eurorettung gehalten.

Die Überlegung: Die EZB hat den Banken faktisch unlimitiert Kredit zur Verfügung gestellt und obendrein die Zugangshürden und Kosten dafür gelockert - jetzt sollen die Geldinstitute einen großen Teil davon zur Staatsfinanzierung einsetzen. Damit würden die Anleihenzinsen sinken, die Staaten könnten sich leichter refinanzieren, ihre Finanznöte würden gelindert, eine Staatspleite unwahrscheinlicher. Zugleich würden die Anleihenkurse steigen und die Bankbilanzen entlastet.

Im Idealfall wäre das also eine Win-win-Situation, bei der die EZB gewissermaßen über die Bande spielt. Das macht es aber bekanntlich schwieriger, die richtige Kugel zu treffen. In der "Financial Times" merkt EZB-Chef Mario Draghi an, die Zentralbank könne nicht steuern, wo die Banken die EZB-Kredite reinvestieren. Das ist gefinkelt, weil strikt marktwirtschaftlich argumentiert. Wenn die mit Staatsanleihen nach momentaner Markteinschätzung verbundenen Risiken tatsächlich übertrieben werden, müssten die Banken der Eurozone ein Geschäft darin wittern, dort billiges EZB-Geld zu investieren. Solange Staatsanleihen als risikolos galten, waren Banken ohnehin Hauptabnehmer.

Die Sache hat allerdings einen Haken: Viele Banken sind derzeit selbst in einem höchst maroden Zustand, woran nicht zuletzt die Wertverluste bei den Staatsanleihen schuld sind. Und diese Wertverluste sind vor allem deshalb eingetreten, weil zeitgleich, während die Eurostaaten auf die Banken als Investoren hoffen, die europäische Aufsichtsbehörde EBA diesen aufgetragen hat, riskante Investitionen loszuwerden oder sich große Mengen an (notfalls staatlichem) Kapital zu besorgen, um besser abgesichert zu sein. Statt Kaufanreize für Staatsanleihen zu schaffen, wurde dadurch Verkaufsdruck erzeugt. Und, obendrauf: Alle Banken, die griechische Papiere in den Büchern haben, sollen - so der politische Wille - 50 Prozent Wertverlust hinnehmen ("Haircut").

Auch wenn Draghi das als schlechtes Timing herunterspielt: Es sind diese in sich widersprüchlichen Schritte der EU-Institutionen, die eine Lösung der Krise so kompliziert machen.